BGH: Befristete Patronatserklärung – Haftung des Patron nach Fristablauf

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Dr. Peter Veranneman

Partner
Deutschland

Nach mehr als 25 Jahren anwaltlicher Tätigkeit im Bereich Gesellschaftsrecht schätzen mich meine Mandanten als erfahrenen Transaktionsanwalt, der ihnen den Weg durch die Untiefen einer Transaktion weist, ohne sie mit jeglichen juristischen Details zu behelligen. Meine langjährige und vielfältige Anwaltserfahrung half mir auch in meinen Funktionen als Leiter unserer International Corporate Group in der Zeit von 2014 bis 2021 sowie als Managing Partner Deutschland von 2022 bis 2024.

InsO § 144 I; BGB § 242; ZPO § 544 IV 2

  1. Übernimmt eine Muttergesellschaft gegenüber einem Gläubiger ihrer Tochtergesellschaft eine harte Patronatserklärung, ist sie dem Gläubiger zur Schadensersatzleistung verpflichtet, wenn ihn die Tochtergesellschaft befriedigt, er diese Zahlung jedoch im Wege der Insolvenzanfechtung erstatten muss.
  2. Erweist sich die Befriedigung des aus einer harten Patronatserklärung gesicherten Gläubigers als anfechtbar, kann der Gläubiger die ihm aus der Patronatserklärung zustehenden Rechte direkt gegenüber dem Patron geltend machen.

BGH, Urteil vom 12.1.2017 − IX ZR 95/16 (OLG Dresden)

Sachverhalt

Der Kläger (Kl.) belieferte eine Tochtergesellschaft des Beklagten (Bekl.). Angesichts von Zahlungsrückständen der Tochtergesellschaft (S) verpflichtete sich der Bekl. gegenüber dem Kl., "der S die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, dass sie ihrerseits den vertraglichen Verpflichtungen gemäß mit ihrem Haus vereinbarten Zahlungsplan" nachkommen kann. Die Patronatserklärung war bis zum 15.8.2007 befristet. Der Kl. belieferte S noch bis zum 18.9.2007.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der S und nach Anfechtung der von S geleisteten Zahlungen musste der Kl. Zahlungen in Höhe von €2M an den Insolvenzverwalter zurückerstatten. 

Der Kl. verlangte von dem Bekl. Schadensersatz wegen Verletzung der Patronatserklärung. Der Bekl. berief sich auf die bereits abgelaufene Patronatsfrist. Das Berufungsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Entscheidung

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Bekl. hatte keinen Erfolg. Wegen der rechtsgeschäftlichen Einstandspflicht des Patrons (BGH, NZG 2011, 915) habe der Kl. einen Direktanspruch gegen den Bekl. Die Befristung der Patronatserklärung helfe dem Bekl. im konkreten Fall nicht. So entfalle durch die Befristung nur die Haftung des Bekl. für Verbindlichkeiten der S, die nach Fristablauf begründet wurden. Demgegenüber seien die von S während des Geltungszeitraums der Patro-natserklärung begründeten Verbindlichkeiten trotz Fristablaufs anfechtungsfrei zu erfüllen. Die Pflicht des Kl., S ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre vertraglichen Verpflichtungen entsprechend dem Zahlungsplan erfüllen kann, ende nämlich nicht mit Fristablauf.

Praxisfolgen: Erhöhte Risiken durch befristete harte Patronatserklärungen

Anders als bei der Bürgschaft und der Garantie kann der Patron auch bei einer harten Patronatserklärung frei entscheiden, auf welche Art und Weise er seiner Pflicht als Patron nachkommt. Im Konzern ist sie u.a. auch deshalb das Mittel der Wahl, um Töchter von der Kreditwürdigkeit der Mutter profitieren zu lassen bzw. um die Überschuldung einer Tochter vorübergehend (bis zum Abschluss der Prüfung der Sanierungsfähigkeit) abzuwenden.

Die vorliegende Entscheidung führt die mit Abgabe einer harten Patronatserklärung verbundenen Risiken einmal mehr deutlich vor Augen:

Ist die harte Patronatserklärung bürgschafts- bzw. garantieähnlich formuliert, läuft der Patron selbst bei einer Befristung des Patronats Gefahr,

  • nicht nur für dasjenige Insolvenzrisiko des Schuldners zu haften, wie es während des Geltungszeitraums der Patronatserklärung bestand;
  • sondern auch für eine während des Geltungszeitraums der Patronatserklärung nicht vorhersehbare und erst nach Fristablauf eintretende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners zu haften, wenn infolge der Verschlechterung entweder die während des Patronats gegenüber dem Adressaten begründeten Verbindlichkeiten nicht bedient werden können oder die auf derartige Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen einer Insolvenzanfechtung (§ 129 InsO) unterliegen und von dem Adressaten zurückerstattet werden müssen.

Der Patron sollte daher 

  • bei der Formulierung einer harten Patronatserklärung darauf achten, dass er sich nur dazu verpflichtet, den Schuldner finanziell so auszustatten, dass dieser alle Forderungen (ggfls. des Adressaten der Patronatserklärung) bedienen kann, die während des Geltungszeitraums des Patronats fällig werden;
  • statt dem Schuldner Mittel zuzuführen - Forderungen des Adressaten der Patronatserklärung gegen den Schuldner direkt begleichen, es sei denn, andere Gläubiger werden durch die Direktzahlung benachteiligt (Risiko der Insolvenzanfechtung).

Beim Verkauf einer Konzerntochtergesellschaft sind die Parteien im Übrigen gut beraten, sämtliche in der Vergangenheit im Konzernverbund (zugunsten oder zulasten der Konzerntochtergesellschaft) abgegebenen Patronatserklärungen gewissenhaft auf ihr Risikopotenzial hin zu überprüfen. So kann deren Risikopotenzial - selbst nach Kündigung oder Fristablauf - kaufpreisrelevant bzw. freistellungswürdig sein.

Dr. Peter Veranneman & Daniel Klare, Bird & Bird LLP

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