COVID-19: Gesellschaftsrechtliche Erleichterungen für Kapitalmaßnahmen und Transaktionen im Rahmen des neuen Wirtschaftsstabilisierungsfonds

Geschrieben von

peter veranneman module
Dr. Peter Veranneman

Partner
Deutschland

Nach mehr als 25 Jahren anwaltlicher Tätigkeit im Bereich Gesellschaftsrecht schätzen mich meine Mandanten als erfahrenen Transaktionsanwalt, der ihnen den Weg durch die Untiefen einer Transaktion weist, ohne sie mit jeglichen juristischen Details zu behelligen. Meine langjährige und vielfältige Anwaltserfahrung half mir auch in meinen Funktionen als Leiter unserer International Corporate Group in der Zeit von 2014 bis 2021 sowie als Managing Partner Deutschland seit 1/2022.

Im Zusammenhang mit der derzeitigen durch das Coronavirus ausgelösten wirtschaftlichen Krise ist das Gesetz zur Einrichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds (Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz – "WStFG") am 28. März 2020 in Kraft getreten und ergänzt das bereits bestehende Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz ("FMStFG").

Der mit dem Gesetz eingerichtete Wirtschaftsstabilisierungsfonds ("WSF") dient der Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf bestimmte Unternehmen in der Realwirtschaft und ist nach dem Vorbild des Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin) konzipiert, der im Jahr 2008 während der Finanzkrise mit dem Ziel geschaffen wurde, das Vertrauen in das Finanzsystem zu stabilisieren und wiederherzustellen.

Artikel 2 des WStFG ergänzt und ersetzt das bisherige Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz ("FMStBG") durch das neue Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetz ("WStBG"). Das Gesetz regelt punktuell zeitlich befristete Modifizierungen des Gesellschaftsrechts, die zur verbesserten Anwendung des WSF Erleichterungen für Kapitalmaßnahmen und Transaktionen vorsehen, die im Zusammenhang mit den vom WSF gewährten Stabilisierungsmaßnahmen stehen. Die vorgesehenen teilweise erheblichen Einschränkungen des Minderheitenschutzes begründet der Gesetzgeber mit den besonderen Umständen und damit, dass diese Sonderregelungen fest mit den Stabilisierungsmaßnahmen verknüpft seien, die nur unter bestimmten Voraussetzungen und zeitlich begrenzt Anwendung fänden.

Zu dem Anwendungsbereich des WSF, den vorgesehenen Stabilisierungsmaßnahmen, den Bedingungen für eine Bewerbung sowie dem vorgesehenen Bewerbungsprozess siehe unseren Beitrag zum Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetz.

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit den gesellschaftsrechtlichen Änderungen, die sich aus der Einführung des WStBG ergeben.

1. Einleitung

Das WStBG baut auf der letzten Fassung des FMStBG auf, das nach seinem Inkrafttreten am 18. Oktober 2008 in den Folgejahren mehrmals abgeändert wurde.

Das Hauptaugenmerk des WStBG liegt auf Anpassungen des Aktienrechts (sowohl für börsennotierte als auch nicht börsennotierte Gesellschaften), findet aber wie schon das FMStBG sinngemäß auf Kommanditgesellschaften auf Aktien sowie die Europäische Gesellschaft (SE) Anwendung und sieht Regelungen für Genossenschaften vor. Wichtigste Änderung des WStBG gegenüber dem FMStBG ist die Anwendbarkeit bestimmter Regelungen auf GmbH sowie Kommanditgesellschaften. Der Gesetzgeber hatte laut seiner Gesetzesbegründung zum FMStBG keinen Anlass für eine Erstreckung des Gesetzes auf solche Rechtsformen gesehen, weil dort die Entscheidungsfindung typischerweise nicht durch Publikumsgesellschafter verzögert werde. Im Rahmen des WSF, der sich nicht auf den Finanzmarkt, sondern auf die Realwirtschaft fokussiert, wurde diese Auffassung offensichtlich aufgegeben.

Insbesondere die Regelungen zur GmbH werfen einige unbeantwortete Fragen auf. Das Gesetz enthält darüber hinaus redaktionelle Fehler und bezieht sich teilweise noch explizit auf Unternehmen des Finanzsektors. Solche Ungereimtheiten sind sicher darauf zurückzuführen, dass das WStBG in sehr kurzer Zeit umgesetzt werden musste. Wir rechnen deshalb damit, dass wie im Fall des FMStBG in den nächsten Monaten Ergänzungen des Gesetzes vorgenommen werden, auch um auf die weitere Entwicklung der Wirtschaft in Zeiten der Corona-Krise einzugehen.

2. Änderungen im Aktienrecht

Im Aktienrecht sind Erleichterungen für verschiedene Arten von Kapitalmaßnahmen vorgesehen, die im Zusammenhang mit Stabilisierungsmaßnahmen nach § 7 oder § 22 WStFG stehen.

2.1 Ausnutzung von genehmigtem Kapital (§ 5 WStBG)

Der Vorstand kann bei der Ausnutzung eines bestehenden genehmigten Kapitals mit Zustimmung des Aufsichtsrats über den Inhalt der Aktienrechte und die Bedingungen der Aktienausgabe entscheiden und hat in diesem Fall in der nächsten ordentlichen Hauptversammlung einen schriftlichen Bericht über die Kapitalerhöhung und Ausgabe neuer Aktien vorzulegen. Die Möglichkeit eines Bezugsrechtsausschlusses ist gesetzlich nicht Teil einer solchen Entscheidung über die Bedingungen der Aktienausgabe, vgl. §§ 204 Abs. 1 S. 1, 203 Abs. 1 S. 1 AktG. Ein Bezugsrechtsauschluss ist daher nur möglich, wenn das bestehende genehmigte Kapital eine entsprechende Ermächtigung vorsieht.

Die neuen Aktien können mit einem Gewinnvorzug und Liquidationsvorrang ausgestattet sein, abweichend von § 139 Abs. 1 AktG ist die Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht ohne nachzahlbaren Vorzug möglich (§ 5 Abs. 3 S. 1 und 2 WStBG). An den Fonds ausgegebene Aktien mit Gewinnvorzug und/oder Liquidationsvorrang verlieren diese jedoch bei der Übertragung an einen Dritten. In diesem Fall kann der Fonds bestimmen, dass die Vorzugsaktien in stimmberechtigte Stammaktien umgewandelt werden (§ 5 Abs. 6 WStBG). Der WSF kann Vorauszahlungen auf seine Einlagen leisten, die ihn von seiner Einlagepflicht befreien.

Der Ausgabebetrag ist in jedem Fall angemessen, wenn er dem Börsenkurs entspricht, kann diesen mit Zustimmung des Aufsichtsrats aber auch unterschreiten. Der Betrag darf jedoch nicht unter dem Nennwert bzw. rechnerischen Wert der Aktien liegen (§ 5 Abs. 4 WStBG).

§ 5 WStBG regelte in seiner früheren Fassung allgemein die "Ausgestaltung von Aktien" und hat diese Überschrift beibehalten. Dementsprechend sehen die Regelungen zu den übrigen Kapitalmaßnahmen eine vollständige oder teilweise entsprechende Anwendung von § 5 WStBG vor.

2.2 Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§ 7 WStBG)

Auf die Einberufung einer Hauptversammlung, die (unter anderem) über eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen beschließen soll, die mit einer Stabilisierungsmaßnahme im Zusammenhang steht, findet § 16 Abs. 4 WpÜG mit der Maßgabe Anwendung, dass Stimmrechtvollmachten ungeachtet anderslautender Satzungsregelungen stets möglich sind (§ 7 Abs. 1 S. 1 WStBG). Für eine solche Hauptversammlung gilt daher eine Einberufungsfrist von mindestens 14 Tagen.

Der Beschluss über die Erhöhung des Grundkapitals bedarf nur der Mehrheit der abgegebenen Stimmen (nach sonst geltendem Recht: drei Viertel des vertretenen Grundkapitals, soweit die Satzung nichts anderes bestimmt). Abweichende Satzungsbestimmungen sind unbeachtlich (§ 7 Abs. 2 S. 2 WStBG).

Das Bezugsrecht kann ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, wenn eine Mehrheit der Hauptversammlung von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen oder des vertretenen Grundkapitals, bzw. bei Vertretung der Hälfte des Grundkapitals die einfache Mehrheit, dies beschließt (nach sonst geltendem Recht: drei Viertel des vertretenen Grundkapitals). Dabei soll der Ausschluss des Bezugsrechts zur Zulassung des WSF zur Übernahme von Aktien jederzeit zulässig und angemessen sein (§ 7 Abs. 3 WStBG). Es dürfte sich hierbei um eine unwiderlegliche Vermutung der vom BGH in ständiger Rechtsprechung geforderten sachlichen Rechtfertigung des Bezugsrechtsauschlusses handeln.

Die Hauptversammlung kann beschließen, dass der WSF die neuen Aktien zu einem geringeren Preis als dem Ausgabebetrag beziehen kann, wenn sie zuvor den Aktionären zum Ausgabebetrag angeboten worden sind. Eine vorherige Leistung in das Vermögen kann den WSF von seiner Einlagepflicht befreien. § 194 Abs. 1 S. 2 AktG gilt entsprechend, und zwar auch bei der Ausgabe von neuen Aktien gegen Einbringung von Vermögenseinlagen aus stillen Beteiligungen nach § 10 WStBG.

§ 7 Abs. 5 WStBG verweist unverändert auf eine sinngemäße Anwendung von bestimmten Regelungen des § 5 WStBG, der jedoch im Zuge des WStFG umformuliert wurde. Richtigerweise müssten daher jetzt § 5 Abs. 3, 4 und 6 WStBG sinngemäß angewendet werden.

2.3 Kapitalherabsetzung (§ 7 Abs. 6 WStBG)

Für den Beschluss über eine Kapitalherabsetzung gelten die gleichen Regelungen zu Mehrheitserfordernissen sowie der Einberufung der Hauptversammlung wie bei der Kapitalerhöhung. Das Recht, Sicherheitsleistung gemäß § 225 AktG zu verlangen, gilt unter anderem nicht, wenn der Betrag des Grundkapitals vor der Herabsetzung durch eine zugleich beschlossene Kapitalerhöhung zumindest wieder erreicht wird.

2.4 Bedingte Kapitalerhöhung (§ 7a WStBG)

Zur Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten kann ein bedingtes Kapital mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen der Hauptversammlung (nach sonst geltendem Recht: drei Viertel des vertretenen Grundkapitals) geschaffen werden. Der Nennbetrag des bedingten Kapitals ist dabei entgegen § 192 Abs. 3 S. 1 AktG nicht auf einen Betrag von 50% des Grundkapitals begrenzt und wird nicht auf andere bedingte Kapitalien angerechnet. §§ 5 (Ausgestaltung der Aktien), 7 Abs. 1 (Regeln für die Einberufung) und 2 S. 2 (Unbeachtlichkeit anderslautender Satzungsbestimmungen) WStBG gelten entsprechend.

§ 194 Abs. 1 S. 2 AktG gilt ebenfalls entsprechend, und zwar auch bei der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen gegen Einbringung von Vermögenseinlagen aus stillen Beteiligungen nach § 10 WStBG. Letzteres soll nach dem unveränderten Wortlaut des Gesetzes nur für Unternehmen des Finanzsektors gelten, hierbei dürfte es sich jedoch um ein redaktionelles Versehen handeln.

2.5 Schaffung eines genehmigten Kapitals (§ 7b WStBG)

Auch die Schaffung eines genehmigten Kapitals durch Beschluss der Hauptversammlung bedarf nur der Mehrheit der abgegebenen Stimmen (nach sonst geltendem Recht: drei Viertel des vertretenen Grundkapitals). Der Nennbetrag ist entgegen § 202 Abs. 3 S. 1 AktG nicht auf einen Betrag von 50% des Grundkapitals begrenzt, eine Anrechnung auf sonstige genehmigte Kapitalien erfolgt nicht. §§ 5 (Ausgestaltung der Aktien), 7 Abs. 1 (Regeln für die Einberufung) und 2 S. 2 (Unbeachtlichkeit anderslautender Satzungsbestimmungen) sowie 7 Abs. 3 WStBG (im Falle des Ausschlusses des Bezugsrechts) gelten entsprechend.

2.6 Eintragung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 7c WStBG)

Die Beschlüsse der Hauptversammlung nach den §§ 7, 7a und 7b WStBG werden bereits mit Veröffentlichung des zur Eintragung im Handelsregister angemeldeten Beschlusses auf der Internetseite der Gesellschaft, spätestens aber mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger gegenüber Dritten wirksam, die Eintragung im Handelsregister ist dagegen nicht Wirksamkeitsvoraussetzung.

Zudem sollen die Beschlüsse und wenn notwendig deren Durchführung im Handelsregister eingetragen werden, wenn sie nicht offensichtlich nichtig sind. Das Überwiegen des Vollzugsinteresses im Sinne des § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG wird dabei vermutet, sodass Anfechtungsklagen die Eintragung in der Regel unberührt lassen werden.

§ 7c WStBG gelten für die Beschlussfassung von Vorstand und Aufsichtsrat aufgrund einer Ermächtigung nach § Abs. 1 und 7b WStBG entsprechend. Unklar bleibt, ob die Erleichterung auch dann gelten soll, wenn die Hauptversammlung gemäß § 5 Abs. 2 WStBG bei Gebrauch eines genehmigten Kapitals über den Inhalt der Aktienrechte und die Bedingungen der Aktienausgabe, insbesondere über den Umfang der Kapitalerhöhung, entscheidet.

2.7 Verbundene Unternehmen (§ 7d WStBG)

Die Vorschriften des AktG über herrschende Unternehmen sind bis zum Ablauf des 31. Dezember 2021 nicht auf den WSF, den Bund, deren Körperschaften, Anstalten und Sondervermögen und weitere nahestehende oder abhängige Personen anzuwenden (mit Ausnahme der Anwendung von Vorschriften über die Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat eines vom WSF beherrschten Unternehmens)(§ 7d WStBG);

2.8 Kapitalmaßnahmen durch Dritte (§ 7e WStBG)

§ 7e WStBG regelt, dass die §§ 7 bis 7d entsprechend bei Stabilisierungsmaßnahmen gilt, wenn die neuen Aktien auch oder ausschließlich durch Dritte gezeichnet werden, insbesondere im Rahmen von durch den WSF gewährten Garantien.

2.9 Genussrechte und nachrangige Schuldverschreibungen (§ 8 WStBG)

Der Vorstand einer Aktiengesellschaft ist bis zum 31. Dezember 2021 ermächtigt, Genussrechte und, jetzt neu, Schuldverschreibungen mit einem qualifizierten Nachrang mit Zustimmung des Aufsichtsrats an den Fonds auszugeben. Der Gesetzgeber verweist in diesem Zusammenhang u.a. auf das Urteil des BGH vom 5. März 2015 (IX ZR 133/14), das u.a. die rechtlichen Anforderungen an qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarungen konkretisiert.

Die Ausgabe bedarf nicht der Zustimmung der Hauptversammlung und das Bezugsrecht der Aktionäre kann ausgeschlossen werden, soweit nicht ein Recht zur Wandlung in Aktien vorgesehen ist.

Die Bestimmung ist entsprechend auf die Ausgabe von Schuldverschreibungen anzuwenden, für die der WSF eine Garantie übernimmt.

2.10 Stille Gesellschaft (§ 10 WStBG)

Zur Erleichterung von Vermögenseinlagen des WSF als stiller Gesellschafter regelt § 10 WStBG, dass solche Leistungen keinen Unternehmensvertrag nach § 291 f. AktG darstellen und weder der Zustimmung der Hauptversammlung noch einer Eintragung ins Handelsregister bedürfen. Dies gilt entsprechend, wenn sich neben dem WSF Dritte als stille Gesellschafter beteiligen oder die stille Beteiligung ganz oder teilweise an Dritte übertragen wird.

Die Vereinbarung kann auch ein Umtausch- oder Bezugsrecht vorsehen, wobei das Bezugsrecht der Aktionäre bei Wandlung ausgeschlossen ist. Dies setzt jedoch Zustimmung oder Ermächtigung der Hauptversammlung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen oder des vertretenen Grundkapitals voraus, bei Vertretung der Hälfte des gezeichneten Kapitals genügt die einfache Mehrheit.

Die vorzeitige Rückgewähr einer Vermögenseinlage des WSF oder einvernehmliche Aufhebung einer stillen Gesellschaft gilt nicht als Einlagenrückgewähr gemäß § 57 AktG.

§ 6 WStBG verweist auf die durch das neue "Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Vereins-, Genossenschafts- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie" geschaffenen Erleichterungen für die Abhaltung von Hauptversammlungen, u.a. die Möglichkeit einer Hauptversammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre (siehe hierzu unseren Beitrag zu Änderungen im Aktien-, GmbH- und Umwandlungsrecht).

§ 7 Abs. 7 WStBG sieht eine gesamtschuldnerische Haftung gegenüber der Gesellschaft für Aktionäre vor, die eine für den Fortbestand der Gesellschaft erforderliche Rekapitalisierungsmaßnahme verzögern oder vereiteln, um dadurch ungerechtfertigte Vorteile für sich zu erlangen. Ungeachtet der systematischen Einordnung ist davon auszugehen, dass sich die Haftung auf sämtliche Rekapitalisierungsmaßnahmen und nicht nur auf Kapitalerhöhungen bzw. -herabsetzungen bezieht.

Für Europäische Gesellschaften (SE) und Kommanditgesellschaften auf Aktien gelten die §§ 5 bis 8 WStBG sinngemäß.

Das WStBG sieht darüber hinaus allgemeine Vereinfachungen für den Erwerb oder die Ausgabe von Aktien an den WSF und den Bund vor:

a. Der Wirtschaftsausschuss oder Betriebsrat eines Unternehmens ist bei einem Kontrollerwerb (Halten von mindestens 30% der (ggfs. zugerechneten) Stimmrechte) nicht zu informieren (§ 11 WStBG).

b. Die Mitteilungspflichten für Inhaber wesentlicher Beteiligungen (§ 43 WPHG) sowie die Anzeigepflichten für eine bedeutende Beteiligung (§ 2c KWG) finden keine Anwendung (§§ 12, 13 WStBG) Die aktien- und kapitalmarktrechtlichen Mitteilungspflichten nach § 20 AktG bzw. § 33 WpHG dagegen gelten weiterhin.

c. Erlangt der Bund, der WSF oder eine derer Tochtergesellschaften die Kontrolle über eine Zielgesellschaft gemäß § 29 Abs. 2 WpÜG, befreit die BaFin sie von der Pflicht zur Veröffentlichung nach § 35 Abs. 1 S. 1 WpÜG sowie zur Abgabe eines Pflichtangebots nach § 35 Abs. 2 S. 1 WpÜG. Nicht geregelt ist, ob es hierzu eines schriftlichen Antrags nach § 37 Abs. 1 WpÜG bedarf.

d. Auf die Abstimmung zwischen dem Bund, dem WSF oder eine derer Tochtergesellschaften mit Personen, die als Aktionäre oder mittelbar Stimmrechte an einer Zielgesellschaft halten (sog. Acting in Concert), findet im Rahmen von Stabilisierungsmaßnahmen § 30 Abs. 2 WpÜG keine Anwendung.

e. Für die Abgabe von öffentlichen Angeboten nach § 2 Abs. 1 WpÜG durch den Bund oder den WSF gilt unter anderem folgendes:

i. die Annahmefrist darf nicht weniger als zwei (nach sonst geltendem Recht: vier) Wochen betragen, die weitere Annahmefrist entfällt;

ii. der Schwellenwert für einen übernahmerechtlichen Squeeze-Out nach § 327a Abs. 1 AktG oder § 39a Abs. 1 WpÜG beträgt 90% (statt 95%);

iii. die bei Übernahmeangeboten zu zahlende Mindest-Gegenleistung bemisst sich nach dem gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs während der letzten zwei Wochen vor Bekanntgabe oder -werden der Übernahmeabsicht. Dies gilt jedoch nicht, wenn dieser Wert über dem gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs während des Zeitraums vom 1. bis 27. März 2020 liegt, der in diesem Fall maßgeblich ist;

iv. die Regelungen in § 31 Abs. 4 und 5 WpÜG zur Erhöhung der Gegenleistung im Falle von Parallel- und Nacherwerben finden keine Anwendung.

f. Für an den WSF ausgegebene Aktien ist kein Antrag nach § 40 Abs. 1 BörsG auf Zulassung zum regulierten Markt zu stellen. Dies gilt jedoch dann nicht mehr, wenn solche Aktien an Dritte übertragen werden (§ 15 WStBG).

g. Die Vorschriften des ersten bis dritten Teils des GWB finden keine Anwendung auf den WSF, insbesondere gelten damit sämtliche deutschen Vorschriften zur Fusionskontrolle, zum Verbot von kartellrechtswidrigen Absprachen und vom Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nicht (§ 16 WStBG). Die Vorschriften der europäischen Fusionskontrolle dagegen bleiben anwendbar. Nach der Begründung des Gesetzgebers zum FMStBG sollte die deutsche Fusionskontrolle ausgeschlossen werden, da der Zeitbedarf einer solche Kontrolle dem Zweck des damaligen Fonds, möglichst schnell eine Stabilisierung zu erreichen, zuwiderlaufen würde.

h. Das WStBG sieht auch Einschränkungen der Vertragsfreiheit vor (§ 18 WStBG). Übernimmt, verändert oder veräußert der WSF eine Beteiligung, so stellt dies keinen wichtigen Grund für die Beendigung eines Schuldverhältnisses (z.B. sogenannte Change-of-Control Klausel) dar und führt auch nicht zu einer automatischen Beendigung von Schuldverhältnissen, entsprechende vertragliche Bestimmungen sind unwirksam. Dies soll nach dem unveränderten Wortlaut des Gesetzes nur für Unternehmen des Finanzsektors gelten, hierbei handelt es sich wohl jedoch um ein redaktionelles Versehen.

i. Abfindungs- oder Entschädigungsansprüche in Anstellungsverträgen von Organmitgliedern oder sonstigen Dienstverträgen sind unwirksam, soweit diese Ansprüche aufgrund von Beteiligungen des WSF an Unternehmen gewähren würden.

j. Die Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen muss im Einklang mit beihilferechtlichen Vorgaben stehen. Stabilisierungsmaßnahmen müssen also bei der Europäischen Kommission notifiziert werden. Um zu verhindern, dass jede einzelne Stabilisierungsmaßnahme als Einzelbeihilfe notifiziert werden muss, wird die Bundesregierung das WStFG und das WStBG als Ganzes bei der Europäischen Kommission notifizieren (so wie sie das auch schon zu Zeiten der Finanzmarktstabilisierung mit dem FMStFG und FMStBG gemacht hat).

3. Änderungen bei GmbH und Kommanditgesellschaften

Mit Einführung des WStBG werden im Gegensatz zum FMStBG auch GmbH und Kommanditgesellschaften, insbesondere GmbH & Co. KG, mit einbezogen. In der Begründung zum FMStBG hatte der Gesetzgeber noch die Ansicht vertreten, dass bei den genannten Gesellschaftsformen die Entscheidungsfindung typischerweise nicht durch Publikumsgesellschafter verzögert werde.

3.1 GmbH

Die Aufnahme von Regelungen zur GmbH werden nun im Rahmen des WStBG damit begründet, dass in der Realwirtschaft auch größere Unternehmen als GmbH verfasst seien. Erleichterungen seien geboten, allerdings in geringerem Umfang, da das GmbH-Recht weniger formenstreng und dafür flexibel sei.

Nach § 9a Abs. 1 WStBG bedürfen Beschlüsse über die Kapitalerhöhung oder -herabsetzung, die Schaffung eines genehmigten Kapitals sowie den Ausschluss des Bezugsrechts unabhängig von anderslautenden Satzungsbestimmungen der einfachen Mehrheit der anwesenden Stimmen (nach sonst geltendem Recht bzw. im Falle des Bezugsrechtsausschlusses nach h.M.: drei Viertel der abgegebenen Stimmen). Für die Eintragung solcher Beschlüsse ins Handelsregister gelten §§ 7c S. 1 und 2 sowie 7 Abs. 2 WStBG entsprechend, sodass der Beschluss bereits mit Veröffentlichung des zur Eintragung angemeldeten Beschlusses auf der Internetseite der Gesellschaft gegenüber Dritten wirksam wird. Der Verweis auf § 7 Abs. 2 WStBG erscheint nicht sinnhaft, da die darin aufgestellten Regelungen bereits in § 9a Abs. 1 WStBG enthalten sind. Eine entsprechende Anwendung des § 7 Abs. 3 S. 4 WStBG (Zulässigkeit und Angemessenheit des Bezugsrechtsausschluss) ist dagegen nicht vorgesehen.

§ 9a Abs. 2 WStBG verweist auf die durch das neue "Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Vereins-, Genossenschafts- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie" geschaffenen Erleichterungen für das Fassen von Gesellschafterbeschlüssen (siehe hierzu unseren Beitrag zu Änderungen im Aktien-, GmbH- und Umwandlungsrecht). Nach dem Gesetz können Beschlüsse abweichend von § 48 Abs. 2 GmbHG in Textform oder schriftlich auch ohne die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter gefasst werden. Diese Erleichterungen können jedoch nicht auf die Beschlüsse über die Kapitalerhöhung oder -herabsetzung sowie die Schaffung eines genehmigten Kapitals angewendet werden, da diese der Beurkundung durch einen Notar bedürfen. Nach dem Wortlaut des Verweises können Gesellschafterbeschlüsse aufgrund des genannten neuen Gesetzes auch schriftlich gefasst werden. Dies war jedoch bereits nach § 48 Abs. 2 GmbHG möglich, § 9a Abs. 2 WStBG sollte deshalb vom Gesetzgeber überarbeitet und präzisiert werden.

Gemäß § 9a Abs. 3 WStBG soll ein Gesellschafter mit einer Mehrheit von drei Vierteln der anwesenden Stimmen gegen Abfindung aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden können, wenn dies für den Erfolg einer Stabilisierungsmaßnahme erforderlich ist. Dabei soll sich die Untergrenze der Abfindung anhand eines durch Sachverständigengutachten ermittelten Unternehmenswertes bemessen. Der Ausschluss wird mit Beschlussfassung wirksam, eine separate Ausschlussklage ist daher nicht notwendig und der Ausschluss findet nicht erst aufschiebend bedingt mit Zahlung der Abfindung statt.

i. Da Beschlüsse über eine Kapitalerhöhung bzw. -herabsetzung oder die Schaffung genehmigten Kapitals bereits mit der einfachen Mehrheit der anwesenden Stimmen gefasst werden können, ist der Ausschluss insbesondere dann Mittel der Wahl, wenn Mehrheitsgesellschafter sich gegen Stabilisierungsmaßnahmen wehren.

ii. Bei § 9a Abs. 3 WStBG dürfte es sich um eine besondere Ausprägung des in der Rechtsprechung anerkannten Ausschlusses eines Gesellschafters aus wichtigem Grund handeln. Der wichtige Grund liegt darin, dass der betroffene Gesellschafter sich einer Stabilisierungsmaßnahme verweigert, die für das Überleben der Gesellschaft notwendig ist.

iii. Der Ausschluss ist stets ultima ratio und nur anzuwenden, wenn keine anderen geeigneten und zumutbaren Möglichkeiten bestehen. Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich die Frage, weshalb der Gesetzgeber Erleichterungen nicht auch für mildere Mittel vorgesehen hat, etwa die Übertragung des betroffenen Geschäftsanteils auf einen Treuhänder oder die Teileinziehung. Angesichts des Wortlauts ist zudem fraglich, ob auch ein Teilausschluss von der Regelung profitiert. Vor einem Ausschluss sollte in jedem Fall gründlich geprüft werden, ob nicht andere, mildere Mittel in Frage kommen.

iv. Bedingung eines Ausschlusses ist nach h.M., dass die zu zahlende Abfindung aus dem freien Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden kann. Dies dürfte in der aktuellen Krisensituation, insbesondere wenn die Notwendigkeit einer Stabilisierungsmaßnahme im Raum steht, häufig nicht möglich sein. Im Einzelfall ist daher zu prüfen, ob vor Ausschluss z.B. eine Einlage der übrigen Gesellschafter in die Gesellschaft geleistet werden muss.

v. Das Gesetz regelt zwar, dass die Untergrenze der Abfindung sich nach dem Unternehmenswert bemisst, bestimmt aber nicht, nach welcher Methode diese Untergrenze zu ermitteln ist. Die Rechtsprechung geht in der Regel von der Ertragswertmethode aus. Nach h.M. ist bei ertragsschwachen Unternehmen nur dann auf den Liquidationswert abzustellen, wenn auch tatsächlich liquidiert werden soll. Dies ist aber gerade nicht der Fall, wenn die übrigen Gesellschafter sich um eine Stabilisierungsmaßnahme bemühen. Für den Zeitpunkt der Wertermittlung ist auf das Datum der Beschlussfassung abzustellen.

vi. Der vom Ausschluss betroffene Gesellschafter hat nach h.M. kein Stimmrecht bei der Beschlussfassung, muss jedoch angehört werden.
Die §§ 7e, 7f und 8 WStBG gelten für GmbH entsprechend.

3.2 Kommanditgesellschaften

Die Aufnahme von Regelungen zur (GmbH & Co.) KG begründet der Gesetzgeber damit, dass bei Personengesellschaften grundsätzlich das Einstimmigkeitsprinzip gelte und verhindert werden solle, dass einzelne Minderheitsgesellschafter notwendige Rekapitalisierungsmaßnahmen verhindern. Deshalb sieht § 9b WStBG vor, dass bei Beschlüssen von Unternehmen der Realwirtschaft die über die Aufnahme des WSF als Kommanditist entscheiden, die einfache Mehrheit der am Beschluss teilnehmenden Gesellschafter genügt. Unklar bleibt, wieso dies nicht auch für Unternehmen des Finanzsektors gelten soll, denn allein § 9b WStBG enthält diese Einschränkung. Weitere Erleichterungen sind derzeit nicht vorgesehen.

4. Insolvenzordnung

Weitere Vereinfachungen ergeben sich im Insolvenzrecht. Nach § 17 WStBG können im Zusammenhang mit Stabilisierungsmaßnahmen stehende Rechtshandlungen nicht zu Lasten u.a. des WSF und des Bundes und den Rechtsnachfolgern, die die Rechte und Pflichten aus der privilegierten Forderung oder Sicherheit übernehmen, nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung angefochten werden. Auch Vorschriften über Gesellschafterdarlehen, insbesondere § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, sollen für diese Fälle nicht gelten. Darüber hinaus finden die Rechtsgrundsätze der verdeckten Sacheinlage keine Anwendung.

Der Gesetzgeber hat in Zeiten der Corona-Krise mit dem WStBG weitreichende Erleichterungen geschaffen, die er, vor allem im Bezug auf GmbH und Kommanditgesellschaften, jedoch noch nachbessern sollte. Es bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber auf die weitere Entwicklung der Krise reagiert.

Das WStFG und damit auch das WStBG ist online auf der Webseite des Bundesgesetzblatts zu finden.
Eine Synopse, die die Änderungen des WStBG zur letzten Fassung des FMStBG nachvollzieht, findet sich online unter: https://www.buzer.de/gesetz/8395/v237925-2020-03-28.htm

Wir haben alle mit der Corona-Krise in Verbindung stehenden rechtlichen Entwicklungen stets für Sie im Blick. Sprechen Sie gerne jederzeit einen unserer Experten an, wenn Sie Fragen in Bezug auf den Wirtschaftsstabilisierungsfonds oder die derzeitige Krise haben.

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