Finanzsektor: Strengere Regulierung von Auslagerung

Die Schockwellen des Wirecard-Skandals wirkten bis in das politische Berlin. Über Nacht waren 1,9 Milliarden Euro verschwunden. Es folgte die historisch erste Insolvenz eines Dax-Unternehmens und eine Vertrauenskrise des deutschen Finanzmarkts.

Das Finanzministerium ist seither um Schadensbegrenzung bemüht und versucht, verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen. Helfen soll hierbei auch ein Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität. Der diesbezügliche Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums ist mittlerweile in einen Regierungsentwurf erwachsen, der am 16. Dezember 2020 vorgelegt wurde.

Darin soll vor allem die Bilanzkontrolle gestärkt und die Abschlussprüfung weiter reguliert werden, um die Richtigkeit der Rechnungsunterlagen von Unternehmen sicherzustellen (siehe unseren Beitrag hier). Aber auch bei den Aufsichtsstrukturen und den Befugnissen der BaFin bei der Prüfung von Auslagerungen wurde Verbesserungspotenzial erkannt.

Diese auslagerungsrechtlichen Neuregelungen sollen vor allem durch Änderungen des KWG, des ZAG und des KAGB erfolgen. Zentrale Aspekte dieser Reform sind neue Auskunfts- und Meldepflichten sowohl der auslagernden Institute als auch der Auslagerungsunternehmen. Darüber hinaus sollen zukünftig aufsichtsrechtliche Maßnahmen auch direkt gegenüber Auslagerungsunternehmen ergriffen werden können. Da die diesbezüglichen Änderungen für alle drei genannten Gesetze in wesentlichen Punkten parallel verlaufen, sollen diese gemeinsam dargestellt werden. 

1. Begriff des Auslagerungsunternehmens

Um Rechtssicherheit zu schaffen, sollen das KWG und das ZAG zukünftig jeweils eine auf das entsprechende Gesetz zugeschnittene Definition von Auslagerungsunternehmen enthalten. Auslagerungsunternehmen sind nach § 1 Abs. 10 KWG-E und § 1 Abs. 10a ZAG-E Unternehmen, auf die ein Institut oder übergeordnetes Unternehmen Aktivitäten und Prozesse zur Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen bzw. Zahlungsdiensten, des E-Geld-Geschäfts oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen ausgelagert hat, sowie deren Subunternehmen bei Weiterverlagerungen von Aktivitäten und Prozessen, die für die Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen bzw. Zahlungsdiensten, des E-Geld-Geschäfts oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen wesentlich sind.

Die Verankerung einer solchen Definition ist vor allem vor dem Hintergrund relevant, dass in Zukunft ein direktes, aufsichtsrechtliches Vorgehen der BaFin gegen ebenjene Auslagerungsunternehmen möglich sein soll. Die Adressaten dieser Maßnahmen müssen daher rechtssicher bestimmbar sein.

Zwar gab es auch bisher eine Definition des Auslagerungsunternehmens in § 44 Abs. 1 S. 2 KWG. Diese Legaldefinition erfasste aber nur wesentliche Auslagerungen und erlangte keine KWG-weite Bedeutung. Im ZAG wird der Begriff des Auslagerungsunternehmens bisher ohne konkrete Legaldefinition verwendet.

2. Aufsichtsrechtliches Vorgehen direkt gegen Auslagerungsunternehmen

Gegen die nunmehr per Legaldefinition beschriebenen Auslagerungsunternehmen soll die BaFin zukünftig im Rahmen einer erheblichen Kompetenzerweiterung direkt aufsichtsrechtliche Maßnahmen erlassen können (§ 7 Abs. 2 S. 5 KWG-E). Daher enthalten das KWG, das ZAG sowie das KAGB einige Ermächtigungsgrundlagen, die vor allem den Erlass von Verfügungen gegen die Auslagerungsunternehmen ermöglichen sollen. Die BaFin kann hierbei zunächst Anordnungen treffen, um Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Bestimmungen zu verhindern oder zu unterbinden (§ 25b Abs. 4a KWG-E; § 26 Abs. 3a ZAG-E).

Nach diesen Vorschriften soll die BaFin auch eingreifen können, um Missstände bei dem jeweiligen Institut zu verhindern oder zu beseitigen, welche die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte oder die ordnungsgemäße Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen bzw. von Zahlungsdiensten oder des E-Geld-Geschäfts beeinträchtigen.

Auch bei Vorliegen einer nicht ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation hatte die BaFin bislang nur die Möglichkeit, gegen das auslagernde Institut selbst vorzugehen. Der KWG-E und der ZAG-E erweitern diese Kompetenzen nun auch auf Auslagerungsunternehmen (§ 45b Abs. 3 KWG-E; § 27 Abs. 3 S. 3 ZAG-E). Gegen diese Unternehmen kann die BaFin nun ebenfalls Anordnungen treffen, um sicherzustellen, dass alle Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation in Zukunft erfüllt werden. Darüber kann die BaFin im Rahmen von Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen auch zur Einhaltung und Sicherung geldwäscherechtlicher Vorschriften im Wege der Verfügung gegen die Auslagerungsunternehmen vorgehen (§ 25h Abs. 5 KWG-E). 

Auch der KAGB-E enthält eine spezifische Ermächtigungsgrundlage, mittels derer die BaFin in Zukunft direkt gegen die Auslagerungsunternehmen vorgehen kann. Ist die Ordnungsmäßigkeit der Tätigkeit einer Kapitalverwaltungsgesellschaft gefährdet, kann die BaFin nun Maßnahmen gegen das dabei beteiligte Auslagerungsunternehmen treffen (§ 36 Abs. 5a KAGB-E). Mit dieser Anordnungskompetenz soll der BaFin ein Instrument an die Hand gegeben werden, um insbesondere zu verhindern, dass die entsprechende Kapitalverwaltungsgesellschaft zu einer bloßen Briefkastenfirma verkommt.

3. Erfordernis eines Empfangsbevollmächtigten

Um die Einhaltung dieser Regeln und die Bekanntgabe derartiger Verfügungen auch gegenüber Auslagerungsunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat sicherzustellen, müssen die auslagernden Institute in Zukunft vertraglich sicherstellen, dass das Auslagerungsunternehmen einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten benennt, an den Bekanntgaben und Zustellungen durch die BaFin bewirkt werden können (§ 25b Abs. 3 S. 4 KWG-E; § 26 Abs. 1 S. 7 f. ZAG-E; § 36 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 KAGB-E).

Inwieweit derartige aufsichtsrechtliche Verwaltungsakte in der Praxis gegenüber Auslagerungsunternehmen aus Drittstaaten durchsetzbar oder vollstreckbar sein sollen, ist in den genannten Gesetzen nicht weiter geregelt. Ein indirektes Vorgehen über die in Deutschland ansässigen auslagernden Institute dürfte naheliegen. Diesbezüglich bleiben aber weitere gesetzgeberische Entwicklungen abzuwarten.

4. Verschärfung der Meldepflicht

Weiterer Eckpunkt der gesetzgeberischen Transparenzoffensive sind verschärfte Meldepflichten im Rahmen von Auslagerungen. Bislang bestand nur für Zahlungsdienstleistungs- und E-Geld-Institute nach dem ZAG sowie für Kapitalverwaltungsgesellschaften nach dem KAGB die Pflicht, eine etwaige Auslagerungsabsicht und im Falle des ZAG deren Vollzug anzuzeigen (§ 28 Abs. 1 Nr. 10 ZAG; § 36 Abs. 2 KAGB). Diese Verpflichtung wird eingeschränkt zukünftig auch für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute übernommen (§ 24 Abs. 1 Nr. 19 KWG-E). Für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute greift diese Anzeigepflicht allerdings nur in Bezug auf wesentliche Auslagerungen.

In Bezug auf wesentliche Auslagerungen besteht hierbei ergänzend die Pflicht, wesentliche Änderungen und schwerwiegende Vorfälle zu melden. Diese Erweiterung gilt zukünftig auch für Zahlungsdienstleistungs- und E-Geld-Institute (§ 28 Abs. 1 Nr. 10 ZAG-E). Nach dem KAGB-E müssen künftig zwar keine schwerwiegenden Vorfälle, jedoch aber wesentliche Änderungen bestehender Auslagerungen angezeigt werden (§ 36 Abs. 2 S. 2 KAGB-E). 

Flankiert wird diese Anzeigeverpflichtung im KWG-E durch eine Rechtsgrundlage, nach der Auslagerungsunternehmen auf Verlangen Auskünfte über alle Geschäftsangelegenheiten erteilen, Unterlagen vorlegen und erforderlichenfalls Kopien anfertigen müssen, soweit Aktivitäten und Prozesse betroffen sind, die ein Institut oder übergeordnetes Unternehmen ausgelagert hat (§ 44 Abs. 1 S. 1 KWG-E). 

5. Fazit

Mit dem Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität nimmt der Gesetzgeber nun also wie gesehen auch die Auslagerungsunternehmen verstärkt in den Fokus. Mehr Transparenz und Eingriffsbefugnisse sind hierbei das gesetzgeberische Mittel, mit der die Umgehung der nationalen aufsichtsrechtlichen Vorschriften durch Auslagerung auf ausländische Unternehmen verhindert werden soll.

Dafür soll die BaFin in Zukunft direkt durch Anordnungen und Verfügungen gegen die Auslagerungsunternehmen vorgehen können. Für die diesbezügliche Transparenz sorgt eine Verschärfung der Meldepflicht. Ob dieses Gesetz entsprechend seinem Sinn und Zweck auch über die nationalstaatlichen Grenzen hinaus zu einer stärkeren Regulierung der Auslagerungsunternehmen führen kann, bleibt abzuwarten.


*Mit freundlicher Unterstützung unseres juristischen Mitarbeiters Paul Gerlach.

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