COVID-19: Dynamische Anforderungen an Arbeitsschutz- und Hygienemaßnahmen von Arbeitgebern

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Thomas Hey

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Deutschland

Ich bin als Partner in unserer Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht in Düsseldorf tätig, verfüge über mehr als 20 Jahre Erfahrung und berate unsere Mandanten aus den Bereichen Banken- und Finanzdienstleistungen, Life Sciences und Gesundheitswesen, Einzelhandel und Konsumgüter sowie Sicherheit, Verteidigung und Raumfahrt.

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Dr. Ralph Panzer

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Deutschland

Als Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner in unserem Münchner Büro berate ich gemeinsam mit meinem Team nationale und internationale Mandanten auf dem gesamten Gebiet des Individual- und Kollektivarbeitsrechts, häufig grenzüberschreitend.

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Dr. Artur-Konrad Wypych

Partner
Deutschland

Als Partner in der Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht in unserem Düsseldorfer Büro berate ich in- und ausländische Mandanten in allen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.

Die Bundesregierung beschloss am Mittwoch, den 15. April 2020, zusammen mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs aller Bundesländer erste Maßnahmen, um stetig zum wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Regelbetrieb zurückzukehren. Zum Schutz vor Infektionen gilt ab sofort die dringende Empfehlung für die gesamte Bevölkerung, in der Öffentlichkeit, insbesondere in öffentlichen Verkehrsmitteln und beim Einkaufen sog. Alltagsmasken zu tragen. Eine Verpflichtung hierzu gibt es bislang aber nicht.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil stellte am 16. April 2020 gemeinsam mit dem Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Dr. Stefan Hussy, einen Arbeitsschutzstandard COVID-19  vor. Dieser formuliert konkrete Anforderungen an den Arbeitsschutz in Zeiten der Corona-Krise. Ein hoher betrieblicher Infektionsschutzstandard ist Voraussetzung für das Vertrauen in Wirksamkeit und Reichweite der laufenden Maßnahmen zu Pandemiebekämpfung. Arbeitgeber haben eine besondere Verantwortung, ihre Mitarbeiter vor Infektionen zu schützen. Nicht erforderliche Kontakte zu Kunden und Kollegen sind nach wie vor zu vermeiden und Infektionsrisiken sind durch besondere Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu minimieren. Ein durchdachter Hygieneplan hilft, einen möglichst reibungslosen aber vor allem gefahrlosen Ablauf im Betrieb wiederherzustellen und Haftungsrisiken zu vermeiden.

Der Arbeitsschutzstandard regelt verbindliche Anforderungen zur Umsetzung des Arbeitsschutzes in Betrieben. Anhand dessen müssen Unternehmen (ggfs. mit dem Betriebsrat bzw. einem Arbeitsschutzausschuss, soweit gebildet) unverzüglich ein innerbetriebliches Hygienekonzept ausarbeiten und umsetzen. Der Arbeitgeber soll sich dabei von einem Betriebsarzt und der Fachkraft für Arbeitssicherheit beraten lassen.

Der Arbeitsschutzstandard COVID-19 beinhaltet unter anderem folgende Eckdaten:

1. Dynamische Reaktionsmöglichkeiten auf den weiteren Pandemieverlauf

Der Arbeitsschutzstandard des Arbeitsministeriums sieht eine ständige dynamische Anpassung vor, um auf den weiteren Pandemieverlauf jeweils flexibel zu reagieren. Der Arbeitgeber hat stets zu prüfen, ob die getroffenen Maßnahmen verhältnismäßig und angemessen sind. Es ist ratsam, den Hygieneplan jeweils zeitlich zu befristen, ggfs. zu verlängern und abzuändern entsprechend den Regelungen/Empfehlungen der Regierung. 

2. Einbinden von Arbeitsschutzexperten und Sozialpartnern

Gespräche mit Betriebsärzten und der Fachkraft für Arbeitssicherheit sollen so schnell wie möglich aufgenommen werden.

3. Büroarbeit in Heimarbeit

Soweit möglich, sind Arbeitgeber nach wie vor angehalten, Arbeitnehmern Heimarbeit zu ermöglichen. Der Arbeitgeber hat die Verpflichtung, die Gefahren am Arbeitsplatz für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu beurteilen und Maßnahmen hieraus abzuleiten. Hierzu gehört der Schutz des Arbeitnehmers vor Infektionen. Infektionsketten, die im Betrieb entstehen, müssen schnell identifiziert werden. 

Sofern der Arbeitgeber nach sorgfältiger Abwägung zu dem Schluss kommt, dass Teile der Belegschaft oder die gesamte Belegschaft wieder in den Betrieb zurückkehren sollen, müssen Arbeitnehmer einer entsprechenden Anweisung in der Regel Folge leisten. Arbeitnehmer haben während einer Pandemie kein grundsätzliches Recht auf Heimarbeit (Weitere Details hierzu finden Sie in unseren COVID-19 FAQ). Etwas anderes kann gelten, wenn eine konkrete Ansteckungsgefahr im Betrieb oder eine entsprechende Vereinbarung besteht. Bei Büroarbeit hat der Arbeitgeber freie Raumkapazitäten so zu nutzen und die Arbeit so zu organisieren, dass Mehrfachbelegungen in Räumen vermieden werden können und ausreichend Sicherheitsabstand eingehalten wird. 

4. Sicherheitsabstand einhalten

In der Öffentlichkeit gilt nach wie vor, dass mindestens 1,5 Meter Sicherheitsabstand zur nächsten Person einzuhalten sind. Dieser Sicherheitsabstand ist auch bei der Arbeit einzuhalten – sowohl in Gebäuden, im Freien als auch in Fahrzeugen. Wie eine solche Distanz im Betrieb eingehalten werden kann, müssen Arbeitgeber nun ausarbeiten, um ihre Arbeitnehmer ausreichend zu schützen. Es sind entsprechende Absperrungen und Markierungen anzubringen bzw. Zugangsregelungen zu definieren. In Großraumbüros z.B. müssten Arbeitsplätze mit ausreichend Abstand aufgebaut werden und für Pausenräume oder Betriebskantinen könnten feste Essenszeiten und ggfs. feste Plätze für Mitarbeitergruppen festgelegt werden. Wo dies nicht möglich ist, müssen wirksame Alternativen ergriffen werden. Arbeitgeber können zum Beispiel Schutzglas vor Kassen, Ausgaben, einzelnen Arbeitsplätzen oder der Produktion anbringen.

5. Kontakt vermeiden

Arbeitgeber müssen ein Organisationskonzept ausarbeiten, das Kontakt unter den Beschäftigten auf ein Minimum reduziert. Schichtmodelle, Schichtwechsel, Pausen- und Anwesenheitszeiten müssen dementsprechend organisiert werden. 

Für Mitarbeiter im Außendienst, für Transportleistungen oder Lieferdienste ist zu prüfen, ob Fahrten von nur einem Mitarbeiter durchgeführt werden. Sofern Fahrten im Team erforderlich sind, sind feste Teams von 2 bis 3 Personen zu bilden, um wechselseitige Kontakte mit anderen Mitarbeitern zu reduzieren.

Dienstreisen und Präsenzveranstaltungen sollten weiterhin auf ein absolutes Minimum reduziert werden. Arbeitgeber werden angehalten, technische Alternativen wie Telefon- oder Videokonferenzen zur Verfügung zu stellen.

6. Niemals krank zur Arbeit

Arbeitnehmer mit Krankheitssymptomen (leichtes Fieber, Erkältungsanzeichen, Atemwegssymptome) müssen zu Hause bleiben bzw. unverzüglich den Arbeitsplatz verlassen, bis ein Verdacht ärztlich geklärt ist. Arbeitgeber müssen alle Arbeitnehmer anweisen, diese Regelung strikt einzuhalten. Jeder Arbeitnehmer hat seine gesundheitliche Situation täglich vor Arbeitsantritt zu prüfen. Arbeitgeber müssen ferner auf die verbindliche Einhaltung einer "Nies-/Hustetikette" achten.

Im Einzelfall kann der Arbeitgeber anordnen, dass Arbeitnehmer vor Betreten des Betriebes die Temperatur messen müssen (weitere Details hierzu finden Sie in unseren COVID-19 FAQ).

7. Zusätzlicher Schutz

Ist es dem Arbeitgeber nicht möglich, Schutzscheiben anzubringen, sind allen Arbeitnehmern und externen Kunden und Dienstleistern Nase-Mund-Bedeckungen zur Verfügung zu stellen. In dem Zusammenhang sind vorab folgende Fragen zu klären: Wie lange ist die Tragedauer einzelner Masken? Wo im Betrieb besteht eine Pflicht zum Tragen von Masken und wo ggfs. nur eine "dringende" Empfehlung? Wie werden die Masken richtig getragen und auf welche Art und Weise werden Mitarbeiter entsprechend aufgeklärt? Wo werden die Masken ausgegeben und wie häufig? Wo entsorgen Mitarbeiter gebrauchte Masken? Wie groß muss der Lagerbestand sein, um zu gewährleisten, dass jederzeit ausreichend Masken für die Arbeitnehmer verfügbar sind?

8. Zusätzliche Hygienemaßnahmen

Arbeitgeber haben ferner ausreichend Desinfektionsmittel für Arbeitnehmer und Kunden am Ein-/Ausgang und in der Nähe der Arbeitsplätze bereitzustellen. Der Arbeitgeber kann anordnen, dass alle Mitarbeiter bei Betreten des Betriebs ihre Hände desinfizieren müssen. Insbesondere sofern Arbeitsmittel oder Arbeitsplätze geteilt werden, sollten sie nach jeder Benutzung desinfiziert werden. Insgesamt soll der Arbeitgeber aber soweit möglich dafür sorgen, dass Arbeitsmittel nur personenbezogen verwendet werden.

In den Toiletten- und Gemeinschaftsräumlichkeiten sollten Arbeitgeber auf Händetrockner und Textilhandtücher verzichten und stattdessen überall Einmal-Papierhandtücher bereitzustellen. Seife und Desinfektionsmittel sollen auch dort ausreichend zur Verfügung gestellt werden. Die Reinigungsintervalle der Sanitär- und Gemeinschaftsräume sowie Firmenfahrzeuge sind ferner anzupassen.

9. Arbeitsmedizinische Vorsorge und Schutz von Risikogruppen

Der Arbeitgeber ist zwar nicht verpflichtet, Kenntnis über etwaige Vorerkrankungen einzelner Arbeitnehmer zu haben. Er hat überdies kein Recht, die Krankenhistorie seiner Mitarbeiter einzusehen. Mitarbeiter sollen die Möglichkeit erhalten, einen Betriebsarzt aufzusuchen, wenn sie sich entweder aufgrund des Alters offensichtlich zur Risikogruppe zählen oder sie sich einer Risikogruppe zugehörig fühlen. Auch eine psychologische Beratung soll durch den Betriebsarzt erfolgen können. Empfiehlt der Betriebsarzt besondere Schutzmaßnahmen, so muss der Arbeitgeber diesen Empfehlungen Folge leisten. Empfehlenswert ist, dass eine „Risikoliste“ definiert und erstellt wird.  

10. Betriebliche Beiträge zur Pandemievorsorge sicherstellen

Um schnell auf erkannte Infektionen reagieren zu können, erarbeiten Arbeitgeber betriebliche Routinen zur Pandemievorsorge und kooperieren mit den örtlichen Gesundheitsbehörden, um weitere möglicherweise infizierte Personen zu identifizieren, zu informieren und ggf. auch isolieren zu können. Arbeitgeber sollen im Betrieb einen festen Ansprechpartner für Arbeitnehmer definieren, an den sie sich bei Infektionsverdacht wenden können.

11. Gesundheit geht vor

Kommunizieren Sie als Arbeitgeber gegenüber Ihren Mitarbeitern deutlich, dass die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer oberste Priorität haben. Eine aktive Kommunikation mit den Arbeitnehmern ist aktuell essentiell, im Vertrauen in die Arbeitsschutzstandards innerhalb des Betriebs aufzubauen. Sobald ein Hygieneplan vorliegt, ist dieser allen Mitarbeitern zugänglich zu machen und sämtliche Maßnahmen sind für alle Mitarbeiter verständlich zu erklären. Empfehlenswert sind hier Aushänge an diversen Stellen im Betrieb, E-Mails / Briefe an alle Mitarbeiter und eine Veröffentlichung im Intranet. In Betrieben mit Betriebsrat, hat der Betriebsrat je nach Maßnahme ggfs. ein Mitbestimmungsrecht.

Das Bundesarbeitsministerium wird einen zeitlich befristeten Beraterkreis "Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz zur Prävention von SARS-CoV-2" einrichten, um zügig auf den weiteren Pandemieverlauf reagieren zu können. Der Arbeitsschutzstandard wird in den kommenden Monaten immer wieder evaluiert und gegebenenfalls branchenspezifisch angepasst und ergänzt.

Für Arbeitgeber heißt der Arbeitsschutzstandard, dass nun unverzüglich Gespräche mit Betriebsräten, Betriebsärzten, Arbeitsschutzausschuss und Fachkräften für Arbeitssicherheit beginnen und ein innerbetrieblicher Hygieneplan ausgearbeitet werden muss. Der Hygieneplan sollte dynamisch und flexibel sein, um jederzeit auf Änderungen im Pandemieverlauf zu reagieren. Bei allen Maßnahmen ist stets zu beachten, dass die allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsätze einzuhalten sind und nicht einzelne Arbeitnehmer benachteiligt werden dürfen. 

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