Auswirkungen von Covid-19 auf die Projektfinanzierung – Aus der Perspektive des deutschen Rechts

Während Covid-19 weiterhin Schockwellen durch die Wirtschaft schickt, bereiten sich die Entwickler von Projektfinanzierungen darauf vor, auf turbulente Zeiten zuzusteuern. Für die vielfältigen Herausforderungen der Krise sind Lösungen erforderlich - seien es die Auswirkungen auf laufende Projekte im Rahmen bestehender Dokumentierung, potenzielle Projektverzögerungen oder die daraus resultierende Notwendigkeit, Entwicklungskapital anders zu verwalten.

Die Auswirkungen sind nicht auf einen einzelnen Industriezweig beschränkt - egal, ob es sich um den Luftfahrt-, den Eisenbahn- oder den Energiesektor handelt: Die derzeitige Abschaltung des öffentlichen Lebens wirkt sich auf jeden, wenn nicht gar auf jeden Sektor gleichermaßen aus.

Um mit den Auswirkungen der Krise umzugehen, ist es wichtig, die entstehenden rechtlichen Risiken sowie die wirtschaftlichen Folgen zu erkennen und gleichzeitig die Geschäftsbeziehungen aufrechtzuerhalten. Um diesen Spagat zu schaffen, sollte zeitnah und pragmatisch der Dialog mit den Betroffenen gesucht und durch rechtlich begleitete Verhandlungen schadensmindernde Lösungen gefunden werden.

Im Folgenden gehen wir kurz auf die häufigsten Fragen ein, die sich aus der Krise ergeben, die wir in den letzten Wochen beobachtet haben. Da die Ereignisse dynamisch sind und sich weiterentwickeln, aktualisieren wir die entsprechenden Abschnitte und formulieren Lösungen für die Probleme, sobald sie auftreten.

1. Umgang mit dem Stillstand - Auswirkungen auf die vertraglichen Leistungsverpflichtungen

Staatlich auferlegte Beschränkungen zur Bekämpfung der Krise und die daraus resultierende Unfähigkeit der Vertragspartner, Leistungsverpflichtungen wie Lieferung und Wartung zu erfüllen, können die Finanzierungsstrukturen des Projekts durch mögliche Verzögerungen gefährden und somit zu einem Zusammenbruch des prognostizierten Cashflows des Projekts führen.
Dies führt zu der Frage, wie eine mögliche Verzögerung rechtlich zu bewerten ist.

1.1 Vertragliche Lösungen: Klauseln über höhere Gewalt

Der Rechtsbegriff der höheren Gewalt ist kein originärer Teil des deutschen Zivilrechts. Die Höhere Gewalt hat ihren Ursprung im napoleonischen Code Civil und wurde daraus ins deutsche Recht übernommen. Im deutschen (wie auch im englischen) Recht wird dieser Begriff in Handelsverträgen häufig durch die Aufnahme einer Klausel über höhere Gewalt angewendet, die die Parteien vor den Auswirkungen unvorhergesehener Ereignisse oder Umstände schützen soll.

Falls anwendbar, setzt die Klausel über höhere Gewalt die betroffene Verpflichtung in der Regel aus. Dies bedeutet, dass die entsprechenden Verpflichtungen nicht völlig aufgehoben, sondern für die Dauer des Ereignisses höherer Gewalt ausgesetzt werden. Es wird davon ausgegangen, dass die betroffene Partei mit ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht in Verzug geraten ist, in der Regel so lange, wie die Fähigkeit zur Erfüllung dieser Verpflichtungen durch das Ereignis höherer Gewalt beeinträchtigt ist.

Normalerweise bestehen Bestimmungen über höhere Gewalt aus zwei Elementen, die erfüllt sein müssen, damit die Bestimmung anwendbar ist: eine absolute und eine relative Komponente.

Höhere Gewalt - absolute Komponente

Die absolute Komponente besteht typischerweise aus einem äußeren Ereignis, das weder vorhersehbar noch den Parteien zuzuschreiben ist und nicht durch übliche Maßnahmen verhindert werden kann. Die meisten Verträge sehen eine nicht erschöpfende Aufzählung solcher Ereignisse vor und schließen solche Ereignisse wie Kriegshandlungen, Embargos, Blitzschläge usw. ein. Solche Kataloge enthalten regelmäßig Ereignisse wie "Krankheiten", "Epidemien" oder "Pandemien".

Für die Frage, ob Covid-19 unter eine Bestimmung über höhere Gewalt fällt, ist zunächst der Wortlaut der betreffenden Klausel entscheidend. Aber auch wenn Ereignisse, die die Gesundheit der Bevölkerung betreffen, nicht ausdrücklich erfasst werden, ist für den absoluten Bestandteil relevant, dass das Ereignis keiner der Parteien zuzurechnen ist. Dies ist bei Epidemien regelmäßig der Fall (zum SARS-Virus siehe Amtsgericht Augsburg, Urteil vom 09.11.2004; zu Covid-19 gibt es derzeit noch keine Gerichtsentscheidung).

Höhere Gewalt - relative Komponente

Schwieriger zu beurteilen ist, ob auch die relative Anforderung der Klausel über höhere Gewalt erfüllt ist. Auch wenn die aktuelle Situation nach der Bestimmung über höhere Gewalt als Katalogereignis eingestuft werden kann, verlangen die Bestimmungen über höhere Gewalt zur konkreten Anwendung auf eine vertragliche Verpflichtung regelmäßig, dass das Ereignis die betroffene Partei tatsächlich daran hindert, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, sei es ganz, teilweise oder fristgerecht.

Diese relative Komponente der typischen Bestimmung über höhere Gewalt erfordert eine individuelle Einzelfallbeurteilung.

Insbesondere im Rahmen der dynamischen Entwicklung und des sich ständig weiterentwickelnden Maßnahmenkatalogs der Regierungen ist eine Beeinträchtigung der vertraglichen Pflichten individuell und branchenspezifisch zu ermitteln.

Das Erfordernis der spezifischen Beeinträchtigung lässt Raum für Interpretationen und damit für viele Diskussionen zwischen den Parteien - wann genau ist eine spezifische Leistungspflicht beeinträchtigt? Dies könnte sich im Fall der obligatorischen Ausgangssperre zeigen, wie sie von den Regierungsbehörden in Frankreich oder Italien verhängt wurde. Für Deutschland ist dies möglicherweise schwieriger zu analysieren, da nicht nur die Bundesregierung Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise ergriffen hat, sondern auch jedes Bundesland, das keine Sperrstunde verhängt hat (mit Ausnahme Bayerns).

Daher könnte die Antwort darauf nicht nur zwischen den verschiedenen Sektoren unterschiedlich ausfallen (z.B. für Instandhaltungspflichten im Eisenbahnsektor als für Lieferpflichten im Luftverkehr), sondern auch von Rechtsprechung zu Rechtsprechung unterschiedlich ausfallen.

Bitte beachten Sie, dass die zur regelmäßigen Erfüllung verpflichtete Partei alles Angemessene tun muss, um den Eintritt des Ereignisses höherer Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Es ist daher von Bedeutung, dass jede betroffene Partei Vorsorgemaßnahmen trifft, die erforderliche Sorgfalt walten lässt und unter Umständen Ersatz beschafft. Im Hinblick darauf schließt ein Ereignis höherer Gewalt Schadenersatzansprüche nicht automatisch aus.

1.2 Lösungen nach deutschem Recht und weitere Vertragsbestimmungen

Enthält der Vertrag selbst keine Klausel für höhere Gewalt oder ist die Klausel nicht anwendbar (wann dies der Fall ist, siehe oben), so sehen sowohl das deutsche Recht als auch die vertraglichen Vereinbarungen rechtliche Institutionen bzw. Klauseln vor, die je nach Einzelfall angemessene Lösungen ermöglichen. Dazu gehören "hard-ship"-Klauseln, die rechtlichen Institutionen der Unmöglichkeit oder des Ausbleibens der Geschäftsgrundlage. Bei Vertragsklauseln sind auch die Beschränkungen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu prüfen.

In jedem Fall sollte die betroffene Partei über die Beeinträchtigung informieren, um gemeinsam mögliche Lösungen zu diskutieren. Dies kann die Anwendung einer Klausel für höhere Gewalt, des deutschen Zivilrechts oder auch eine Änderung der jeweiligen Vereinbarung sein.

1.3 Schadenersatz- und Haftungsansprüche

Ob die von einer Partei geltend gemachten Schadensersatzansprüche gerechtfertigt sind, muss in jedem Einzelfall näher geprüft werden.
Zunächst muss eine Verpflichtung vereinbart und danach verletzt werden. Des Weiteren setzen Haftungsansprüche und Schadenersatz in der Regel ein Verschulden voraus.

Besteht z.B. aufgrund einer Bestimmung über höhere Gewalt oder Unmöglichkeit keine Leistungspflicht, kann regelmäßig kein Verschulden angenommen werden. Dennoch ist die Nichtlieferung zu entschädigen, wenn ein Beschaffungsrisiko oder eine Garantie übernommen wurde.

Darüber hinaus muss die jeweilige vertragliche Haftungsklausel, sofern es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt, wirksam und angemessen sein. Andernfalls ist die Klausel unwirksam, und der Kunde kann sich nicht darauf berufen.

2. Auswirkungen auf Kreditverträge

Neben den vermögensbezogenen Verträgen können derzeit auch Darlehensverträge betroffen sein. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass sich die finanzielle Situation des Kreditnehmers möglicherweise verschlechtert.

Grundsätzlich hat der Kreditgeber ein gesetzliches Recht zur Kündigung eines Kredits, wenn sich die finanzielle Situation des Kreditnehmers erheblich verschlechtert oder der Wert der Kreditsicherheiten erheblich sinkt.

Da der prognostizierte Cashflow von entscheidender Bedeutung ist, vereinbaren der Kreditgeber und der Kreditnehmer in der Regel im Kreditvertrag Finanzkennzahlen, so dass ein Verlust von Einkünften aus der Geschäftstätigkeit zu einer Verletzung dieser Kennzahlen führen kann, insbesondere wenn die Finanzkennzahlen auf aktuellen und zukünftigen Einnahmen beruhen.

Im Allgemeinen wird der relevante Cashflow daran gemessen, inwieweit die Projekterträge einen ausreichenden Cashflow generieren, um den Kreditnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Zahlungsverpflichtungen aus der Kreditvereinbarung nachzukommen (Schuldendienstdeckungsgrad, der "DSCR"). Der DSCR wird in der Regel halbjährlich gemessen und beginnt in der Betriebsphase eines Projekts. Dieses Verhältnis ist daher in der Bauphase nicht relevant. Eine Verschlechterung der Schuldendienstfähigkeit des Kreditnehmers könnte zu obligatorischen Vorfälligkeitsverpflichtungen, einer Einschränkung der Vertriebsrechte und letztlich zu einem Ausfall führen.

Rechtlich gesehen ist der Grund, warum sich die finanziellen Verhältnisse eines Kreditnehmers erheblich verschlechtern oder warum finanzielle Vereinbarungen wie der DSCR gebrochen werden, unabhängig von einem Verschulden.

Da Covid-19 absehbare negative Auswirkungen auf das operative Geschäft haben kann, sollten Kreditnehmer bestehende Finanzierungsvereinbarungen insbesondere im Hinblick auf die Bestimmungen zur Berücksichtigung von Finanzkennzahlen und auf mögliche vertragliche Kündigungsrechte wie Sonderkündigungsrechte aus wichtigem Grund oder Material Adverse Change-Klauseln sowie gesetzliche Kündigungsrechte (aufgrund einer Verschlechterung der finanziellen Situation oder der Kreditsicherheit oder aus wichtigem Grund) überprüfen und sich mit dem Kreditgeber in Verbindung setzen.

Darüber hinaus sollte der Kreditnehmer prüfen, ob er staatliche Liquiditätshilfeprogramme wie das Programm der deutschen Entwicklungsbank oder den deutschen Wirtschaftsstabilisierungsfonds in Anspruch nehmen kann. Je nach den Vertragsbedingungen und unter Einhaltung der jeweiligen Richtlinien zur Mittelverwendung kann der Kreditnehmer diese zur teilweisen außerplanmäßigen Rückzahlung des Kredits nutzen, um einen Verstoß gegen die Financial Covenants zu beheben.

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