BaFin schafft Erleichterung für kleine und sehr kleine Institute

Geschrieben von

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Pascal Leitmann

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Deutschland

Als Associate in unserer Finance & Financial Regulation Praxisgruppe berate ich nationale und internationale Mandanten in finanzaufsichtsrechtlichen Fragen und bei Fragen der Projektfinanzierung.

johannes wirtz Module
Johannes Wirtz, LL.M. (London)

Partner
Deutschland

Als Partner in unserer Finance & Financial Regulation Gruppe in Frankfurt berate ich unsere nationalen und internationalen Mandanten in Fragen der Bankenregulierung und des Finanzrechts

Am 26. November 2024 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Aufsichtsmitteilung „Kleine und sehr kleine Kreditinstitute: Proportionalität in den Anforderungen der BaFin an das Risikomanagement“ veröffentlicht. 

Ziel der zum Ausgang des letzten Jahres aktualisierten Verwaltungspraxis ist es, im Sinne des Proportionalitätsprinzips kleine, risikoarme Institute vor Überlastung zu schützen. Viele dieser Institute müssen Anforderungen erfüllen, die für ihre spezifischen Risiken nicht relevant sind. In der Aufsichtsmitteilung weist die BaFin auf bereits bestehende Spielräume, nicht immer von den Instituten genutzte, Spielräume hin und stellt neue Erleichterungen vor. 

Vereinheitlichung der Definition „kleiner Institute“

In der Aufsichtsmitteilung vereinheitlicht die BaFin die Definition kleiner Institute im Sinne der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk). Als solche gelten künftig alle Institute, die als kleine und nicht-komplexe Institute (Small and Non-Complex Institutions – SNCIs) nach Artikel 4 Absatz 1 Nr. 145 der Kapitaladäquanz-Verordnung (Capital Requirements Regulation – CRR) eingestuft sind.

Bisher definierten sowohl die MaRisk als auch CRR den Begriff des kleinen Instituts. Die Definition erfolgt grundsätzlich durch das Über- oder Unterschreiten bestimmter Schwellenwerte. Die Schwellenwerte der MaRisk waren nicht deckungsgleich mit denen der CRR, deren Anforderungen die Institute ebenfalls erfüllen müssen. Um die bestehende Unübersichtlichkeit zu verringern, orientiert sich die Definition in den MaRisk, mit wenigen Ausnahmen, an der Definition der CRR.

Als kleine Institute im Sinne der MaRisk gelten so künftig Kreditinstitute, die nach Artikel 4 Absatz 1 Nr. 145 CRR kleine und nicht komplexe Institute sind. Die BaFin geht davon aus, dass rund 950 Institute, also etwa drei Viertel aller deutschen Kreditinstitute, darunterfallen.

Definition „sehr kleiner Institute“

Die Aufsichtsmitteilung übernimmt darüber hinaus die Definition des Begriffs der „sehr kleinen Institute“ aus dem Leitfaden zur aufsichtlichen Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte vom 29. Mai 2018 (‚RTF-Leitfaden‘) und legt einen Schwellenwert für die Bilanzsumme von einer Milliarde Euro fest.

Zusammenfassung der Erleichterungen

Risikoinventur und Behandlung unwesentlicher Risiken

Die Institute können sich in ihrer Risikotragfähigkeitsbetrachtung, die im Rahmen der gemäß AT 2.2 Tz. 1 MaRisk regelmäßig vorzunehmenden Risikoinventur durchzuführen ist, auf wesentliche Risiken konzentrieren. Die Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Risiken erfolgt anhand eines Schwellenwerts von fünf Prozent des ökonomischen Risikodeckungspotenzials. Mehrere als unwesentlich eingestufte Risiken können zusammen genommen ein wesentliches Risiko bilden. Die BaFin hält es für vertretbar, dass nur der Teil der aufsummierten unwesentlichen Risiken, der die Wesentlichkeitsschwelle von fünf Prozent überschreitet, berücksichtigt wird.

Risikotragfähigkeit

Für die Berechnung der Risikotragfähigkeit können sehr kleine und kleine Institute vereinfachte Methoden benutzen. Mit Verweis auf den weiter geltenden RTF-Leitfaden lässt die BaFin kleine Institute barwertnahe Verfahren zur Risikoermittlung nutzen. Dabei können Risiken vereinfacht ermittelt werden, beispielsweise durch die Ableitung des Risikodeckungspotenzials von Bilanz- oder Kapitalgrößen, wobei weiter stille Reserven und Lasten beachtet werden müssen. 
Sehr kleine und wenig komplexe Institute können bei der Berechnung der Risikotragfähigkeit das „Säule 1+“-Verfahren nutzen. Bei diesem werden die Risikowerte für wesentliche Risiken, die in Säule 1 nicht oder nur unzureichend berücksichtigt werden, vereinfacht oder pauschal ermittelt. Für schwer quantifizierbare Risiken, wie etwa Modellrisiken, können diese – anstelle pauschaler Schätzungen – auch durch die Bildung angemessener Puffer im Risikodeckungspotenzial abgedeckt werden.

Stresstests

Kleine Institute können die Anzahl der Stresstests niedrig und die Ausgestaltung schlank halten. Zudem müssen sie ihr gesamtes Stresstestprogramm nicht quartalsweise rechnen, sondern es reicht aus, wenn sie rollierend in jedem Quartal nur einzelne Stresstests aktualisieren. So können beispielsweise drei bis maximal fünf Stresstests im Jahr ausreichend sein. Sofern das Stresstestprogramm eine angemessene Steuerung der wesentlichen Risiken erlaubt, kann auf inverse Stresstests, also Tests mit denen untersucht wird, welche Ergebnisse das Überleben des Instituts gefährden könnten, verzichtet werden. Sehr kleine Institute müssen nur einen risikoartenübergreifenden Stresstest und pro wesentlicher Risikoart einen Test durchführen, wobei je nach Geschäftsart und Risikoprofil einfache Sensitivitätsanalysen ausreichen können. Adverse Szenarien können standardisiert übernommen werden und operationelle Risiken müssen nicht gestresst werden, wenn diese bereits im Notfallmanagement berücksichtigt sind.

Beauftragtenwesen

Die MaRisk ermöglichen die Kombination von Beauftragtenfunktionen, solange die Trennung zwischen internen Kontrollfunktionen und operativen Tätigkeiten gewahrt bleibt. Compliance-Beauftragte können etwa Aufgaben in den Bereichen WpHG-Compliance, Geldwäsche, Informationssicherheit und Datenschutz übernehmen, sofern die zeitlichen Kapazitäten dies erlauben.
Auch die Funktion des zentralen Auslagerungsbeauftragten lässt sich kombinieren, solange dieser nur überwachende und koordinierende Tätigkeiten ausübt. Operative Tätigkeiten der Auslagerungssteuerung müssen außerhalb des Kontrollbereichs liegen.

Auslagerungsmanagement

Die verstärkte Nutzung eines gruppen- oder verbundinternen Auslagerungsmanagements ist unproblematisch. Ein solches Auslagerungsmanagement kann die Vorauswertung der Qualität und Risiken der Mehrmandantendienstleister und deren Subunternehmer sowie die zentralisierte Meldung von Auslagerungen und Weiterverlagerungen übernehmen. Zusätzlich können Institute bei verbundinternen Auslagerungen auf die Erstellung von Ausstiegsprozessen und Handlungsoptionen verzichten. 
Auch kann ein Drittmelder oder Dienstleister bevollmächtigt werden, relevante Anzeigen im Zusammenhang mit der Weiterverlagerung abzugeben. Wichtig ist jedoch, dass die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung und die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Pflichten – sowohl bei der Übertragung auf ein Auslagerungsmanagement als auch bei der Beauftragung Dritter – beim jeweiligen Kreditinstitut verbleibt.

Kreditgeschäft

Die BaFin ermöglicht im nicht-risikorelevanten Kreditgeschäft Erleichterungen für die Kreditvergabe und Überwachung. So können bei Kreditwürdigkeitsprüfungen vereinfachte Verfahren angewendet werden, etwa bei unbesicherten Verbraucherkrediten oder Krediten an Kleinst- und Kleinunternehmen. Hierbei sind Sensitivitätsanalysen für potenziell negative Ereignisse nicht zwingend erforderlich. Kreditinstitute können sich auf wesentliche Merkmale und Unterlagen beschränken, die für bewährte und validierte Prüfverfahren notwendig sind. Die umfangreichen Anlagen der EBA-Leitlinien für die Kreditvergabe und Überwachung dienen dabei nicht als verpflichtende Checklisten, sondern als Orientierung. Voraussetzung bleibt jedoch eine angemessene Risikobeurteilung und die Einhaltung der Verbraucherschutzvorgaben.

Marktschwankungskonzept

Kleinen Instituten kann es in der Beobachtung der BaFin an Daten fehlen, um ein geeignetes Marktschwankungskonzept zu erstellen. In solchen Fällen können sie auf den Einkauf fremder Daten verzichten, sofern sie ihre regionale Immobilienmarktentwicklung eigenständig überwachen können. Voraussetzung ist, dass die eigenen Transaktionen genügend Einblicke bieten und die Anzahl der Geschäfte ausreicht, um mithilfe selbstentwickelter Kennzahlen die Preisentwicklungen im Geschäftsgebiet zuverlässig zu überwachen.

Berichtswesen

Kleine Institute müssen ihre Gesamtrisikoberichte nicht mehr vierteljährlich erstellen, wenn es im abgelaufenen Quartal keine relevanten Änderungen gegeben hat. Zudem sind kleine und nicht komplexe Institute nur noch verpflichtet, die Informationen zur Überwachung und Strategie der Kapitalplanung alle zwei Jahre zu überprüfen, anstatt sie in jedem Gesamtrisikobericht zu enthalten. Liquiditäts- und Ausfallrisiken sollten weiterhin vierteljährlich überprüft und bei Bedarf sofort gemeldet werden, da sie sich kurzfristig ändern können.
Kleine Institute können bei der Validierung von Risikomodellen auf die Berichte zentraler Dienstleister zurückgreifen und diese ihrem Reporting beilegen, ohne eigene Berichtsteile zur zentralen Validierung erstellen zu müssen. Sie sind lediglich verpflichtet, eigenständig zu prüfen, ob der verwendete Datenpool mit ihren Portfolien vergleichbar ist. Diese institutsindividuelle Prüfung und Berichterstattung kann jedoch deutlich schlanker ausfallen als bei selbst entwickelten Modellen. Auch für Sanierungsindikatoren ist kein separater Bericht erforderlich, da diese im Gesamtrisikobericht berücksichtigt werden können.

Ausblick

Die Aufsichtsmitteilung der BaFin enthält in weiten Teilen klarstellende Hinweise, die keine Änderungen der bestehenden Regelungen nach sich ziehen, sondern vielmehr eine präzisere Auslegung und Anwendung der geltenden Vorgaben vor dem Hintergrund einer verhältnismäßigen Anwendung der aufsichtlichen Regeln bieten. Alle zusätzlichen Erleichterungen, die in der Aufsichtsmitteilung bekanntgegeben wurden, sind mit deren Veröffentlichung am 26. November 2024 in Kraft getreten und werden voraussichtlich bei der nächsten Novellierung direkten Eingang in die MaRisk finden. Für den Fall, dass in laufenden Prüfungen bisher von den Vorgaben dieser Mitteilung abgewichen wurde, müssen diese Feststellungen nicht mehr als Fehler korrigiert werden. Dennoch behält sich die BaFin vor, die gewährten Erleichterungen zu überprüfen, soweit sich Anhaltspunkte ergeben, dass sich die Risikolage kleiner Institute insgesamt ungünstig entwickelt und sich deren Risikoprofile im Durchschnitt erheblich verschlechtern.


Mit freundlicher Unterstützung von Anna Volz, wissenschaftliche Mitarbeiterin
 

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