§ 121 II 2 AktG ist auf die Einberufungsbefugnis des Geschäftsführers einer GmbH nicht entsprechend anwendbar.
AktG §§ 121 II 2, 241 Nr. 1; GmbHG §§ 49 I, 50 III; ZPO § 559 I 1
BGH, Urteil vom 8.11.2016 – II ZR 304/15 (OLG Köln), NJW 2017, 1471
Sachverhalt
Der Kläger (KL) ist Minderheitsgesellschafter (49%) der Beklagten (BL), eines Familienunternehmens in der Rechtsform einer GmbH. In der vom KL einberufenen Gesellschafterversammlung vom 7.3.2014 wurde u.a. wirksam die Abberufung des Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführers (51%) (D), die fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrags sowie die Bestellung des KL zum Geschäftsführer beschlossen und von dem KL als Versammlungsleiter festgestellt. Die gegen den Abberufungsbeschluss gerichtete Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage des D hatte keinen Erfolg. Dem KL gelang es allerdings nicht, die gefassten Beschlüsse im Handelsregister eintragen zu lassen.
D hat sodann, handelnd als nach wie vor im Handelsregister eingetragener Geschäftsführer der BL, zu einer Gesellschafterversammlung am 20.6.2014 eingeladen, auf der gegen die Stimmen des KL dessen Abberufung als zwischenzeitlich bestellter Geschäftsführer und die erneute Bestellung des D zum Geschäftsführer beschlossen wurde. Gegen die am 20.6.2014 gefassten Beschlüsse wendet sich der KL mit einer Anfechtungsklage, die in allen Instanzen Erfolg hatte.
Entscheidung
Auch der BGH entschied, dass die Gesellschafterbe-schlüsse vom 20.6.2014 wegen eines Einberufungs-mangels analog § 241 Nr. 1 AktG nichtig sind. D war zur Einberufung der Gesellschafterversammlung weder gem. § 49 I GmbHG noch gem. § 50 III GmbHG befugt, weil er mit Gesellschafterbeschluss vom 7.3.2014 wirksam vorläufig als Geschäftsführer abbe-rufen wurde und das Verfahren nach § 50 GmbHG nicht eingehalten hat.
Auf eine mögliche vorläufige Verbindlichkeit des Abberufungsbeschlusses kommt es im Revisionsverfahren nicht (mehr) an, da die Abberufung zumindest seit der Rechtskraft der Beschlussmängelklage wirksam ist.
Die Einberufungsbefugnis einer vorläufig wirksam abberufenen, aber im Handelsregister noch als Geschäftsführer eingetragenen Person ergibt sich nicht aus einer Analogie zu § 121 II 2 AktG, wonach Personen, die im Handelsregister als Vorstand eingetragen sind, zur Einberufung der Hauptversammlung befugt sind. Verweist der für die GmbH analog anzuwendende § 241 Nr. 1 AktG auch allgemein auf § 121 II AktG, so fehlt es für eine Analogie an einer vergleichbaren Interessenlage und auch die unterschiedlichen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse der Aktiengesellschaft (AG) rechtfertigen nicht die analoge Anwendung des § 121 II 2 AktG auf die GmbH. Die Gesellschafter der typischen GmbH stehen den Geschäftsführern – anders als die Aktionäre dem Vorstand einer AG – nicht wie außenstehende Dritte gegenüber. In einer AG sind die Aktionäre in die Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern i.d.R. nicht eingebunden. Aus diesem Grund besteht ein Interesse der Aktionäre daran, aufgrund der Eintragung im Handelsregister die Berechtigung zur Einberufung zu überprüfen und so jedenfalls insoweit Rechtssicherheit erlangen zu können, als die Einberufung jedenfalls dann wirksam ist, wenn eingetragene Vorstandsmitglieder daran mitgewirkt haben. Zudem wird der Vorstand der AG vom Aufsichtsrat ohne unmittelbare Mitwirkung der Aktionäre bestellt und abberufen (§ 84 AktG), während die Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers einer GmbH grundsätzlich durch die Gesellschafter selbst erfolgt (§ 46 Nr. 5 GmbHG).
Praxisfolgen
Schon in einer jüngeren Entscheidung vom 25.10.2016 – II ZR 231/15 (OLG Düsseldorf) hat sich der BGH gegen die analoge Anwendung des § 121 II 2 AktG auf eine zu Unrecht im Handelsregister eingetragene persönlich haftende Gesellschafterin entschieden. Die vorliegende Entscheidung bestätigt den Kurs des BGH, dass auch auf den abberufenen, aber noch im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer § 121 II 2 AktG keine analoge Anwendung findet. Dennoch bleiben viele Fragen offen.
Folgt man der Ansicht des BGH, kommt dem Handelsregister in Bezug auf die Einberufungsbefugnis des Geschäftsführers keine Rechtsscheinwirkung zu. Der fehlerhaft bestellte, aber eingetragene Geschäftsführer ist demnach genauso wenig wie der bereits abberufene, aber noch eingetragene Geschäftsführer zur Einberufung der Gesellschafterversammlung befugt. Das führt (wohl) im Ergebnis dazu, dass die Folgen einer Eintragung des Geschäftsführers im Handelsregister nur gegenüber Dritten, nicht aber auch gegenüber den Gesellschaftern gelten. Nicht geklärt ist auch die Frage, ob und inwieweit dem in der Gesellschafterversammlung gefassten und festgestellten Abberufungsbeschluss zumindest eine vorläufige Verbindlichkeit zukommt. Der BGH hatte vorliegend nicht darüber zu entscheiden, da zwischenzeitlich Rechtskraft der die Abberufung bestätigenden Entscheidung eingetreten ist. Auch hier wäre über eine mögliche Analogie zu § 84 III 4 AktG nachzudenken.
Herrscht Unsicherheit über die Wirksamkeit der Abberufung und ist unklar wer Geschäftsführer ist, besteht gem. § 50 III GmbHG immer noch die Möglichkeit, soweit man als Gesellschafter 10% des Stammkapitals hält und das in § 50 GmbHG vorgesehene Verfahren einhält, die Einberufung selbst vorzunehmen.