Missachtung der Maskenpflicht trotz Attest - Außerordentliche Kündigung wirksam

Das Arbeitsgericht Köln hat entschieden, dass das beharrliche Verweigern eines Arbeitnehmers, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, als Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen anzusehen ist, die im Einzelfall sogar eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen kann.

AG Köln, Urteil vom 17.06.2021, Aktenzeichen 12 Ca 450/21

Fristlose Kündigung trotz „Rotzlappenbefreiung“

Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung. Der Arbeitnehmer verweigerte das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes beharrlich. Der Anweisung des Arbeitgebers kam er nicht nach und reichte stattdessen ein einfaches formularmäßiges Attest zur Befreiung von der Maskenpflicht ein. Das vorgelegte Attest genügt jedoch den erhöhten Anforderungen an ein Attest für die Befreiung von der Maskenpflicht nach Ansicht des Arbeitsgerichts Kölns nicht. Der Arbeitnehmer scheiterte mit seiner Klage gegen die außerordentliche Kündigung. 

Der Arbeitnehmer war bei der Arbeitgeberin als Servicetechniker im Außendienst beschäftigt und betreute Kunden am jeweiligen Kundenstandort. Die Arbeitgeberin erteilte allen Servicetechnikern die Anweisung, bei Kundeneinsätzen eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung zu tragen. Diese wurde von den Kunden bei der Beauftragung ausdrücklich angefordert. Der Arbeitnehmer verweigerte das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und lehnte es auch ab, Anfang Dezember 2020 einen Kundenauftrag aus diesem Grund auszuführen. Dabei reichte er ein auf Blankopapier ausgestelltes ärztliches Attest datiert auf Juni 2020 mit dem Betreff „Rotzlappenbefreiung“ ein, in dem es heißt, dass es dem Arbeitnehmer „aus medizinischen Gründen unzumutbar ist, eine nicht-medizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbare Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne der SARS-COV-2 Eindämmungsmaßnahmenverordnung zu tragen“. 

Die Arbeitgeberin bezweifelte die Echtheit des Attestes, da dieses keine näheren Angaben zu den Befreiungsgründen enthielt und auch nicht mehr aktuell war. Sie bot dem Mitarbeiter eine betriebsärztliche Untersuchung an, die er jedoch ablehnte. Daraufhin wies ihn die Arbeitgeberin erneut an, einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und betonte, auch für etwaige Kosten aufzukommen. Nachdem der Arbeitnehmer ablehnte, dieser Aufforderung nachzukommen, mahnte ihn die Arbeitgeberin ab. Daraufhin teilte der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin mit, dass er auch in Zukunft Einsätze nur ohne Mund-Nasen-Schutz durchführen werde. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich.

Rechtmäßigkeit der Kündigung aufgrund beharrlicher Verweigerung des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes 

Das Arbeitsgericht Köln hat die Kündigung für wirksam befunden, da der Arbeitnehmer mit seiner beharrlichen Weigerung, bei der Ausübung seiner Tätigkeit beim Kunden einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, wiederholt gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen habe. Aufgrund des wiederholten Verhaltens und seiner Einlassungen im Kündigungsschutzprozess hat das Gericht festgestellt, dass von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen ist. Von dieser war insbesondere auszugehen, da der Mitarbeiter trotz vorheriger einschlägiger Abmahnung unbeirrt ankündigte, dass er zukünftige Einsätze nur ohne Tragen des Mund-Nasen-Schutzes durchführen werde. Auch das vorgelegte Attest berechtigte den Arbeitnehmer nicht, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zu verweigern.

Arbeitsgericht Köln: Erhöhte Anforderungen an Attest für Befreiung von der Maskenpflicht

Das Arbeitsgericht Köln sieht für die Glaubhaftmachung einer Befreiung von der Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nur eine aktuelle ärztliche Bescheinigung als ausreichend an. Aus dieser muss hervorgehen, welche konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes zu erwarten sind. Erforderlich ist eine entsprechende Begründung mit einer konkreten Diagnose eines Krankheitsbildes. Hierdurch sollen Gefälligkeitsatteste vermieden werden. Schließlich reichen auch nicht eigene ergänzende Beurteilungen des Arbeitnehmers zu seinen vermeintlichen gesundheitlichen Einschränkungen aus, um die Befreiung von der Maskenpflicht zu begründen. Überdies bestehen vorliegend erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der gesundheitlichen Beeinträchtigung, wenn der Arbeitnehmer den Mund-Nasen-Schutz als „Rotzlappen“ bezeichnet und eine von der Arbeitgeberin angebotene Untersuchung durch den Betriebsarzt ablehnt. 

Parallelfall Arbeitsgericht Cottbus: Strikte Tendenz in der Rechtsprechung 

In einem Parallelfall hat das Arbeitsgericht Cottbus mit Urteil vom 17.06.2021 (Aktenzeichen: 11 CA 10390/20) ebenfalls festgestellt, dass Arbeitgeber in einem Dienstleistungsbetrieb, in dem ein physischer Kundenkontakt besteht, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verpflichtend anordnen können. Ähnlich wie das Arbeitsgericht Köln entschied das Arbeitsgericht Cottbus, dass das vorgelegte Attest zur Glaubhaftmachung einer Befreiung von der Maskenpflicht folgende Anforderungen erfüllen muss: Der Arbeitgeber muss aufgrund konkreter nachvollziehbarer Angaben in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen prüfen zu können. Zudem muss erkennbar sein, aufgrund welcher Diagnose der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gekommen ist (vgl. Verwaltungsgericht Würzburg, Beschluss vom 16.09.2020 – W 8 E 20.1301). 

Diesen Anforderungen genügte das von der Arbeitnehmerin vorgelegte Attest nicht, so dass die ordentliche Kündigung wirksam war. Zudem stellte das Arbeitsgericht Cottbus auch fest, dass die Kündigung auch bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes unter anderem aus betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt gewesen wäre: Nachdem die Arbeitgeberin das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes durch Vorlage eines Attestes endgültig abgelehnt hatte, war für sie keine Einsatzmöglichkeit im Betrieb des Arbeitgebers mehr vorhanden.

Beide Entscheidungen bestätigen unabhängig voneinander die bisher zu verzeichnende Tendenz in der Rechtsprechung eines strikten Umgangs mit Maskenverweigerern sowie die hohen Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Befreiungsattestes (so auch schon das Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 12.04.2021 – 2 SaGa 1/21, das das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg, v. 16..12.2020 – 4 Ga 18/20 bestätigte). Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln wurde Berufung eingelegt. Diesbezüglich bleibt daher abzuwarten, wie sich das Landesarbeitsgericht Köln äußern wird. Jedoch lässt die bisherige Tendenz in der Rechtsprechung und insbesondere die des Landesarbeitsgerichts Kölns vermuten, dass das Urteil des Arbeitsgerichts Köln aufrechterhalten wird und den aufgestellten Grundsätzen zugestimmt wird. 

Nicht jedes Attest von Maskenverweigerern akzeptieren – im Zweifel abmahnen

Aufgrund der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht sowie der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung können Arbeitgeber in Zeiten der Coronapandemie verbindliche Weisungen zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes erteilen, an die sich Arbeitnehmer auch zu halten haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein physischer Kontakt zu Kunden und Kollegen besteht und der Mindestabstand nicht (immer) eingehalten werden kann. Arbeitgeber sollten hierbei insbesondere beachten, dass die Einführung einer Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Weigert sich der Arbeitnehmer, dieser Pflicht nachzukommen, so stellt dies grundsätzlich einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten dar und kann im Einzelfall sogar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. 

Dies gilt jedoch nicht, wenn der Arbeitnehmer aus medizinischen Gründen von einer solchen Pflicht befreit ist. Arbeitgeber sollten aber nicht jedes ärztliche Befreiungsattest akzeptieren: Aus dem Attest muss vielmehr konkret hervorgehen, welche gesundheitlichen Beschränkungen aufgrund des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes zu erwarten sind und diese auch medizinisch begründen. Ist dies nicht der Fall, sollten Arbeitgeber das Attest nicht akzeptieren und den Arbeitnehmer zur Vorlage eines ordnungsgemäßen Attestes auffordern. Zwar kann der Arbeitnehmer zu einer Untersuchung beim Betriebsarzt nicht gezwungen werden, dennoch sollten Arbeitgeber den Arbeitnehmern diese Möglichkeit aktiv anbieten. 

Schließlich sind Arbeitgeber gut beraten, Maskenverweigerer nach Vorlage eines unzureichenden Attestes vorab abzumahnen. Je nach Einzelfall kann bei unentschuldigter beharrlicher Verweigerung des Arbeitnehmers zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ggf. auch eine fristlose, jedenfalls aber ordentliche Kündigung in Betracht gezogen werden.

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