Ein Mitarbeiter kann dann erneut sachgrundlos befristet werden, wenn eine Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber „sehr lange“ zurückliegt. Das BAG entschied, dass 22 Jahre „sehr lange“ sind. Nach einem solchen Zeitraum könne erneut ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen werden.
BAG, Urteil vom 21. August 2019 – 7 AZR 452/17
Sachverhalt
Die Klägerin wurde im Jahr 2014 als Telefonserviceberaterin bei der Beklagten eingestellt. Das Arbeitsverhältnis war zunächst für knapp 9 Monate sachgrundlos befristet und dann um ein weiteres Jahr bis zum 30. Juni 2016 verlängert. Zuvor war die Mitarbeiterin bei der Beklagten bereits in den Jahren 1991 und 1992 als Hilfsbearbeiterin für Kindergeld beschäftigt. Sie begehrte in ihrer Klage die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht mit Ablauf des 30. Juni 2016 geendet hat. Erstinstanzlich wurde die Klage abgewiesen, das LAG Schleswig-Holstein gab der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten vor dem BAG hatte Erfolg.
Entscheidung
Das BAG entschied, dass die sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses in diesem Fall wirksam sei. Grundsätzlich regelt § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG, dass eine Befristung ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nicht zulässig ist, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2018 (BVerfG, 06. Juni 2018 - 1 BvL 7/14, 1 BvR 11375/14-) könne allerdings wirksam ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag trotz Vorbeschäftigung abgeschlossen werden, wenn das gesetzliche Verbot „unzumutbar“ sei. Eine Unzumutbarkeit könne z.B. vorliegen, wenn eine Vorbeschäftigung „sehr lange“ zurückliege. In der vorliegenden Entscheidung lag die Vorbeschäftigung mehr als 22 Jahre zurück. Besondere Umstände, welche dennoch die Anwendung des in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG bestimmten Verbots gebieten könnten, lagen ausweislich der Pressemitteilung des BAG nicht vor.
Fazit
Die ergangene Entscheidung bringt einmal mehr Feuer in die Befristungsdebatte im deutschen Arbeitsrecht.
Bereits in der Vergangenheit gab es mehrere Entscheidungen des BAG zu dieser Thematik:
Im Jahr 2011 entschied das BAG (BAG, 06.04.2011 – 7 AZR 716/09), dass sachgrundlose Befristungen möglich sein sollen, wenn eine Vorbeschäftigung mindestens 3 Jahre zurückliegt.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im letzten Jahr wendete das BAG sich von dieser Rechtsprechung ab und urteilte zu Beginn diesen Jahres (BAG, 23.01.2019 – 7 AZR 733/16), dass ein Zeitraum von 8 Jahren nicht lange genug sei, um erneut einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag abschließen zu können.
Die Definition des BAG von „sehr lange“ scheint damit irgendwo zwischen 8 und 22 Jahren zu liegen. Es bleibt nun abzuwarten, ob das BAG der Praxis für die Zukunft handhabbare Kriterien an die Hand gibt, die eine verlässliche Prüfung einer Befristungsabrede ermöglichen. Aus der Pressemitteilung ergibt sich aktuell nur der Hinweis, dass ein Zeitraum von 22 Jahren zwischen zwei Arbeitsverhältnissen ausreicht.
Auch in Zukunft sollte das Thema Befristung sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Politik genau im Auge behalten werden. Denn der Koalitionsvertrag verspricht einige Änderungen zu diesem Thema. Aktuell liegt allerdings noch kein Gesetzesentwurf vor.