UmwG §§ 1 Abs. 2, 122a, 190, 192 Abs. 2 S.2; AEUV Art. 49, 54; EGV Art. 43, 48; GNotKG, § 22 Abs. 1, 25 Abs. 1; SE-VO Art. 8; EWIV-VO Art. 13
OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3.1.2017 – 20 W 88/15
Die Beschwerdeführerin ist eine deutsche GmbH, deren Gesellschafter vor einem deutschen Notar u.a. beschlossen hatten, durch Satzungsänderung den Sitz der Gesellschaft nach Rom (Italien) zu verlegen und als italienische Rechtsform die „società a responsability limitata“ zu wählen.
Eine Handelsregisteranmeldung gleichen Inhalts wurde vom deutschen Handelsregister mit der Begründung zurückgewiesen, der Satzungssitz einer GmbH müsse im Inland liegen und eine rechtsformwahrende grenzüberschreitende Sitzverlegung sei nicht zulässig. Darüber hinaus seien auch die sonstigen Voraussetzungen des UmwG, z.B. ein Umwandlungsbericht, nicht erfüllt. Die Beschwerde gegen die Zurückweisung wurde dem OLG Frankfurt zur Entscheidung vorgelegt.
Die in Italien zuständige Handelskammer trug die neue Gesellschaft mit beschränkter Haftung italienischen Rechts als formgewechselt aus einer ausländischen Rechtsform ins dortige Register ein.
Die Beschwerde führte zur Aufhebung des Beschlusses des Registergerichts. Das OLG legte zunächst den Gesellschafterbeschluss nebst Handelsregisteranmeldung dahingehend aus, dass nicht lediglich eine rechtsformwahrende Sitzverlegung, sondern zugleich ein Formwechsel in die Rechtsform der italienischen s.r.l. beschlossen und angemeldet wurde.
Darüber hinaus seien die Regelungen des UmwG unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass ein identitätswahrender Herausformwechsel aus Deutschland möglich sei. So habe der EuGH bereits in seinem Urteil zu SEVIC (Urteil vom 13.12.2005, C-411/03) dargelegt, dass grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge von der Niederlassungsfreiheit des (damals) Art. 43 EGV gedeckt seien. Ferner setzten die Ausführungen des EuGH zu grenzüberschreitenden Umwandlungen aus Sicht des Zuzugsstaates in Sachen VALE (Urteil vom 12.7.2012, C-378/10) denknotwendig voraus, dass auch der Wegzug aus dem Gründungsstaat zwecks grenzüberschreitender Umwandlung der Niederlassungsfreiheit unterliege. Dabei dürften die Modalitäten für grenzüberschreitende Sachverhalte nicht ungünstiger sein als für nationale Sachverhalte (Äquivalenzgrundsatz) und die nationale Rechtsordnung dürfe die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen (Effektivitätsgrundsatz).
Nach alledem sei mit dem EuGH auf den vorliegenden Sachverhalt sukzessive deutsches und italienisches Recht anzuwenden, in Deutschland konkret die Vorschriften des UmwG zu nationalen Formwechseln und zur grenzüberschreitenden Verschmelzung sowie der SE-VO und der EWIV-VO. Vorliegend habe daher die Eintragung im italienischen Register die Heilungswirkung des § 202 UmwG herbeigeführt.
Die Praxis ist gut beraten, das dem OLG-Beschluss zur Entscheidung vorliegende Vorgehen nicht als Blaupause zu verwenden, sondern alternative Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen.
Alternativ bietet sich die Neugründung einer Gesellschaft der gewünschten Rechtsform im Ausland mit anschließender grenzüberschreitender Verschmelzung der GmbH auf diese an. Zwar führt dieser Weg anders als ein grenzüberschreitender Formwechsel nicht zu einer identitätswahrenden Umwandlung der GmbH, jedoch sind die rechtlichen Folgen einer Gesamtrechtsnachfolge mit wenigen Ausnahmen (wie z.B. Übertragung einiger öffentlich-rechtlicher Genehmigungen) einer solchen sehr ähnlich.
Dr. Stefanie Orttmann, LL.M., Bird & Bird LLP