COVID 19: Die rechtlichen Auswirkungen auf das Insolvenzrecht

Geschrieben von

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Dr. Dirk Barcaba

Partner
Deutschland

Als Partner unserer internationalen Praxisgruppen Immobilienrecht sowie Restrukturierung und Insolvenzrecht in Frankfurt am Main, verfüge ich über mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Beratung von internationalen Investoren, multinationalen Konzernen, Banken und Family Offices.

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Elie Kaufman, LL.M.

Senior Counsel
Deutschland

Als Counsel in unserem Büro in Frankfurt am Main und Mitglied unserer Praxisgruppen Immobilienrecht sowie Restrukturierung und Insolvenzrecht berate ich internationale und nationale Mandanten in unterschiedlichsten immobilienrechtlichen Angelegenheiten bezüglich des gesamten Lebenszyklus von Immobilien sowie in insolvenzrechtlichen Angelegenheiten und dabei insbesondere für Mandanten, die mit der Insolvenz eines Geschäftspartners konfrontiert werden.

Vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Rechts des Gläubigers, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen

Am 25. März 2020 hat der Deutsche Bundestag ein Gesetz „zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (COVID-19 Insolvenzgesetz) beschlossen, das darauf abzielt, Unternehmen zu schützen, die infolge der COVID-19-Pandemie in finanzielle Schwierigkeiten geraten. 

Das COVID-19 Gesetz sieht eine vorübergehende Aussetzung sowohl der gesetzlichen Insolvenzantragstellungspflicht des Schuldners als auch des Antragsrechts des Gläubigers aus Insolvenzgründen, die nach dem 1. März 2020 eingetreten sind, vor. Das COVID-19 Insolvenzgesetz wurde am 27. März 2020 vom Bundesrat bestätigt und ist mit der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft getreten.

Hintergrund - gesetzliche Insolvenzantragspflicht und das Antragsrecht der Gläubiger

Unternehmen, die zahlungsunfähig oder überschuldet werden, sind verpflichtet, unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen, § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO (Anmeldepflicht). Die Anmeldepflicht ist eine persönliche Pflicht aller gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft, typischerweise des Geschäftsführers und/oder der Mitglieder der Geschäftsführung. Bei einem Verstoß gegen die Anmeldepflicht drohen persönliche Haftung und strafrechtliche Sanktionen.

Gläubiger einer Gesellschaft, die in Zahlungsverzug geraten ist, können die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen, sofern sie ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben und ihre Forderung sowie den Eröffnungsgrund glaubhaft machen können, § 14 InsO.
 

Aussetzung der Verpflichtung des Schuldners und des Rechts der Gläubiger, einen Insolvenzantrag zu stellen 

Das COVID-19 Insolvenzgesetz sieht eine vorübergehende Aussetzung der Anmeldepflicht bis zum 30. September 2020 vor. Diese Frist kann vom Bundesjustizministerium durch Rechtsverordnung bis zum 31. März 2021 verschoben werden. 

Für die Aussetzung der Anmeldepflicht müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:
 
  • Der Grund für die Insolvenz muss auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhen (und nicht auf anderen Gründen).

  • Es bestehen Aussichten auf eine Umstrukturierung des Unternehmens aufgrund anhängiger Verfahren zur Gewährung öffentlicher Beihilfen für das Unternehmen und/oder anhängiger Verhandlungen mit (potenziellen) Gläubigern des Unternehmens über eine zusätzliche Finanzierung oder eine Neuordnung der Schulden.
     

Das COVID-19 Insolvenzgesetz sieht eine gesetzliche Vermutung vor, dass diese Bedingungen erfüllt sind, wenn das Unternehmen am 31. Dezember 2019 nicht illiquide war. Als logische Konsequenz wird die Haftung der Rechtsvertreter des Unternehmens für Zahlungen trotz Illiquidität oder Überschuldung des Unternehmens (gesellschaftsrechtliche Haftung und strafrechtliche Haftung) in diesem Umfang aufgehoben. Das Recht der Gläubiger, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen, wird für die nächsten drei Monate (28. März 2020 bis 28. Juni 2020) für Anträge aufgehoben, die sich auf Umstände stützen, die nach dem 1. März 2020 eingetreten sind. Auch hier kann das Bundesjustizministerium diese Frist bis zum 31. März 2021 verlängern.

Auszug aus dem Text des COVID-19 Insolvenzgesetzes

§ 1 –  Aussetzung der Insolvenzantragspflicht:

„Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a der Insolvenzordnung und nach § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Dies gilt nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. War der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

Ist der Schuldner eine natürliche Person, so ist § 290 Absatz 1 Nummer 4 der Insolvenzordnung mit der Maßgabe anzuwenden, dass auf die Verzögerung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Zeitraum zwischen dem 1. März 2020 und dem 30. September 2020 keine Versagung der Restschuldbefreiung gestützt werden kann. Die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend.”

§ 3 –  Eröffnungsgrund bei Gläubigeranträgen

„Bei zwischen dem 28. März 2020 und dem 28. Juni 2020 gestellten Gläubigerinsolvenzanträgen setzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus, dass der Eröffnungsgrund bereits am 1. März 2020 vorlag.“

§ 4 –  Verordnungsermächtigung

„Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 und die Regelung zum Eröffnungsgrund bei Gläubigerinsolvenzanträgen nach § 3 bis höchstens zum 31. März 2021 zu verlängern, wenn dies aufgrund fortbestehender Nachfrage nach verfügbaren öffentlichen Mitteln, andauernder Finanzierungsschwierigkeiten oder sonstiger Umstände geboten erscheint.“ 
 

Weitere Informationen

Das Ministerium (Frau Lambrecht) nahm dazu Stellung:

„Wir wollen verhindern, dass Unternehmen nur deshalb Insolvenz anmelden müssen, weil die von der Bundesregierung beschlossenen Hilfen nicht rechtzeitig bei ihnen ankommen. Die reguläre Drei-Wochen-Frist der Insolvenzordnung ist für diese Fälle zu kurz bemessen. [….] Mit diesem Schritt tragen wir dazu bei, die Folgen des Ausbruchs für die Realwirtschaft abzufedern.”

Ob die Bedingungen für die Aussetzung der Anmeldepflicht erfüllt sind, muss vom Vorstand des Unternehmens beurteilt werden. Die Kausalität der COVID-19-Pandemie für die Finanzkrise des Unternehmens kann überprüft werden, indem nachgewiesen wird, dass das Unternehmen am 31. Dezember 2019 liquide war, z.B. durch Jahresabschlüsse zum 31. Dezember 2019 mit uneingeschränktem Bestätigungsvermerk. Offensichtlich entbindet die Aussetzung der Anmeldepflicht das Unternehmen nicht von seinen (vertraglichen) Verpflichtungen gegenüber Geschäftspartnern, Mitarbeitern usw. 

Das COVID-19 Insolvenzgesetz behandelt diese Frage gesondert für einige Vertragstypen (Verbraucherverträge wie z.B. Verträge über die Versorgung mit Versorgungsunternehmen, Darlehensverträge, Versicherungsverträge und gewerbliche Mietverträge) und hat das Kündigungsrecht des Gläubigers wegen Zahlungsverzugs vorübergehend ausgesetzt, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

Für die Einschätzung der vertraglichen Verpflichtungen in der Krise sind im Übrigen der konkrete Vertrag, etwaige darin enthaltene Klauseln über höhere Gewalt und das gesetzliche Kündigungsrecht aus wichtigem Grund sowie die deutschen Regeln für die Anpassung und den Widerruf von Verträgen wegen Eingriffen in die Geschäftsgrundlage zu berücksichtigen.


Sie haben Rückfragen oder möchten weitere Informationen zu den Themen?

Wenden Sie sich gerne an Dr. Dirk Barcaba und Elie Kaufman, LL.M..
 

Dieser Text wurde zuletzt am 09. April 2020 aktualisiert.

 

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