Sachverhalt
Im vorliegenden Fall stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.
Die Klägerin war seit 1993 bei der Beklagten, die einen Versicherungskonzern betreibt, als Sachbearbeiterin im Bereich Rechnungswesen beschäftigt. Zwischen der Klägerin und Arbeitskollegen kam es mehrfach zu, teils tätlichen, Auseinandersetzungen. Daraufhin forderte der Betriebsrat die Beklagte (Arbeitgeberin) auf, die Klägerin zu entlassen, hilfsweise zu versetzen. Dem Verlangen des Betriebsrats kam die Beklagte nicht nach, sodass dieser ein entsprechendes Beschlussverfahren beim zuständigen Arbeitsgericht einleitete. Mit rechtskräftig gewordenem Beschluss vom 21. August 2015 gab das Arbeitsgericht der Beklagten sodann auf, die Klägerin tatsächlich zu entlassen. Die (jetzige) Klägerin war dabei ordnungsgemäß an diesem Beschlussverfahren beteiligt und angehört worden.
Um dem Beschluss des Arbeitsgerichtes zu entsprechen und ein Zwangsgeld für jeden Tag der Zuwiderhandlung zu vermeiden, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich.
Gegen diese Kündigung hat die Klägerin Kündigungsschutzklage eingereicht. Sie war der Ansicht, der Betriebsrat sei hinsichtlich der Kündigung nicht ordnungsgemäß nach § 102 I BetrVG angehört worden, es fehle außerdem an einem wichtigen Kündigungsgrund i.S.d. § 626 I BGB und die Frist zur Kündigungserklärung (§ 626 II BGB) sei nicht eingehalten worden. Die ordentliche Kündigung sei jedenfalls sozial ungerechtfertigt i.S.d. § 1 II S. 1 KSchG.
Rechtliche Einordnung
Das BAG beschäftigte sich in seiner jetzigen Entscheidung, welche sich lediglich noch mit der Kündigung infolge des rechtskräftig gewordenen Entlassungsbeschlusses des Arbeitsgerichtes beschäftigte, hauptsächlich mit der Frage, ob die rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichtes im Beschlussverfahren nach § 104 S. 2 BetrVG einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 I BGB darstellt und somit eine fristlose (außerordentliche) Kündigung rechtfertigt, oder ob mit der Entscheidung, mit der das Arbeitsgericht dem Arbeitgeber die „Entlassung“ der Klägerin aufgab, lediglich eine fristgerechte, ordentliche Kündigung ausgesprochen werden durfte. Eine inhaltliche Prüfung des Verhaltens der Klägerin durfte in Folge des rechtskräftigen Beschlusses des Arbeitsgerichtes zur vorzunehmenden Entlassung der Klägerin nicht mehr erfolgen. Dennoch soll hier kurz auf die Voraussetzungen des § 104 BetrVG eingegangen werden, der den Betriebsrat letztlich dazu berechtigen kann, die Entlassung eines Arbeitnehmers durchzusetzen:
Voraussetzung für ein Entlassungsverlangen des Betriebsrates nach § 104 S. 1 BetrVG ist es zunächst, dass sich der betroffene Arbeitnehmer gesetzeswidrig verhalten hat oder eine grobe Verletzung der in § 75 I BetrVG genannten Grundsätze begangen hat. Unter diese Verstöße fallen beispielsweise diskriminierende Betätigungen wegen Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischer oder gewerkschaftlicher Betätigung oder wegen des Geschlechtes. Durch diese Verstöße muss außerdem der Betriebsfrieden wiederholt ernstlich gestört sein, sodass die Zusammenarbeit unter den Arbeitnehmern erheblich erschüttert ist. Zur Durchsetzung des Entlassungsgesuchs kommt es außerdem nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer Kündigungsschutz nach § 1 KSchG genießt oder ob er ordentlich unkündbar ist. § 104 BetrVG gewährt dem Betriebsrat vielmehr einen eigenständigen, betriebsverfassungsrechtlichen Anspruch auf Versetzung oder Entlassung des betriebsstörenden Arbeitnehmers.
Das BAG stellte in seinem Urteil klar, dass hiermit eine Beendigung unter Beachtung der Kündigungsfristen, d.h. eine ordentliche Kündigung gemeint ist.
Demnach hat der Betriebsrat nicht das Recht, eine fristlose Kündigung des betroffenen Arbeitnehmers zu fordern. Folglich wurde das Arbeitsverhältnis im vorliegenden Fall mit der hilfsweise erklärten, ordentlichen Kündigung wirksam beendet und damit dem Entlassungsbegehren des Betriebsrates entsprochen, während die außerordentliche Kündigung nicht wirksam war.
Durch die rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichtes im vorangegangenen Beschlussverfahren nach § 104 BetrVG war der Arbeitgeber betriebsverfassungsrechtlich und zur Vermeidung eines Zwangsgeldes für jeden Tag der Zuwiderhandlung (§ 104 S. 2, 3 BetrVG) verpflichtet, die Klägerin zu entlassen. Diese Verpflichtung begründet sodann auch ein dringendes betriebliches Erfordernis i.S.d. § 1 II S. 1 KSchG.
Eine Sozialauswahl ist im Falle einer Kündigung in Folge einer Entlassungsverpflichtung nach entsprechend rechtskräftigem Beschluss nicht erforderlich. Es gibt schlicht keine vergleichbaren Arbeitnehmer, da kein anderer alternativ von demselben Entlassungsbegehren betroffen ist, und somit auch keine in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer vorhanden wären.
Die Kündigung war auch nicht nach § 102 I S. 3 BetrVG aufgrund nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrates unwirksam, da die Einleitung des Beschlussverfahrens und das damit zum Ausdruck gebrachte Entlassungsbegehren des Betriebsrats bereits die Zustimmung zur (lediglich noch umzusetzenden) Kündigung enthält. Eine weitere, gesonderte Beteiligung ist in diesem Fall nicht erforderlich.
Zusammenfassung
Für das arbeitgeberseitige Vorgehen nach einem Beschlussverfahren im Sinne des § 104 BetrVG lassen sich daher folgende, vom Bundesarbeitsgericht festgehaltene (BAG, Urteil vom 28.03.2017 - 2 AZR 551/16), Punkte zusammenfassen: