Wesentliche Änderungen des deutschen Investmentrechts – Teil I: Vermögensanlagen und Wertpapiere

Geschrieben von

michael juenemann module
Dr. Michael Jünemann

Partner
Deutschland

Als Co-Head der globalen Finance & Financial Regulation Praxisgruppen und Leiter der deutschen Finance & Financial Regulation Praxisgruppe berate ich in den Bereichen des nationalen und internationalen Finanz- und Kapitalmarktrechts sowie im Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht. Zudem bin ich Mitglied der internationalen Steuerungsgruppe unserer Sektorgruppe Finanzdienstleistungen.

johannes wirtz Module
Johannes Wirtz, LL.M.

Partner
Deutschland

Als Partner in unserer Finance & Financial Regulation Gruppe in Frankfurt berate ich unsere nationalen und internationalen Mandanten in Fragen der Bankenregulierung und des Finanzrechts

Das Gesetz zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes bringt wesentliche Änderungen für Vermögensanlagen und Wertpapiere mit sich.

Am 16. Juli 2021 wurde das Gesetz zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Das Gesetz passt das Vermögensanlagegesetz (VermAnlG), das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) und weitere Gesetze an. In diesem ersten Teil werfen wir einen Blick auf die Änderungen für Vermögensanlagen und Wertpapiere.

Verbot von Blindpool bei Vermögensanlagen (§ 5 Abs. 2 VermAnlG)

Der Gesetzgeber will den besonderen Risiken, die Blindpoolanlagen innewohnen, entgegenwirken. Bei Blindpoolanlagen ist das Anlageobjekt bei Aufstellung des Prospekts oder des Informationsblattes noch nicht festgelegt. Kleinanleger können daher das Risiko nicht bewerten. Daher dürfen Vermögensanlagen, die als Blindpoolanlagen ausgestaltet sind, zukünftig nicht mehr Kleinanlegern angeboten werden. Für institutionelle Investoren, die weitreichendere Kenntnisse und Informationsquellen haben, gilt dieses Verbot nicht.

Zukünftig muss das konkrete Anlageobjekt feststehen. Es reicht nicht, die Vermögensanlage so auszugestalten, dass sie auf eine gewissen Branche beschränkt ist (sog. Semi-Blindpool-Konstruktionen).

Die BaFin hat bereits die Konsultation eines Merkblattes zum Verbot von Blindpool-Konstruktionen im Vermögensanlagengesetz (Konsultation 07/2021) gestartet. Ein vergleichbares Verbot ist für Wertpapiere nicht ersichtlich. Dies bietet insbesondere wohl die Möglichkeit, eine Vermögensanlage durch Tokenisierung zu einem Wertpapier sui generis zu machen und so dem Verbot zu entkommen. Zudem gibt es weiterhin Raum für SPACs (special purpose acquisition company).

Vertrieb von Vermögensanlagen nur noch durch Vermittler (§ 5 Abs. 3 VermAnlG)

Zukünftig wird auch der Eigenvertrieb von Vermögensanlagen durch den Anbieter/Emittenten untersagt. In solchen Fällen fehlt eine Geeignetheits- oder Angemessenheitsprüfung. Zukünftig dürfen Vermögensanlagen nur noch durch Anlageberater und Anlagevermittler nach dem Kreditwesengesetz (KWG) oder dem Wertpapierinsitutsgesetz (WpIG) bzw. durch Finanzanlagevermittler nach der Gewerbeordnung (GewO) vertrieben werden. Diese unterliegen der Pflicht, eine Geeignetheits- oder Angemessenheitsprüfung vorzunehmen.

Auch hier ist eine vergleichbare Regelung für Wertpapiere nicht ersichtlich, so dass eine Vermögensanlage, die durch Tokenisierung zu einem Wertpapier sui generis gemacht wird, dieser Auflage wohl nicht unterliegen wird.

Pflicht zur Bestellung eines Mittelverwendungskontrolleurs (§ 5c VermAnlG)

Der Gesetzgeber hat sich angesichts jüngster Skandale dazu entschieden, für bestimmte Vermögensanlagen die Pflicht zur Bestellung eines Mittelverwendungskontrolleurs einzuführen.

Dies gilt für die sog. sonstigen Anlagen sowie für die erst zum 1. Juli 2021 durch das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz eingeführten Edelmetallanlagen, soweit diese den Erwerb eines (Rechts an einem) Sachgut oder die Pacht eines Sachgutes betrifft oder eine darlehensbasierte Vermögensanlage (partiarische Darlehen, Nachrangdarlehen, Genussrechte, Namensschuldverschreibungen, sonstige Anlagen, Edelmetallanlagen), bei der die Anlegergelder zum Zwecke des Erwerbs eines (Rechts an einem) Sachgutes oder der Pacht eines Sachgutes an einen Dritten weitergeben werden. Als Sachgut stellt sich der Gesetzgeber beispielsweise Container und Bäume vor; zwei Anlagegüter, die in den letzten Jahren an Beliebtheit und Aufsehen erfuhren. Weitere Sachgüter sind Grundstücke nebst Gebäuden, andere Immobilen oder auch Tiere. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Emittent diese Sachgüter selbst erwirbt; erfasst ist auch die Weitergabe der Gelder für diesen Zweck an eine Tochter- oder Zweckgesellschaft (SPV).

Der Mittelverwendungskontrolleur soll hier ein mögliches Transparenzdefizit beseitigen. Daher muss er unabhängig sein; gesellschaftsrechtliche oder persönliche Verbindungen dürfen nicht bestehen. Zudem grenzt das Gesetz die möglichen Personen, die als Mittelverwendungskontrolleur in Frage kommen, ein: Diese Funktion können nur Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer oder von diesen Berufsträgern gebildete Gesellschaften übernehmen. Der für den Emittenten bestellte Abschlussprüfer scheidet jedoch aus, da diese Aufgaben nicht vermischt werden sollen. Für einen Emittenten kann der Mittelverwendungskontrolleur nur zehn Jahre tätig sein; danach muss der Mittelverwendungskontrolleur für neue Emissionen gewechselt werden – laufende Emissionen dürfen jedoch weiter betreut werden.

Das Gesetz gibt auch den Ablauf der Mittelfreigabe vor. So muss der Emittent ein Konto einrichten, auf der er nur mit dem Mittelverwendungskontrolleur gemeinsam zugreifen darf (sog. Und-Konto). Eine Freigabe der Gelder darf erst nach einer Prüfung erfolgen, dessen Ergebnis in einem Bericht an die BaFin geschickt werden muss. In diesem Bericht sind die folgenden Punkte anzugeben:

a) Höhe der eingesammelten Anlegergelder,
b) Höhe der davon in Anlageobjekte investierten Anlegergelder,
c) Höhe der Anlegergelder, welche für sonstige Ausgaben verwendet wurden,
d) Aufzählung der sonstigen Ausgaben und Beschreibung der Verwendung der Anlegergelder für die sonstigen Ausgaben,
e) Aufzählung und Beschreibung der bereits erworbenen Anlageobjekte oder der Rechte daran oder der bereits gepachteten Anlageobjekte und
f) die Summe der nicht investierten Anlegergelder.

Veröffentlichungspflichtige Tatsachen nach Beendigung des Angebots (§ 11a VermAnlG)

Die Pflicht des Emittent nach Beendigung des öffentlichen Angebots einer Vermögensanlage, jede Tatsache, die sich auf ihn oder die von ihm emittierte Vermögensanlage unmittelbar bezieht und nicht öffentlich bekannt ist, unverzüglich der BaFin und den Medien mitzuteilen, wenn sie geeignet ist, die Fähigkeit des Emittenten zur Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber dem Anleger erheblich zu beeinträchtigen, ist bereits 2015 durch das Kleinanlegerschutzgesetz in das Vermögensanlagegesetz aufgenommen worden. Nun ergänzt der Gesetzgeber Regelbeispiele, um welche Tatsachen es sich handelt. Hierzu zählen insbesondere:

a) drohende Zahlungsunfähigkeit des Emittenten,
b) Zahlungsverzug des Emittenten gegenüber Anlegern von Vermögensanlagen,
c) Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen von Gesellschaften, gegenüber denen der Emittent erhebliche Zahlungsforderungen hat oder deren Insolvenz zu einer Zahlungsunfähigkeit des Emittenten führen kann,
d) Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Konzernmitglieds des Emittenten, sofern dies zu einem Zahlungsverzug des Emittenten gegenüber den Anlegern oder einer Zahlungsunfähigkeit des Emittenten führen kann,
e) Ausfall von wesentlichen Vertragspartnern des Emittenten.

Diese Regelbeispiele sind nicht überraschend. Daneben nennt der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung noch weitere Beispiele: die Mittelverwendungskontrolle ergibt eine nicht planmäßige Verwendung der Anlegergelder, wenn dies die Fähigkeit des Emittenten zur Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber den Anlegern erheblich beeinträchtigen kann. Soweit die Abweichung der planmäßigen Verwendung nur unwesentlich ist, handelt es sich nicht um eine zu veröffentlichende Tatsache.

Veröffentlichung von WIB, VIB und Verkaufsprospekten
Die Anpassungen am WpPG halten sich in Grenzen. Die BaFin veröffentlicht zukünftig auf ihrer Website auch die gestatteten Wertpapier-Informationsblätter, gebilligten Verkaufsprospekte für Vermögensanlagen sowie die gestatteten Vermögensanlagen-Informationsblätter. Diese bleiben dort 10 Jahre lang öffentlich zugänglich. Auch die Aktualisierungen und Nachträge sollen dort veröffentlicht werden. Diese neue Regelung wird flankiert durch die Verordnung (EU) 2017/1129, die ebenfalls eine Veröffentlichung von Wertpapierprospekten durch die BaFin regelt. So soll eine bessere Zugänglichkeit von Anlegern zu den relevanten Prospekten und Informationsblättern hergestellt werden. 

Inkrafttreten

Das Gesetz tritt mit einigen Ausnahmen am 16. August 2021 (einen Monat nach seiner Verkündung) in Kraft. Nur die Vorschriften im Zusammenhang mit der Übermittlung an die BaFin und der Veröffentlichung von Verkaufsprospekten und Informationsblättern (nach WpPG und VermAnlG) durch die BaFin tritt erst am 1 Januar 2022 in Kraft.

Insights

Mehr
featured image

2025-Update zur Regulierung von Finanzierungsleasing

6 minutes Mrz 13 2025

Mehr lesen
featured image

Europäische Kommission lehnt DORA-RTS zur Unterauftragsvergabe ab

2 minutes Feb 05 2025

Mehr lesen

DORA nunmehr anwendbar - Wie gut sind der europäische Finanzsektor und seine IT-Dienstleister vorbereitet?

Jan 28 2025

Mehr lesen