Die nachträgliche Heilung einer ohne Beteiligung des Betriebsrates durchgeführten Einstellung oder Versetzung setzt die vorherige Aufhebung der ursprünglichen Maßnahme voraus

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Daniela Gudat

Counsel
Deutschland

Als Fachanwältin für Arbeitsrecht, Counsel im Frankfurter Büro sowie Mitglied der deutschen Praxisgruppe Arbeitsrecht und der internationalen HR Services Practice Group berate ich in- und ausländische Mandanten in allen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.

Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat streiten über die Aufhebung einer Einstellung. Die Arbeitgeberin nahm eine Einstellung vor. Da sie unzutreffender Weise vom Status des Arbeitnehmers als leitender Angestellter ausging, unterrichtete sie den Betriebsrat zuvor lediglich nach § 105 BetrVG über die Einstellung, holte jedoch nicht dessen Zustimmung nach § 99 Absatz 1 BetrVG ein. Nachdem der Betriebsrat ein Verfahren nach § 101 BetrVG auf Aufhebung der Einstellung des Arbeitnehmers eingeleitet hatte, unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat vorsorglich nach § 99 Absatz 1 BetrVG, hob die Einstellung in tatsächlicher Hinsicht jedoch nicht auf. Der Betriebsrat erteilte seine Zustimmung zu dieser nachträglichen Unterrichtung ausdrücklich nicht. Das Arbeitsgericht gab dem Betriebsrat Recht, das LAG der Arbeitgeberin.

BAG, Beschluss vom 21.11.2018 – 7 ABR 16/17 (LAG Düsseldorf 20.12.2016 –14TABV5716 14 TaBV 57/16)

Entscheidung

Das BAG wiederum gab der Beschwerde des Betriebsrates statt. Die Arbeitgeberin ist nach § 101 Satz 1 BetrVG verpflichtet die Einstellung aufzuheben. Nach § 99 Absatz 1 Satz 1 BetrVG habe der Arbeitgeber den Betriebsrat „vor“ der Einstellung zu unterrichten und die Zustimmung zur „geplanten“ Einstellung einzuholen. Nach dem Zweck des Mitbestimmungsrechts sei es grundsätzlich erforderlich, dass die Beteiligung des Betriebsrats zu einer Zeit erfolge, zu der noch keine abschließende und endgültige Entscheidung getroffen wurde oder eine solche noch ohne Schwierigkeiten revidiert werden kann. Eine erst nach Aufnahme der tatsächlichen Beschäftigung im Betrieb erfolgte Unterrichtung des Betriebsrats sei daher nicht ordnungsgemäß i. S. v. § 99 Absatz 1 BetrVG. Das verspätete Zustimmungsersuchen an den Betriebsrat sei auch nicht deshalb ausnahmsweise ordnungsgemäß, weil die Arbeitgeberin damit einen etwaigen betriebsverfassungswidrigen Zustand für die Zukunft habe beseitigen wollen. Der Arbeitgeber könne zwar einen neuen Besetzungsvorgang starten oder auch den Betriebsrat ggfs. mehrmals hintereinander um Zustimmung zur Einstellung oder Versetzung desselben Arbeitnehmers auf denselben (neuen) Arbeitsplatz ersuchen. Diese Möglichkeiten setzten allerdings voraus, dass der Arbeitgeber einen neuen Besetzungsvorgang einleite. Eine Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats verliere ihre Wirkung nicht dadurch, dass der Arbeitgeber vorsorglich nochmals einen Antrag auf Zustimmung zu der Maßnahme stelle. Anders sei es nur dann, wenn der Arbeitgeber von seiner ursprünglichen Maßnahme Abstand genommen und eine eigenständige, neue personelle Einzelmaßnahme eingeleitet habe. Daran fehlte es vorliegend jedoch.

Praxishinweis

Es ist darauf zu achten, den Betriebsrat vor Durchführung einer Einstellung oder Versetzung ordnungsgemäß zu beteiligen. Im Übrigen kann der Betriebsrat die Aufhebung der Einstellung oder Versetzung verlangen. Sollte der Betriebsrat aufgrund seiner nicht ordnungsgemäßen Beteiligung die Aufhebung der Einstellung oder Versetzung verlangen, ist Arbeitgebern dazu zu raten, von dieser ursprünglichen Maßnahme Abstand zu nehmen und ein komplett neues Beteiligungsverfahren einzuleiten. 

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