Als associate der Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht in Düsseldorf berate ich in- und ausländische Mandanten in allen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.
Überblick über die wichtigsten geplanten Änderungen im Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung – WO), Stand 28. Juli 2021
„Modernisierung“ des Betriebsverfassungsrechts im Juni 2021
Mit dem am 18. Juni 2021 in Kraft getretenen Betriebsrätemodernisierungsgesetz verfolgte der Gesetzgeber unter anderem den Zweck, die Gründung von Betriebsräten zu fördern, indem deren Arbeitsweisen modernisiert und die Betriebsratswahl vereinfacht werden sollte. Dazu wurde unter anderem der Anwendungsbereich für das vereinfachte Wahlverfahren (§ 14a BetrVG) erweitert, die Zahl der nötigen Stützunterschriften (§ 14 Abs. 4 BetrVG) herabgesenkt, das Mindestalter für die Wahlberechtigung auf die Vollendung des 16. Lebensjahres (§ 7 Abs. 1 BetrVG) festgelegt sowie den Betriebsräten die Möglichkeit zur Durchführung von Online-Sitzungen (§ 30 BetrVG) gegeben.
Der vorbezeichnete Verordnungsentwurf sieht nun einerseits die durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz notwendig gewordenen Änderungen sowie einige darüberhinausgehende Neuerungen der Wahlordnung (WO) zum Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vor. Nur auf die wesentlichen Neuerungen wird im Folgenden eingegangen werden. Auf die ebenfalls geplanten Änderungen für Betriebsratswahlen bei den Postunternehmen wird in diesem Beitrag nicht eingegangen.
Die wesentlichen Neuerungen der Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung - WO)
Erweiterter Anwendungsbereich des vereinfachten Wahlverfahrens
Die Änderungsverordnung soll zunächst den erweiterten Anwendungsbereich des vereinfachten Wahlverfahrens implementieren. Dementsprechend gelten die Vorschriften der WO zum vereinfachten Wahlverfahren künftig auch für Betriebe mit bis zu 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern. Zuvor lag die Grenze bei 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern. Ob dies eine so gravierende Erleichterung ist, kann bezweifelt werden.
Online-Sitzungen der Wahlvorstände
Nachdem schon für Betriebsräte eine ähnliche Möglichkeit geschaffen wurde, sieht der Entwurf zudem vor, dass der Wahlvorstand künftig (einige) Sitzungen und Beschlussfassungen per Video- oder Telefonkonferenz tätigen darf. Hierzu bedarf es eines vorherigen Beschlusses des Wahlvorstands. Als Grundsatz sieht der Entwurf aber weiterhin Sitzungen in Präsenz vor.
Erweiterter Personenkreis für schriftliche Stimmabgabe
Es soll zudem der Kreis der Personen, denen die Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe ohne deren Verlangen zugesendet werden sollen, erweitert werden. § 24 Abs. 2 der WO sieht dies bisher für die Arbeitnehmer vor, die zum Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden und zählt dabei insbesondere die im Außendienst oder mit Telearbeit oder in Heimarbeit Beschäftigten auf. Fortan sollen auch andere zur Abwesenheit führende Umstände die Übersendungspflicht des Wahlvorstands auslösen. Während der Wortlaut insbesondere das Ruhen des Arbeitsverhältnisses oder Arbeitsunfähigkeit nennt, führen die Erläuterungen beispielhaft Elternzeit, Mutterschutz, Pflegezeit, freiwilligen Wehrzeit, Bundesfreiwilligendienst und unbezahlten Sonderurlaub an.
Zusätzlich wurde die Pflicht für den Arbeitgeber, dem Wahlvorstand alle dazu erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen zu müssen, nun auch explizit in der Norm verankert.
Verzicht auf Wahlumschläge
Daneben sollen die Betriebsratswahlen in Zukunft ohne Wahlumschläge auskommen, mit Ausnahme der nachträglichen (§ 35 WO) sowie der Stimmabgabe im schriftlichen Verfahren (§ 25 WO) - in Puncto Ressourcen- und Zeitaufwand ist sicherlich ein sinnvoller Vorschlag.
Bearbeitung der schriftlich abgegebenen Stimmen erst nach Stimmabgabe
Derzeit regelt § 26 Abs. 1 WO, dass die Umschläge mit den schriftlich abgegebenen Stimmen vor Abschluss der Stimmabgabe geöffnet werden müssen. Der Entwurf sieht nun vor, dass die Umschläge erst nach der Stimmabgabe zu Beginn der öffentlichen Sitzung geöffnet werden. Dies soll die Rechtssicherheit erhöhen und auf die betriebliche Realität Rücksicht nehmen. Aufgrund des geplanten Verzichts auf Wahlumschläge soll deshalb bei ordnungsgemäßer Stimmabgabe der Stimmzettel aus dem Umschlag genommen und in die Wahlurne gelegt werden. Nur wenn ein Umschlag mehrere gekennzeichnete Stimmzettel enthält, soll der Umschlag mit den Stimmzetteln in die Wahlurne gelegt werden. Auf diese Weise sollen die schriftlich abgegebenen Stimmen nicht erkennbar sein.
Korrektur der Wählerliste bis Abschluss der Wahl
Zuletzt soll das Fristende für eine Korrektur der Wählerliste auf den Abschluss der Wahl gelegt (§ 4 Abs. 3 S. 2 WO) und dem Wahlvorstand an anderer Stelle (§ 41 Abs.2 WO) allgemein das Recht eingeräumt werden, die Fristenden zeitlich auf das Ende der Arbeitszeit begrenzen zu können. Letzteres stellt lediglich die Umsetzung ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dar.
Ein Schritt in die richtige Richtung - Prozess in kleinen Etappen?
Der Verzicht auf Wahlumschläge ist sicher zeitgemäß. Die bereits im Betriebsrätemodernisierungsgesetz angelegte Vereinfachung der Wahl gerade für kleine Betriebe generiert ein Stück weit Praktikabilität. Insbesondere ist aber die Einführung der Möglichkeit der digitalen Sitzungsteilnahme für Wahlvorstände begrüßenswert.
Dennoch wird durch die geplanten Änderungen die Digitalisierung der Betriebsratswahlen nur zaghaft vorangetrieben, weil unter anderem die Wahlen an sich weiterhin nicht digital erfolgen können. Dadurch sinken die organisatorischen Hürden bei der Gründung eines Betriebsrats weiterhin nicht merklich, was viele Arbeitgeber freuen dürfte.
Es handelt sich damit um eine minimale Digitalisierung und Modernisierung durch die Hintertür. Die Möglichkeit der Online-Sitzungen für Wahlvorstände ist ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings wäre es hier notwendig, dass auch in anderen Zweigen der Mitbestimmung ähnliche Vorkehrungen getroffen werden. Insbesondere bei Wahlen der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat nach dem MitbestG müssen Unternehmenswahlvorstände zum Teil weite Strecken zurücklegen, um Sitzungen abzuhalten. Es kann daher nur gehofft werden, dass auch hier bald nachgezogen wird.