Urlaub im Risikogebiet – Besteht eine Schadensabwendungspflicht des reisenden Arbeitnehmers?

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Thomas Hey

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Deutschland

Ich bin als Partner in unserer Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht in Düsseldorf tätig, verfüge über mehr als 20 Jahre Erfahrung und berate unsere Mandanten aus den Bereichen Banken- und Finanzdienstleistungen, Life Sciences und Gesundheitswesen, Einzelhandel und Konsumgüter sowie Sicherheit, Verteidigung und Raumfahrt.

Es ist Urlaubssaison in Deutschland und in der besonderen Situation der Corona-Pandemie stellt sich die Frage: Wie muss mit Reiserückkehren aus Risikogebieten umgegangen werden und besteht gegebenenfalls eine Schadensabwendungspflicht für eine aufgrund einer durchzuführenden Quarantäne eingetretene Verhinderung zur Erbringung der Arbeitsleistung?

Grenzenloser Verdienstausfall

Im Rahmen des Corona-Gipfels vom 27. August 2020 wurde festgelegt, dass es Covid-19-Tests für Reiserückkehrer ab dem 15. September 2020 nicht mehr geben wird. Vielmehr wird eindringlich dazu aufgerufen, Reisen in Risikogebiete nicht durchzuführen. Zudem sollen Reiserückkehrer aus Risikogebieten eine Corona-Quarantäne frühestens durch einen Test ab dem fünften Tag nach der Rückkehr beenden können, sonst gilt eine Quarantäne-Dauer von 14 Tagen. Diese Regelung soll ab dem 1. Oktober 2020 gelten.

Entgegen der Erklärung des Gesundheitsministeriums vom 25. August 2020, wonach Reisende, die nach ihrer Rückkehr aus einem Corona-Risikogebiet in Quarantäne mussten, keinen zusätzlichen (Quarantäne-) Urlaub für diese Zeit nehmen und nicht mit Verdienstausfall für den entsprechenden Zeitraum rechnen mussten — weil der Staat in einem solchen Fall für den Verdienstausfall aufkomme — erklärte Bundeskanzlerin Merkel im Rahmen des Corona-Gipfels, dass zukünftig für die Zeit der verpflichtenden Quarantäne nach einer vermeidbaren Reise in ein Risikogebiet kein Verdienstausfall gezahlt werden solle.

Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz

Wer als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne des Infektionsschutzgesetzes („IfSG“) gilt und aufgrund dessen Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird, und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld, § 56 Abs. 1 IfSG. Zwar sieht das IfSG keine über die Regelungen des § 56 Abs. 1 IfSG hinausgehende Schadensabwendungspflicht der reisenden Person vor. Allerdings haben die Bundesländer erklärt, diesbezüglich das IfSG ändern zu wollen.

Schuldhaftes Handeln im Sinne von § 616 BGB

Bei der Betrachtung verschiedener Szenarien ist jedoch eine möglicherweise schuldhafte Herbeiführung der Verhinderung der Arbeitsleistungserbringung im Sinne des § 616 BGB zu berücksichtigen.

  1. Der Urlaubsort ist bereits vor Reiseantritt als Risikogebiet benannt. Der Reiseantritt findet in Kenntnis dessen statt.

    In diesem Fall stellt der Reiseantritt ein schuldhaftes Handeln, welches zur vorrübergehenden Verhinderung der Erbringung der Arbeitsleistung im Sinne von § 616 BGB führt, dar. Daraus folgt, dass für einen Arbeitnehmer, der sich in Kenntnis des Risikostatus eines Gebiets dennoch in dieses begibt, kein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht. Es sei denn, der betroffene Arbeitnehmer kann im (Quarantäne-) Home Office arbeiten.

  2. Der Aufenthaltsort/Urlaubsort wird während des Aufenthalts zum Risikogebiet erklärt.

    Hier liegt kein schuldhaftes Handeln vor, weil der Arbeitnehmer bei Reiseantritt keine Kenntnis davon hatte, dass das Urlaubsgebiet sich zu einem Risikogebiet wandeln könnte.

  3. Der Urlaubsort ist vor dem Reiseantritt noch nicht als Risikogebiet benannt, jedoch besteht die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Klassifizierung in unmittelbarer zeitlicher Nähe erfolgen wird. Der Reisende hat hiervon Kenntnis.

Im Rahmen dieses Falles besteht eine Ähnlichkeit zu dem unter (1) Ausgeführten. Denn auch hier hat der Arbeitnehmer (eventuell bereits hinreichende) Kenntnis davon, dass eine Verhinderung der Erbringung seiner Arbeitsleistung aufgrund der Verpflichtung zur Durchführung einer Quarantäne-Maßnahme höchstwahrscheinlich ist. Eine konkrete Einzelfallabwägung ist in diesem Fall unerlässlich.

Home Office während der Quarantäne

Kommt es zu einer Anordnung einer Quarantäne-Maßnahme muss dies nicht zwangsläufig die Arbeitsunfähigkeit des betroffenen Arbeitnehmers bedeuten. Grundsätzlich gilt: Findet die Quarantäne bei dem Arbeitnehmer zu Hause statt und ist diesem eine Arbeit im Home Office möglich oder ist dem Arbeitnehmer mobiles Arbeiten an einem anderen Ort, an dem die Quarantäne-Maßnahme durchgeführt wird, möglich, dann muss diese Möglichkeit auch vom Arbeitnehmer genutzt werden. Die Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung entfällt erst, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Erkrankung arbeitsunfähig wird. Sonst entsteht ein Anspruch auf Homeoffice bzw. mobiles Arbeiten für diese Zeit.

Fazit: Urlaub ist ein Risiko

Vermeidbare Reisen in Risikogebiete zu unterlassen, ist begrüßenswert. Der reisende Arbeitnehmer kann sich nicht auf die Sicherheit einer Entgeltfortzahlung im Falle einer Quarantäne-Anordnung verlassen:

  • Reisen in Risikogebiete sind zu unterlassen.
  • Arbeitnehmer können nicht mit einer Vergütung für Quarantänezeiten nach einer solchen Reise rechnen.
  • Arbeitnehmer müssen daher vor Reiseantritt auf Reisewarnungen achten.
  • Wenn Reiseziele nach Reiseantritt zu Risikogebieten erklärt werden, gilt die bisherige Regelung zur Vergütungsfortzahlung.
  • Arbeitnehmer sind gehalten, Reisewarnungen genau zu verfolgen und im Zweifel Reisen in potentielle Risikogebiete zu unterlassen.

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