Reverse Bargeldzahlungen in Spielhallen – Urteil des VGH Kassel

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Dr. Michael Jünemann

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Als Co-Head der globalen Finance & Financial Regulation Praxisgruppen und Leiter der deutschen Finance & Financial Regulation Praxisgruppe berate ich in den Bereichen des nationalen und internationalen Finanz- und Kapitalmarktrechts sowie im Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht. Zudem bin ich Mitglied der internationalen Steuerungsgruppe unserer Sektorgruppe Finanzdienstleistungen.

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Johannes Wirtz, LL.M. (London)

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Als Partner in unserer Finance & Financial Regulation Gruppe in Frankfurt berate ich unsere nationalen und internationalen Mandanten in Fragen der Bankenregulierung und des Finanzrechts

Der VGH Kassel hat entschieden, dass sich auch Spielhallen auf die Bereichsausnahme für sog. Reverse Bargeldzahlungen berufen können.

Urteile zum Zahlungsdiensteaufsichtsrecht sind selten. Meist richten sich die Marktteilnehmer nach den Hinweisen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), um so den einfachsten Weg zu wählen, mit dem Gesetz (oder vielmehr dem Regulierer) nicht in Konflikt zu geraten. Umso erfreulicher ist die Klarstellung des VGH Kassel (Urteil vom 23. September 2020, Az. 6 A 1931/15), der das vorhergehende Urteil des VG Frankfurt (Urteil vom 9. September 2015, Az. 7 K 3025/14.F) in den wesentlichen Punkten bestätigte.

Hintergrund und BaFin Merkblatt

In dem zugrundeliegenden Fall hatte ein Spielhallenbetreiber seinen Kunden angeboten, Bargeld zu erhalten, wenn sie kleinere Waren wie (u.a. Speisen, Getränke, Kugelschreiber) mit der EC-Karte zahlten. Der Preis für die Speisen bewegte sich um Rahmen von € 2 bis € 3.

Basierend auf der zweiten Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) hatte der deutsche Gesetzgeber eine Ausnahme von der Regulierung als Zahlungsdienst in das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) aufgenommen:

Als Zahlungsdienste gelten nicht […] Dienste, bei denen der Zahlungsempfänger dem Zahler Bargeld im Rahmen eines Zahlungsvorgangs aushändigt, nachdem ihn der Zahlungsdienstnutzer kurz vor der Ausführung eines Zahlungsvorgangs zum Erwerb von Waren oder Dienstleistungen ausdrücklich hierum gebeten hat;

Diese Ausnahme wird von vielen Supermärkten genutzt. Meistens setzten diese einen Mindestumsatz in Waren (bspw. € 10) voraus und bieten dann die Mitnahme von Bargeld an der Supermarktkasse an.

Die BaFin führt in ihrem Merkblatt „Hinweise zum Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG)“ vom 22. Dezember 2011, geändert am 29. November 2017, aus, dass Spielhallen, die nur Kleinwaren verkaufen, sich nicht auf diese Ausnahme verlassen können. Dort stünde nämlich nicht der Erwerb der Waren im Mittelpunkt, sondern die Zurverfügungstellung des Bargelds, das so dann in der Spielhalle eingesetzt werden soll. Der Erwerbsvorgang sei damit nur ein Vorwand für das Angebot eines Zahlungsdiensts. An dieser Stelle des Merkblattes übernimmt die BaFin die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/11495, S. 114).

Urteil des VGH Kassel

Das Urteil des VGH Kassel bestätig nun, dass die Tätigkeit der Spielhalle zunächst zwar als Auszahlungsgeschäft ein Zahlungsdienste unter dem ZAG ist (d.h. ein Dienst ist, mit dem Barauszahlungen von einem Zahlungskonto ermöglicht wird). Sie fällt jedoch unter die Bereichsausnahme für reverse Bargeldzahlungen.

Das VGH Kassel nimmt dabei Bezug auf die Gesetzesbegründung, die Spielhallen, die kleine Waren verkaufen, um dann Bargeld zur Verfügung zu stellen, gerade nicht von der Ausnahme erfassen wollte. Jedoch erkennt das Gericht die durch die PSD2 angestrebte Vollharmonisierung an. Rückausnahmen von Ausnahmetatbeständen seien hier, insbesondere weil der deutsche Gesetzgeber nur die PSD2 umsetzen wollte, nicht möglich.

Folgen aus dem Urteil

Das Urteil bietet nun eine Grundlage, auf der Spielhallen reverse Bargeldzahlungen anbieten können. Die BaFin hat das Urteil bisher nicht in ihrem ZAG-Merkblatt reflektiert. Spielhallenbetreiber sollten daher jede Tätigkeit im Bereich der reversen Bargeldzahlungen gut abwägen bevor sie tätig werden.

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