Der “Diskussionsentwurf” für das neue TKG

Geschrieben von

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Sven-Erik Heun

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Ich bin Partner in unserem Frankfurter Büro, spezialisiert auf Telekommunikations-, IT- und Datenschutzrecht. Seit 2015 bin ich Mitglied des internationalen Executive Committees der Kanzlei.

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Valerian Jenny

Senior Counsel
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Ich bin erfahrener Anwalt in den Bereichen Telekommunikation und Datenschutz.

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Dr. Simon Assion

Partner
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Spezialist für Informations- und Kommunikationsrecht

Das Bundeswirtschaftsministerium hat am 06.11.2020 im Rahmen einer Konsultation von Ländern und Wirtschaftsverbänden den ersten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Telekommunikationsrechts vorgelegt („TKMoG“).

In erster Linie soll dieses Gesetz das deutsche TKG an die EU-Richtlinie zum “Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation“ anpassen (Richtlinie (EU) 2018/1972 (nachfolgend „Kodex“ oder „EKEK“). Das TKMoG enthält dazu in seinem Artikel 1 eine komplette Neufassung des TKG (im Folgenden „TKG-E“). 

Als „Diskussionsentwurf“ wird der Entwurf bezeichnet, weil die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung zwischen den zuständigen Ressorts noch nicht abgeschlossen ist. Einige zentrale Punkte sind noch umstritten (dazu noch unten). Doch die Zeit drängt: Eigentlich wäre der Kodex bis 21.12.2020 umzusetzen, ein Ziel, das sich realistisch nicht erreichen lassen wird. Außerdem sind im Sommer oder Herbst des nächsten Jahres Bundestagswahlen, die letzten Sitzungswochen des Bundestags sind für den Juni geplant. Sollte das Gesetz nicht einmal dann verabschiedet sein, droht im Zuge von Diskontinuität, Regierungsbildung usw. eine massive Verzögerung, bei der ein Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens wohl frühestens Ende 2022 zu erwarten wäre.

Inhalte

Laut dem Vorspann des Entwurfs hat das TKMoG die folgenden Schwerpunkte:

  • Implementierung umfassender neuer Begriffsbestimmungen, insbesondere grundsätzliche Erweiterung des Anwendungsbereichs auf weitere Diensteanbieter,

  • Schaffung von regulatorischen Anreizen für den Ausbau von Netzen mit sehr hoher Kapazität,

  • Neuregelung der Marktregulierung, u.a. Regulierungsfreistellung für Ko-Investitions- und Kooperationsmodelle und Einführung einer symmetrischen Regulierung,

  • Verbesserung der Informationen über telekommunikationsrelevante Infrastrukturen,

  • Modernisierung der Frequenzverwaltung,

  • Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für den Ausbau von Netzen mit sehr hoher Kapazität,

  • Stärkung der Mitnutzungsrechte, auch für den Ausbau von Mobilfunknetzen,

  • Stabilisierung der Verbraucherrechte auf einem insgesamt hohen Niveau, mit verbesserten Kundenrechten in bestimmten Fällen,

  • Stärkung der Durchsetzbarkeit von Vorgaben zur staatlichen Förderung von Telekommunikationsnetzen, einschließlich der Einführung von Regelungen zum offenen Netzzugang und zur Verbindlichkeit von Markterkundungsverfahren,

  • Modernisierung des Universaldienstes, einschließlich der Verankerung eines Rechts des Einzelnen auf angemessene Versorgung mit Telekommunikationsdiensten,

  • Anpassung der Verpflichtungen im Bereich der öffentlichen Sicherheit an veränderte Bedürfnisse und technische Entwicklungen,

  • Integration und Anpassung an den veränderten Bedarf der Nachfrager der den Bereich Telekommunikation betreffenden Vorschriften des PTSG,

  • Neuregelung organisatorischer und verfahrensrechtlicher Fragen der Bundesnetzagentur,

  • Überarbeitung des Bußgeldregimes.

Nachfolgend stellen wir zu einigen Punkten, die uns besonders erwähnenswert scheinen, nähere Einzelheiten dar.

Anwendungsbereich

Neue Definitionen, erweiterter Anwendungsbereich
Wie vom EKEK bereits vorgegeben, verwendet auch der TKG-E eine neue Definition des Begriffs “Telekommunikationsdienst” und bildet dabei drei Unterkategorien: 

  1. den Internetzugangsdienst (§ 3 Nr. 22 TKG-E), 

  2. den interpersonellen Kommunikationsdienst (§ 3 Nr. 23 TKG-E) sowie den 

  3. Signalübertragungsdienst (§ 3 Nr. 58 lit. c TKG-E).

Die interpersonellen Kommunikationsdienstdienste sind aufgeteilt in nummerngebundene Dienste (§ 3 Nr. 34 TKG-E) und nummernunabhängige Dienste (§ 3 Nr. 37 TKG). Letztere sind die sog. OTT-Dienste, die mit diesem Gesetz neu in den Anwendungsbereich des Telekommunikationsrechts aufgenommen werden. Hierzu zählen u.a. die Messenger-Dienste, aber auch Internet-Telefonie und Videokonferenzdienste.

Im Ergebnis führt dies dazu, dass sich beim Anwendungsbereich des TKG vor allem zwei Aspekte ändern werden:

  • Zum einen wird der Anwendungsbereich vieler TKG-Vorschriften zukünftig deutlich feingranularer werden. Nicht alle Vorschriften gelten für alle TK-Dienste und -Netze. Vielmehr muss jeder Anbieter für seinen Dienst einzeln prüfen, welches „Pflichtenprogramm“ des TKG für ihn jeweils anwendbar ist.

  • Zum anderen erweitert sich der Anwendungsbereich von vielen TKG-Regelungen auf die OTT-Dienste, d.h. die nummernunabhängigen interpersonellen Kommunikationsdienste.

Reduktion des Anwendungsbereichs bei den „Mitwirkenden“
In einem wichtigen Punkt wird sich der Anwendungsbereich des TKG aber auch reduzieren: Das alte TKG hatte als „Anbieter“ eines Telekommunikationsdienstes auch solche Unternehmen behandelt, die beim Angebot des Dienstes nur eine untergeordnete Rolle hatten; die sog. „Mitwirkenden“ (vgl. § 3 Nr. 6 lit. b des noch geltenden TKG). In der Praxis war die Rolle des „Mitwirkenden“ vor allem für den Anwendungsbereich des TK-Datenschutzes, Fernmeldegeheimnisses und Überwachungspflichten relevant, denn diese Verpflichtungen bezogen sich ausdrücklich auch auf die Gruppe der Mitwirkenden. Ob das zukünftig so bleibt, ist noch offen (siehe dazu noch unten).

Nach neuem Recht werden ausschließlich die sog. „Erbringer“ als Telekommunikationsdiensteanbieter behandelt (§ 1 Nr. 1 TKG-E). Mit „Erbringer“ ist das Unternehmen gemeint, das gegenüber dem Leistungsempfänger die Verantwortung dafür übernimmt, dass der Dienst erbracht wird. 

In einigen Vorschriften des TKG, insbesondere bei der IT-Sicherheit (§ 162 TKG-E), wird es aber bei der Verpflichtung der „Mitwirkenden“ bleiben.

Präzisierung des räumlichen Anwendungsbereichs
Neu ist eine Regelung zum räumlichen Anwendungsbereich des TKG: Nach § 1 Abs. 2 TKG-E gilt das Gesetz für “alle Unternehmen oder Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes Telekommunikationsnetze betreiben oder Telekommunikationsdienste erbringen”.  

Die Regelung beruht nicht auf dem EKEK, ist aber letztlich nichts neues: Sie fasst lediglich das Marktortprinzip in Worte, das in Deutschland ohnehin der h.M. in der Literatur entspricht, und das die BNetzA in der Praxis auch bisher schon angewendet hat.

Spannend wird allerdings, wie die Aufsichtsbehörden die neue Regelung in der Praxis zum Einsatz bringen werden. Hier stellen sich zunehmend Rechtsfragen, insbesondere in Bezug auf grenzüberschreitend erbrachte OTT-Dienste und beim sog. Permanent Roaming, d.h. der dauerhaften Nutzung von ausländischen Telekommunikationsdiensten innerhalb von Deutschland (und umgekehrt).

Marktregulierung

Fortsetzung der asymmetrischen Regulierung, Verpflichtungszusagen und Ko-Investitionsangebote
Die Regelungen der Marktregulierung folgen grundsätzlich weiter dem Prinzip der sog. asymmetrischen Regulierung von sog. SMP-Unternehmen (SMP = Significant Market Power). Der asymmetrischen Regulierung unterfallen nur Unternehmen, die auf bestimmten Märkten, die von der BNetzA in einem gesonderten Verfahren als regulierungsbedürftig bewertet wurden, über beträchtliche Marktmacht verfügen. In diesem Punkt (und auch an den Verfahrensschritten zur Festlegung der regulierten Märkte) hat sich strukturell recht wenig geändert.

Geändert haben sich aber viele Details, die in erster Linie zur Beschleunigung des Netzausbaus dienen sollen und auf die wir nicht alle im Detail eingehen können. Eine der wichtigsten Änderungen ist aber die Möglichkeit, dass SMP-Unternehmen zukünftig gegenüber der BNetzA Verpflichtungszusagen abgeben zu können (§ 16 TKG-E). Dieses Instrument ist aus dem Kartellrecht entnommen. Unternehmen verpflichten sich dabei zu einem bestimmten Marktverhalten, die BNetzA nimmt dafür im Gegenzug Abstand von Regulierungsmaßnahmen.

Besonders kontrovers war schon beim Gesetzgebungsverfahren für den EKEK die Variante der Ko-Investitionsangebote. Nimmt ein Wettbewerber das Angebot an, kann dies zu einer Entlassung aus der Zugangsregulierung führen (siehe näher § 11 Abs. 4 TKG-E). 

Ausweitung der symmetrischen Marktregulierung
Ausweiten wird der neue TKG-E die sog. symmetrische Marktregulierung, d.h. die Anwendung von Marktregulierungsvorschriften auf Unternehmen ohne beträchtliche Marktmacht. 

Die BNetzA kann in diesem Bereich einigen Unternehmen Zugangsverpflichtungen auferlegen, u.a. in Bezug auf Unternehmen, die den Zugang zu Endnutzern (§ 19 Abs. 1 TKG-E) oder zu schwer replizierbaren Netzelementen kontrollieren (§ 20 TKG-E). 

In die Kategorie der symmetrischen Regulierung (im weiteren Sinn) fällt außerdem die Möglichkeit der BNetzA, Anbieter nummernunabhängiger interpersoneller Kommunikationsdienste dazu zu verpflichten, ihre Dienste zu anderen Diensten interoperabel zu machen (§ 19 Abs. 2 TKG-E). 

Verbraucher- und Kundenschutz 

Ausweitung auf OTT-Dienste
Neu in den Kunden- und Verbraucherschutzvorschriften des TKG-E ist vor allem, dass viele dieser Regelungen nun auch auf die Anbieter von nummernunabhängigen interpersonellen Kommunikationsdiensten anwendbar sein werden, d.h. auch auf Messenger-, Internettelefonie- und Videokonferenzdienste. 

Erweiterte Transparenzvorschriften
Im Bereich des Kundenschutzes enthält der TKG-E außerdem vor allem erweiterte Transparenzvorschriften, insbesondere in Bezug auf:

  • die Veröffentlichung von Mindestinformationen über die angebotenen Dienste (§ 50 TKG-E), 
  • eine Vertragszusammenfassung, die ein Anbieter einem Verbraucher vor Vertragsschluss zur Verfügung stellen muss (§ 52 TKG-E), 
  • die Verträge selbst (§ 53 TKG-E) und
  • Rechnungen (§ 60 TKG-E).

Neue Regelung zu Vertragsänderungen
§ 55 TKG-E bringt eine auf Art. 105 des EKEK beruhende Regelung zu Vertragsänderungen. Diese erlaubt einerseits Diensteanbietern einseitige Vertragsänderungen, sieht andererseits aber Sonderkündigungsmöglichkeiten für Endnutzer vor. Die Regelung könnte womöglich gegenüber der aktuellen Rechtslage eine Erleichterung bringen.

Die „alten“ Kundenschutzregelungen bestehen weiter
Wie auch das alte TKG enthält auch der TKG-E spezielle Regelungen zur Entstörung (§ 56 TKG-E), zum Anbieterwechsel (§ 57 TKG-E), zum Umzug des Verbrauchers (§ 58 TKG-E) und zur Sperrung des Dienstes für den Nutzer. Hier wurden die Sperren zum Schutz des Nutzers und Sperren wegen Zahlungsverzug in einer Vorschrift zusammengefasst (§ 59 TKG-E). 

Außerdem gibt es weiterhin auch Regelungen zur Abrechnungsgenauigkeit (§ 61 TKG-E), zu Beanstandungen durch die Endnutzer (§ 65 TKG-E) und zur Schlichtung durch die BNetzA (§ 66 TKG-E).

Relativ wenig geändert hat sich bei den Regelungen zur sog. „Routerfreiheit“, d.h. zum Anschluss von Kundengeräten an Netzanschlusspunkte (§§ 70, 71 TKG-E). 

Frequenzordnung

Die Frequenzordnung gehört zu den Teilen, die im TKG-E besonders umfassend revidiert wurden. 

Neuer Katalog von Zielen der Frequenzordnung
Dem Teil 6 wird dazu einleitend ein umfassender Katalog von Zielen und Zwecken vorangestellt, was auf den EKEK zurückgeht. Die Trias der Maßnahmen aus Frequenzplanung, Frequenzzuteilung und Überwachung von Frequenznutzungen bleibt dabei aber bestehen. 

Neuregelung zur Befristung und Verlängerung von Frequenzvergaben
Ebenfalls veranlasst durch den EKEK wird das Thema der Befristung und Verlängerung von Frequenznutzungsrechten in § 89 TKG-E ausführlich geregelt. Die Frequenzvergabe war in der Vergangenheit ein ausgesprochen konfliktträchtiges Thema, zu dem eine beachtliche Anzahl obergerichtlicher Entscheidungen vorliegt. Bei Sichtung des Entwurfs kann man sich bereits vorstellen, wo im Vorfeld der schon absehbaren nächsten Frequenzvergabeverfahren die Argumentationslinien verlaufen werden.

Befremdliche Neuformulierung bei den Vergabekriterien
Etwas befremdlich liest sich die Regelung in § 97 Abs. 1 Sätze 2 und 3 TKG-E, die auf Art. 55 Abs. 2 EKEK zurückgeht. Wo es in § 61 Abs. 3 Satz 1 TKG bislang hieß, mit dem Vergabeverfahren solle festgestellt werden, wer der oder die am besten geeignete(n) Bewerber ist bzw. sind, wird nun dem Regulierer aufgegeben, die Ziele des Verfahrens anhand mehrerer Kriterien festzulegen. Geht es also nicht mehr um eine Bestenauslese? Würde diese Regelung so verabschiedet werden, müsste man sie wohl dahingehend deuten, dass sie Kriterien und Aspekte ausformulieren will, anhand derer die bestgeeigneten Bewerber festgestellt werden sollen. Vor allem bei Ausschreibungsverfahren kann dies aber zu Friktionen führen, weil dort laut § 97 Abs. 6 TKG-E ein Kriterienkatalog für die Auswahl aufgestellt ist, der nicht vollständig kongruent zu den Zielen des Abs. 1 Sätze 2 und 3 zu sein scheint.

Neue wettbewerbsfördernde Maßnahmen
Neu ist § 102 TKG-E, der eine Reihe von Maßnahmen aufzählt, mithilfe derer der Wettbewerb gefördert werden soll. Manche davon, wie etwa die mengenmäßige Begrenzung von zu erwerbendem Spektrum oder die frequenzregulatorische Fusionskontrolle, hatte die BNetzA auch schon bislang praktiziert oder zumindest versucht. Eine Reservierung von Spektrum für Neueinsteiger wäre aber hierzulande echtes Neuland und könnte bei den nächsten Vergabeverfahren zu Konflikten führen.

Neu sind auch die Regelungen zu lokalem Roaming und Zugang zu aktiven Funkinfrastrukturen in § 103 TKG-E, die auf Art. 61 des EKEK beruhen. Diese werden voraussichtlich erst mittelfristig Bedeutung erlangen. Entsprechende Pflichten kann die BNetzA den Unternehmen nämlich erst auferlegen, wenn dies bereits bei der Frequenzvergabe vorgesehen war (§103 Abs. 1 Nr. 4 TKG-E). Dieser auch in Art. 61 EKEK vorgesehene Bestandsschutz führt dazu, dass diese Pflichten nur bei zukünftig vergebenen Frequenzen mittels dieser Rechtsgrundlage auferlegt werden können.

Die letzte Vergabeentscheidung der BNetzA (Präsidentenkammerentscheidung vom 26.11.2018 zum Vergabeverfahren 2019) enthielt allerdings bereits einige ähnlich geartete Auflagen, die derzeit von den Mobilfunknetzbetreibern gerichtlich angefochten werden.

Neuregelung bei Frequenzgebühren
Versteckt in Art. 55 des TKMoG Entwurfs gibt es eine Neuigkeit zum Thema Gebühren. Danach soll für Frequenzzuteilungsgebühren eine Zahlung in jährlichen Raten eingeführt werden. Und beim vorzeitigen Verzicht auf Frequenzen soll zumindest eine Aussicht bestehen, bereits gezahlte Gebühren zurückzuerhalten, wenn mit der Rückgabe der Weg für effizientere Nutzungen frei wird. Die Regelung steht in einem gesonderten Artikel des TKMoG (Art. 55), ist also noch nicht Teil des TKG-E, der nun unmittelbar in Kraft treten soll. Vielmehr soll diese Änderung erst am 21.10.2021 in Kraft treten. Warum diese Änderung nicht gleichzeitig mit dem TKG-E gelten soll, verrät die Begründung des Entwurfs jedoch nicht. 

Noch offen: Umgang mit Behördenfunk
Noch in der Diskussion (und demzufolge im aktuellen „Diskussionsentwurf“ noch nicht ausformuliert) sind einige Wünsche in Bezug auf die Frequenzvergabe für öffentliche Behörden. Diese sind von Wünschen des Innenministeriums bzw. der BDBOS motiviert (die BDBOS ist die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben).

Infrastruktur, Netzausbau und Wegerechte

Wegerechte
Die Regelungen zur Übertragung des Wegerechts sind in § 122 TKG-E enthalten. Die Vorschrift bringt keine durchschlagenden Änderungen oder Erleichterungen. Dies ist insofern misslich, als kleinere Anbieter und auch Investoren hier doch an der Umständlichkeit des Verfahrens leiden. Die seitens der BNetzA in ständiger Praxis gestellten Anforderungen passen nicht gut zu den Gepflogenheiten der lokalen Ausbauprojekte und der Investmentfonds, die diese unterstützen. 

§ 124 Abs. 4 TKG-E schlägt eine Vereinfachung für „geringfügige individuelle Baumaßnahmen“ vor: Nach dieser Vorschrift können Nutzungsberechtigte zukünftig die Zustimmung des Wegebaulastträgers für kleinere Maßnahmen in einem Anzeigeverfahren einholen. Wenn der Wegebaulastträger nicht binnen eines Monats nach Eingang der Anzeige den Nutzungsberechtigten zur Antragstellung auffordert, gilt seine Zustimmung als erteilt. Eine offene Flanke dieser Regelung ist allerdings, dass ihre Umsetzung voraussetzt, dass Wegebaulastträger in Verwaltungsvorschriften definieren, was eine „geringfügige Maßnahme“ sein soll. 

Für einige Rechtssicherheit dürfte § 124 Abs. 5 TKG-E sorgen: Nach dieser Vorschrift soll die behördliche Genehmigung der Verlegung oder Änderung einer Telekommunikationslinie zukünftig beschränkte Konzentrationswirkung haben, indem sie etwa nötigen Entscheidungen nach Naturschutzrecht, Wasserhaushaltsrecht, Straßenverkehrsrecht und Denkmalschutzrecht mit umfasst.

Mitbenutzungsrechte für öffentliche Versorgungsnetze bleiben
Die aktuell in §§ 77a bis 77p TKG enthaltenen Regeln zur Mitnutzung öffentlicher Versorgungsnetze finden sich in §§ 133 bis 148 TKG-E wieder. Sie beruhen weitgehend auf der unverändert fortgeltenden Kostenreduzierungsrichtlinie 2014/61/EU, die ihrerseits mit dem DigiNetz-Gesetz in das TKG transformiert worden war. 

Änderungen bzw. Verschärfungen ergeben sich insoweit lediglich im Bereich der Entgeltprüfung nach § 146 TKG-E sowie in der Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Trägerstrukturen für den 5G Mobilfunkausbau.

Nummerierung

Nummernverwaltung
Bei der Nummernverwaltung im engeren Sinne bringt der TKG-E in den §§ 105 und 120 außer weltweit nutzbaren Nummern für Machine-to-Machine (dazu gleich unten) kaum Neues.

Die bereits im geltenden Recht vorhandenen verbraucherschützenden Nummerierungsvorschriften (z.B. zu Preisangaben und Warteschleifen) finden sich auch im TKG-E. Allerdings wird die bislang praktizierte Differenzierung zwischen Festnetz und Mobilfunk aufgegeben. Dies ist Konsequenz des sich ändernden Nutzungsverhaltens auf Seiten der Teilnehmer. 

Weltweit nutzbare Nummern für „Permanent Roaming“
Erwähnenswert ist, dass § 105 Abs. 2 des TKG-E nun eine spezielle Kategorie von Nummern vorsieht, die für die dauerhafte Nutzung im Ausland gedacht ist (Permanent Roaming). Diese Nummern sind zwar deutsche Nummern, d.h. die BNetzA vergibt diese an deutsche Diensteanbieter nach dem deutschen Nummernplan, sie sind aber für die Nutzung außerhalb Deutschlands gedacht. Der Gesetzgeber reagiert damit auf die Bedürfnisse von IoT-Anbietern, deren vernetzte Geräte häufig nicht nur innerhalb Deutschlands Konnektivität benötigen, sondern in ganz Europa oder sogar weltweit. Häufig steht bei der Produktion oder Auslieferung dieser Geräte noch gar nicht fest, wo die Kunden sie letztlich einsetzen.

Die deutschen Regelungen beruhen auf Art. 93 Abs. 4 und 94 Abs. 6 des EKEK, gehen aber über diesen hinaus, denn der deutsche Gesetzgeber lässt die exterritoriale Nutzung dieser Nummern nicht nur in der EU, sondern weltweit zu. Zulässig sind diese Nummern aber nur für nicht-interpersonelle Dienste, d.h. die Machine-to-Machine-Dienste.

Die Tatsache, dass deutsche Nummern dauerhaft in ausländischen Telekommunikationsnetzen genutzt werden, führt zu rechtlichen Herausforderungen. Wie soll die örtliche Regulierungsbehörde darauf reagieren, wenn die betreffende Nummer im Ausland für rechtswidrige Zwecke genutzt wird? Auf diese Frage gibt der TKG-E nur eine rudimentäre Antwort: Gem. § 120 Abs. 6 TKG-E vergibt die BNetzA die exterritorial nutzbaren Nummern unter „bestimmte[n] Bedingungen“, mit denen sie die Einhaltung des ausländischen Rechts sicherstellen soll. Im Fall einer Kontaktaufnahme der ausländischen Regulierungsbehörde setzt sie diese Bedingungen gegenüber dem Nummerninhaber dann auch durch.

Versorgungsverpflichtungen (Universaldienst)

Der Entwurf des neuen TKG vermeidet das Wort „Universaldienst“, bleibt in der Grundstruktur aber bei dem Universaldienstregime des geltenden Rechts. Der TKG-E spricht nun von einem „Recht auf Versorgung mit Telekommunikationsdiensten“.

Zu den politisch umstrittensten Vorhaben gehört die Ausweitung dieses Versorgungsrechts auf einen „schnellen Internetzugangsdienst“ (§ 154 Abs. 2 und 3 TKG-E). Wenn in diesem Bereich eine Unterversorgung auftritt, kann die BNetzA ausgewählte Anbieter zur Versorgung verpflichten (§ 158 Abs. 2 TKG-E). 

Öffentliche Sicherheit und Telekommunikationsüberwachung

Noch keine Einigung bei vielen zentralen Punkten
Der Bereich der öffentlichen Sicherheit, also z.B. der Vorratsdatenspeicherung und den verschiedenen Arten der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) war auch schon vor Inkrafttreten des EKEK politisch sehr umstritten. In diesem Bereich hat der deutsche Gesetzgeber auch weitgehend „freie Hand“, weder der EKEK noch die ePrivacy-RL der EU geben hier sehr enge Regeln vor. Lediglich aus der EU-Grundrechtecharta ergeben sich Grenzen für das „ob“ und „wie“ von Überwachungsmaßnahmen.

Die Regelungen in diesem Bereich waren einer der Gründe dafür, dass sich die Veröffentlichung des „Diskussionsentwurfs“ so stark verzögert hat.

Und auch jetzt beginnt dieser Abschnitt im Gesetzesentwurf mit einem längeren „Disclaimer“, laut dem die Ministerien sich u.a. zu folgenden Punkten noch nicht geeinigt haben:

  • „Kreis der erfassten Kommunikationsdienste,

  • Verpflichtung von Erbringern von Telekommunikationsdiensten im Inland hinsichtlich der juristischen Erreichbarkeit,

  • gesetzliche Normierung des Marktortprinzips,

  • Erreichbarkeit der Telekommunikationsdienstleister,

  • Anforderungen zur Offenlegung und Interoperabilität von Schnittstellen von Netzkomponenten einschließlich einzuhaltender technischer Standards“.

Hintergrund des Streits ist offensichtlich in erster Linie der Umgang mit Messengerdiensten. Da diese zukünftig als Telekommunikationsdienste gelten werden, werden sie auch in den Anwendungsbereich der Vorschriften zur TKÜ mit einbezogen. Die Anbieter dieser Dienste sind allerdings häufig nicht in Deutschland niedergelassen, und die unmittelbare Anordnung von Telekommunikationsüberwachung gegen solche Anbieter gerät in Konflikt zum völkerrechtlichen Souveränitätsgebot.

Es bleibt beim „Doppeltürprinzip“
Im Übrigen folgt das TKG dem bei der TKÜ bereits etablierten Doppeltürprinzip: Das TKG verpflichtet die Diensteanbieter zur Auskunftserteilung bzw. Mitwirkung an Überwachungsmaßnahmen; die Ermächtigung der „berechtigten Stellen“ (d.h. der Sicherheitsbehörden) zur Durchführung von Überwachungsmaßnahmen richtet sich aber nach Spezialgesetzen wie z.B. der StPO.

Die zentralen Vorschriften zu den Mitwirkungspflichten sind:

  • Technische Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen: § 167 TKG-E,

  • Vorratsdatenspeicherung von Bestandsdaten nebst Prüfpflicht bei Prepaid-Verträgen: § 169 TKG-E,

  • Automatisiertes Auskunftsverfahren in Bezug auf Bestanddaten: § 170 TKG-E,

  • Manuelles Auskunftsverfahren: § 171 TKG-E (im „Diskussionsentwurf“ noch unfertig) und

  • Vorratsdatenspeicherung von Verkehrsdaten: §§ 173-178 TKG-E (weitestgehend unverändert).

In einigen Aspekten baut der TKG-E die Überwachungsbefugnisse der „berechtigten Stellen“ (d.h. der deutschen Sicherheitsbehörden) noch einmal aus. Konkret will der Entwurf beispielsweise ausländische Anbieter dazu verpflichten, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, an den dann Auskunfts- und Überwachungsanordnungen direkt zugestellt werden können (§ 167 Abs. 3 TKG-E). Außerdem sollen die Betreiber von Mobilfunknetzen dulden müssen, dass „berechtigte Stellen“ in ihren Netzen eigene Telekommunikationsanlagen einsetzen, um z.B. Standortdaten von Endnutzern zu ermitteln (§ 168 TKG-E).

Insgesamt wirken die Vorschriften in diesem Abschnitt des TKG-E überkomplex, wenn nicht sogar verworren. Hier ist der Gesetzgeber offenbar dem Credo von Bundesinnenminister Seehofer gefolgt, man müsse Sicherheitsgesetze absichtlich kompliziert machen – „dann fällt es nicht so auf“.

IKT-Sicherheit

In Bezug auf die IT-Sicherheit enthält der TKG-E insgesamt fünf sehr umfangreiche Paragrafen (§§ 162-166). Gegenüber der Version des Referentenentwurfs, der im Sommer auf dem Weblog Netzpolitik.org geleakt war, sind diese Vorschriften des IKT-Sicherheitsrechts dabei noch einmal deutlich umfangreicher geworden.

In dem Entwurf findet sich die Aussage, dass die betreffenden Vorschriften insgesamt auf dem „IT-Sicherheitsgesetz 2.0“ basieren würden, d.h. einer parallellaufenden Gesetzgebungsinitiative, die neben dem TKG auch andere Gesetze ändern soll. Allerdings hat die TKG-Novelle zeitlich das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 nun offenbar überholt, weshalb die betreffenden Vorschriften nun im Rahmen der TKG-Novelle erstmals offiziell veröffentlicht wurden.

Die Vorschriften gehen weit über ihre europarechtlichen Grundlagen (Art. 40 und 41 EKEK, Art. 4 ePrivacy-RL) hinaus. Während diese EU-Vorschriften insgesamt den TK-Anbietern viel Freiheit lassen wollen, sind die deutschen Vorschriften sehr restriktiv und weisen den deutschen Sicherheitsbehörden sehr umfangreiche Befugnisse zu. Hier hat offensichtlich das Bundesinnenministerium die Federführung übernommen.

Die wichtigsten Neuerungen zur IKT-Sicherheit im TKG-E sind:

  • Der TKG-E führt die neue Kategorie der „Telekommunikationsnetze mit erhöhtem Gefährdungspotenzial“ ein. Deren Betreiber unterliegen einer Reihe von zusätzlichen Pflichten, darunter die Pflicht, alle zwei Jahre die eigene IKT-Sicherheit extern überprüfen zu lassen (§ 162 Abs 3 TKG-E).

  • TK-Netzbetreiber und Diensteanbieter dürfen als „kritische Komponenten“ i.S.d. § 2 Abs. 13 des BSI-G nur solche Systeme einsetzen, die vorher von anerkannten Stellen geprüft und zertifiziert wurden (Der Verweis auf § 2 Abs. 13 des BSI-G führt derzeit noch ins Leere, der TKG-E antizipiert hier bereits das IT-Sicherheitsgesetz 2.0.).

  • Der „Katalog von Sicherheitsanforderungen“, den die BNetzA festlegt, soll zukünftig verbindlich werden (§ 164 Abs. 2 TKG-E). Die BNetzA hat eine Version 2.0 dieses Sicherheitskatalogs bereits fast fertig gestellt und auf ihrer Homepage veröffentlicht. Die Anforderungen nach diesem Katalog sind durchaus streng und zukünftig genau umzusetzen.

Insbesondere auf die Betreiber von Netzen mit hohem Sicherheitsbedarf, speziell die 5G-Kernnetze, kommen also erhebliche neue Rechtspflichten zu.

Im Übrigen bleibt es (für alle Anbieter) bei den bereits bestehenden Pflichten: Jeder Anbieter eines öffentlich zugänglichen TK-Dienstes bzw. öffentlichen TK-Netzes muss einen Sicherheitsbeauftragten ernennen und ein Sicherheitskonzept mit angemessenen Sicherheitsmaßnahmen ausarbeiten (§ 163 TKG-E). Neu ist allerdings, dass diese Regelungen zukünftig auch auf die OTT-Dienste Anwendung finden werden.

Auch die Regelungen zur Mitteilungspflicht bei Sicherheitsvorfällen sind mit vergleichsweise wenigen Änderungen in den TKG-E übernommen worden. Im neuen Entwurf regelt nun § 165 TKG-E eine Pflicht zur Mitteilung von Sicherheitsvorfällen, die die Netz- und Betriebssicherheit betreffen; § 166 TKG-E regelt die Pflicht zur Mitteilung bei der Gefährdung von personenbezogenen Daten. Beide Vorschriften sind zwar getrennt voneinander geregelt, dürften in der Praxis häufig aber gleichzeitig „ausgelöst“ werden, beispielsweise durch Ransomware-Angriffe. Zumindest die Meldepflicht in Bezug auf personenbezogene Daten verdrängt dabei außerdem als lex specialis auch die Meldepflichten nach den Art. 33 und 34 DSGVO, was die Rechtslage zusätzlich verkompliziert, zumal die Thematik daneben auch von der Verordnung (EU) 611/2013 geregelt wird, welche jedenfalls bei Widersprüchen dem deutschen Recht vorgeht.

Datenschutz und Fernmeldegeheimnis

Regelungen zum Datenschutz und Fernmeldegeheimnis sind im neuen TKG-E insgesamt nicht enthalten. Der Grund hierfür ist, dass der Gesetzgeber weiterhin plant, diese Vorschriften in ein neues Gesetz „auszulagern“: Das Telekommunikations-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG).

Obwohl dieses TTDSG mit dem TKG auch zukünftig eng verbunden sein wird – u.a., weil beide Gesetze an dieselben Definitionen anknüpfen und durch dieselben Behörden durchgesetzt werden – ist es im hiesigen „Diskussionsentwurf“ noch nicht enthalten. Das ist etwas misslich, weil beide Gesetze zeitlich gesehen gleichzeitig in Kraft treten müssen, denn das TTDSG soll ja an die Stelle von Vorschriften aus dem alten TKG treten.

Gleichwohl war über dieses TTDSG bereits im Sommer 2020 ein früher Referentenentwurf durchgesickert. Diesen Entwurf hatten wir damals kommentiert.

Durchsetzungsbefugnisse der BNetzA

Durch den TKG-E werden die Rechtsdurchsetzungsbefugnisse der BNetzA noch einmal etwas ausgebaut, beispielsweise kann die BNetzA zukünftig noch mehr Informationen anfordern und auswerten. Grundlegende Änderungen gibt es aber, soweit ersichtlich, nicht.

Auch der Bußgeldrahmen in § 225 TKG-E entspricht weitgehend dem derzeitigen § 149 TKG. In einigen Bereichen führt der Entwurf neue Bußgeldvorschriften ein oder hebt den Bußgeldrahmen an. Bemerkenswert ist, dass der Entwurf speziell den Bußgeldrahmen bei der Netzneutralität und beim Roaming anheben will, weil die Praxis gezeigt habe, dass der aktuelle Bußgeldrahmen dazu von bis zu 500 000 Euro nicht ausreichend sei, um fortgesetzte Verstöße zu unterbinden.

Wie geht es nun weiter?

Der den Ländern und Verbänden zugeleitete Entwurf ist ausdrücklich als „Diskussionsentwurf“ bezeichnet und zwischen den Bundesministerien noch nicht final abgestimmt. Dies passt zum bisherigen Verlauf des Gesetzgebungsprozesses: Der war wegen Uneinigkeit zwischen den zuständigen Ministerien ins Stocken geraten und hatte sich um mehrere Monate verzögert.

Theoretisch soll es nun umso schneller gehen: Die Stellungnahmefrist der Anhörung zum „Diskussionsentwurf“ beträgt nur zwei Wochen und soll schon am 20.11.2020 wieder ablaufen. 

Sobald die Ministerien danach ihre Streitpunkte beigelegt haben, wird das Bundeskabinett den Entwurf beschließen und damit offiziell den Gesetzgebungsprozess beginnen. Bis das neue TKG dann den gesamten Gesetzgebungsprozess in Bundestag und Bundesrat durchlaufen hat, werden sicherlich noch mehrere weitere Monate vergehen. Die Frist zur Umsetzung des EKEK (21.12.2020) ist damit keinesfalls zu halten und wird um mindestens ein Quartal, wenn nicht sogar ein halbes Jahr oder länger verfehlt werden.

Erschwerend (und verlangsamend) kommt hinzu, dass das Gesetzgebungsverfahren des TKG äußerst eng mit zwei weiteren Gesetzgebungsverfahren verknüpft ist, nämlich mit den Verfahren zum TTDSG und zum „IT-Sicherheitsgesetz 2.0“. Diese beiden Gesetze sind bislang aber noch nicht einmal als „Diskussionsentwurf“ veröffentlicht worden, sondern lediglich als „Leak“ durchgesickert. Wenn diese beiden Verfahren nicht ebenfalls zeitnah vorankommen, wird dies auch das neue TKG voraussichtlich ausbremsen.

In erster Linie geht es für die Bundesministerien aber nun darum, zu den bislang noch (offenbar massiv) umstrittenen Fragen eine Lösung zu finden, die seit Monaten im Raum stehen und noch nicht geklärt werden konnten. Dies betrifft u.a. die folgenden Punkte:
 
  • Zukunft des sog. „Nebenkostenprivilegs“ für TV-Kabelanschlüsse – energisch bekämpft von Verbraucherverbänden als sog. „Zwangsverkabelung“;

  • Die Frage, wie schnell der Internetzugang sein muss, der zukünftig zur Grundversorgung (Universaldienst) gehören soll;

  • Die Frage, wie nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste (insb. Messenger-Dienste) zukünftig verpflichtet werden sollen, an Überwachungsmaßnahmen mitzuwirken;

  • Ausgestaltung der Bußgeldvorschriften;

  • Die Forderung des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz, die Höchstlaufzeit von Verträgen auf 12 Monate, statt der vom Kodex vorgesehenen und bisher geltenden 24 Monate zu beschränken.

Einige der Punkte dürften sich politisch lösen lassen. In anderen Punkten sind aber schlicht noch „dicke Bretter“ zu bohren, wie etwa bei der Frage der Mitwirkungspflichten von Messengerdiensten an der Telekommunikationsüberwachung. Hier stellt sich insbesondere die Frage, wie mit der bei diesen Diensten häufig eingesetzten Ende-zu-Ende-Verschlüsselung umgegangen werden soll. 

Bewertung

Das erste TKG von 1996 hat den Telekommunikationsmarkt dem Wettbewerb geöffnet. Das Monopol des Nachfolgeunternehmens der Deutschen Bundespost, der Deutschen Telekom AG, wurde aufgehoben. Die neu in den Markt eintretenden Anbieter von Telekommunikationsdiensten sowie Betreiber von Telekommunikationsnetzen benötigten für den Markteintritt jedoch eine Lizenz, es galt also ein (präventives) Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Die Lizenz zu erhalten war vor allem zu Beginn kein Kinderspiel und mit in der Rückschau irrwitzig anmutenden siebenstelligen Lizenzgebühren verbunden, die richtigerweise vor Gericht keinen Bestand hatten. Dafür benötigte das TKG-1996 einhundert Paragrafen, die allerdings auch eine ganze Reihe von Verordnungsermächtigungen enthielten.

Nach acht Jahren kam mit dem TKG-2004 der nächste Schritt der Marktöffnung. Die Lizenzpflicht entfiel und wurde durch eine Anzeigepflicht ersetzt. In den Kategorien des Wirtschaftsverwaltungsrechts wurde mithin das Telekommunikationsgeschäft von einer besonders überwachungsbedürftigen Tätigkeit zu einem schlichten Gewerbe herabgestuft. Ein nicht zu unterschätzender Liberalisierungsschritt. Zu den weiteren Liberalisierungsmaßnahmen gehört eine Erleichterung der Regulierung des Incumbents; beispielsweise wurden viele Entgelte und vor allem die für Retail-Kunden aus der Entgeltregulierung entlassen. Diese Liberalisierung ging allerdings nicht mit einer Reduktion des Regelwerks einher. Im Gegenteil: das TKG legte auf gut 150 Paragrafen zu.

Das nächste TKG verspricht mit seinen bisher 227 Paragrafen, die Zuwachsrate von 50% mehr Normtext je großer Reform zu halten. Durchgreifende Liberalisierungsschritte oder Reformen wie in den zwei vorigen Gesetzeswerken enthält es aber nicht. Nicht zuletzt, weil die großen Schritte bereits getan sind. Das nächste TKG dient also eher der Nachjustierung des Regulierungsrahmens. Dass das Gesetz dabei an Länge zunimmt, liegt daran, dass diese Justierung vielfach in Details erfolgt und auch daran, dass der umzusetzende Kodex selbst kein Normwerk ist, dem man übertriebene Wortkargheit vorwerfen könnte.

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