Alston vs. NCAA – US Supreme Court zieht Grenzlinie im US College Sport

Geschrieben von

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Dr. Joseph Fesenmair

Partner
Deutschland

Ich bin Partner in unserem Münchner Büro sowie Co-Head unserer Sektrogruppe Medien, Unterhaltung und Sport und berate insbesondere zum IP-, Medien- und Sportrecht. Ich verfüge über tiefgehende Erfahrung im Marken-, Geschmacksmuster-, Urheber- sowie Wettbewerbsrecht und bin für meine Expertise im Sport- sowie Sponsoringbereich international anerkannt.

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Prof. Dr. Martin Schimke, LL.M.

Of Counsel
Deutschland

Als Of Counsel und Mitglied des Sportrechtsteams in unserem Düsseldorfer Büro bin ich ausgewiesener Experte mit jahrzehntelanger Erfahrung im Bereich Sportrecht. Ferner bin ich Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Am 21. Juni 2021 fällte der US Supreme Court sein lang erwartetes Urteil im Fall Alston gegen die NCAA.

Die Richter entschieden einstimmig, dass die National Collegiate Athletic Association (NCAA) den Universitäten in den USA nicht verbieten kann, Athleten bestimmte Formen von bildungsbezogenen Leistungen zu gewähren, wie z. B. sog. „postgraduate“ Stipendien, die Computerausstattung oder bezahlte Praktika.

Die Entscheidung beendete einen Streit, der vor sieben Jahren als Sammelklage von College Sportlern gegen die NCAA und die großen Collegesportkonferenzen eingereicht wurde. Obwohl diese Entscheidung nur bildungsbezogene Leistungen betrifft, könnte die Entscheidung, den College-Sport in den USA als Ganzes verändern.

 

Der College Sport in den USA

Die Geschichte des US-College-Sports beginnt im Jahr 1852: Studenten aus Harvard und Yale nahmen am wohl ersten universitären Wettbewerb der Nation teil - einem Bootsrennen am Lake Winnipesaukee in New Hampshire. Bereits dieses Rennen wurde von einer Eisenbahngesellschaft gesponsert. Diese bot den Mannschaften einen komplett bezahlten Urlaub an - zusammen mit einer unbegrenztem Menge an Alkohol - oder wie es das Urteil des Obersten Gerichtshofs ausdrückt: "Von Anfang an hatten amerikanische Colleges und Universitäten eine komplizierte Beziehung zu Sport und Geld.

Der College-Sport in den USA wird von der National Collegiate Athletic Association organisiert, die die verschiedenen Ligen und Meisterschaften veranstaltet, an denen die verschiedenen Universitäten teilnehmen können. Dort sind etwa 1.100 Colleges und Universitäten organisiert. Diese sind in drei Divisionen unterteilt. Die Divison I ist dabei die höchste Spielklasse - sie zieht dementsprechend das meiste Geld und die talentiertesten Sportler an. Die NCAA organisiert den Sport und erlässt hierzu Regelwerke. An diese sind die Universitäten und Athleten durch Verträge gebunden, die bei der Einschreibung vom Sportler unterzeichnet werden müssen. Im Gegensatz zu Profisportlern, die in den professionellen Ligen (z. B. NFL oder NBA) antreten, gelten College-Sportler als Studenten, die aufgrund eines Stipendiums an der jeweiligen Hochschule studieren können. Sie werden von der NCAA als Amateure eingestuft. Die entsprechenden Regeln der NCA verbieten es hierbei den Collegesportlern, sich einerseits für ihre Leistungen bezahlen zu lassen und andererseits ihre Rechte an Bild, Namen und der sog. „Likeliness“ vermarkten zu dürfen. 

Während die College-Athleten als Amateure eingestuft werden, hat sich die NCAA im Laufe der Jahrzehnte durchaus zu einem gut florierenden Wirtschaftsunternehmen entwickeln können. Der aktuelle Fernsehvertrag der NCAA für das alljährliche Endrunden Basketballturnier der Männer, bekannt als „March Madness“ ist pro Jahr etwa 1,1 Milliarden US-Dollar wert. Über diese Summen hinaus erzielen die Division I-Konferenzen beträchtliche Einnahmen aus den Spielen der regulären Saison: Die Southeastern Conference (SEC) hat allein im Jahr 2017 mehr als 409 Millionen US-Dollar durch die Fernsehverträge eingenommen, die Gesamteinnahmen der Konferenz liegen in diesem Jahr bei etwa 650 Millionen US-Dollar. Der Präsident der NCAA verdient jährlich fast 4 Millionen US-Dollar. Außerdem verdienen College-Sportdirektoren im Durchschnitt mehr als 1 Million US-Dollar und die Gehälter von Top-College-Footballtrainern der Division I erreichen fast 11 Millionen Dollar pro Jahr.

 

Die Gerichtsverfahren um O’Bannon und Alston

In den letzten Jahren sind Athleten sowohl gegen das Verbot, Namen, Image und „likeliness“ zu vermarkten als auch gegen das Verbot der Bezahlung angegangen. Im Jahr 2009 reichte der ehemalige Basketballspieler der kalifornischen UCLA Ed O'Bannon im Namen der Division-1-Football- and Basketballspieler eine Sammelklage vor dem United States District Court for the Northern District of California gegen die NCAA ein, in der er gegen das Verbot der Vermarktung von Name, Image und „likeliness“ anging. O'Bannon argumentierte, dass diese Regeln gegen das US-amerikanische Kartellrecht verstießen.

Die NCAA wendete ein, dass ihre Regeln betreffend den sog. Amateurstatus der Spieler notwendig seien, um den Bildungsauftrag der NCAA aufrechtzuerhalten und die Popularität des College-Sports zu schützen. Das angerufene Bezirksgericht entschied, dass die Amateurregeln der NCAA eine Beschränkung des freien Wettbewerbes darstellen, die gegen die US-Kartellgesetze verstößt.

Hiergegen ging die NCAA im Berufungsverfahren vor, allerdings stellte das Berufungsgericht fest, dass die aktuellen Regeln restriktiver seien als notwendig, und dass die NCAA ihre Zwecke auf eine weniger restriktive Weise erreichen könnte. Trotz der Niederlage der NCAA stellte das Berufungsgericht auch fest, dass die Regeln der NCAA jedoch mit dem Zwecke der Sicherung des Amateurstatusses der Spieler grundsätzlich einen legitimen Zweck verfolgen könnte. Nach Einreichung der Revision, entschied der US Supreme Court jedoch, die Entscheidungen der unteren Instanzen nicht zu überprüfen. Es blieb damit bei der vorherigen Entscheidung des Berufungsgerichtes. 

Im Jahr 2014 klagte dann Alston, ein Division-1-Football-Spieler. Er argumentierte, dass die Regel, die seine Vergütung auf das kostenlose Studium an der Universität beschränkt, gegen das US-Kartellrecht verstieße. Hierdurch seien die Athleten gehindert, eine marktgerechte Vergütung für ihre Leistungen zu erhalten. Das gleiche Bundesbezirksgericht in Kalifornien wie im vorherigen O'Bannon-Verfahren stimmte ihm teilweise zu: Es entschied, dass die NCAA nur Leistungen einschränken kann, die nicht mit der Ausbildung zusammenhängen (wie z. B. Arbeitslohn), aber es verbot der NCAA, ausbildungsbezogene Leistungen zu beschränken. Hier argumentierte das Gericht, dass die Beschränkung der nicht ausbildungsbezogenen geldwerten Vorteile durchaus als Preisabsprachen angesehen werden könnten, jedoch könnten diese Beschränkung des freien Wettbewerbes angemessen sein: Denn Gehälter auf professionellem Niveau könnten die Grenze zwischen Amateur- und Profisport verwischen. 

Nachdem der U.S. Court of Appeals des neunten Distrkts die erstinstanzliche Entscheidung bestätigte, wandte sich die NCAA an den Supreme Court, der Ende letzten Jahres den Fall zur Entscheidung annahm. 

 

Die Entscheidung des US Supreme Courts

Die Richter bestätigten die Entscheidung der Vorinstanz einstimmig. Das Gericht stellte insbesondere fest, dass die NCAA-Regeln, die die Entschädigung für Athleten beschränken, gegen das US-Kartellrecht verstoßen, soweit sie ausbildungsbezogene Leistungen verbieten.  

Während es unstrittig war, dass die NCAA als solche ein Monopol hat und ihre Regeln den freien Wettbewerb einschränken, bestritt die NCAA, dass auf sie der so genannte „Rule of Reason-Test“ anzuwenden sei, um die Rechtmäßigkeit der Beschränkungen zu bestimmen. Bei diesem Test kommt es insbesondere auf die Effekte der Maßnahme an. Das Gericht entschied jedoch, dass der „Rule of Reason test“ anzuwenden ist - Ausnahmen könnten nur nur in extremen Fällen Anwendung finden, wenn es klar ist, welche Auswirkungen eine Maßnahme auf den Wettbewerb haben wird. Dies sei hier nicht der Fall, betonten die Richter, denn die NCAA und ihre Mitglieder kontrollieren den relevanten Markt des US College Sportes.

Im Rahmen dieses Tests argumentierte die NCAA dann, dass der Oberste Gerichtshof selbst 1984 im Fall NCAA v. Board of Regents of University of Oklahoma, in dem es um eine kartellrechtliche Problematik im Bereich von Fernsehübertragungen der College-Football-Spiele ging, festgestellt hat, dass die Maßnahmen der NCAA zur Erhaltung des Amateustatusses "völlig im Einklang" mit dem Bundeskartellgesetz stehen. Das Gericht entschied jedoch, dass deshalb nicht reflexartig alle Maßnahmen der NCAA gerechtfertigt seien. Zudem hätten sich die Realitäten des College-Sports seit 1984 erheblich verändert. Dennoch scheine die NCAA eine Art gerichtlich verordnete Immunität gegenüber dem Bundeskartellrecht anzustreben, nur weil „seine Maßnahmen die Überschneidung von Hochschulbildung, Sport und Geld beträfen."

Bei der Entscheidung fällt insbesondere auf, dass das Gericht einstimmig die Entscheidung der Vorinstanz bestätigte. Beachtung verdient ebenfalls die sog. Concurrent Opinion des Richters Kavanaugh, in der er der Gerichtsentscheidung hinzufügt, dass die verbleibenden Entschädigungsregeln der NCAA auch unter dem Kartellrecht ernsthafte Fragen aufwürfen.

Er argumentiert, dass das Argument der NCAA, ihre Maßnahmen seien wettbewerbsfördernd, weil sie dazu beitrügen, das Produkt des College-Sports zu definieren, aufgrund eines Zirkelschlusses nicht überzeugend sei. Die NCAA verkläre ihre Argumente für die Nichtbezahlung von studentischen Athleten in unverfänglicher Weise unter der Überschrift des Amateurs. Aber diese Beschreibung könne die Realität nicht verschleiern: Seiner Meinung nach würde das Geschäftsmodell der NCAA in fast jeder anderen Branche in Amerika schlichtweg illegal seien, weil es als Preisabsprache darstelle. Es ist höchst fraglich, ob die NCAA mit diesem Argument rechtfertigen könne, dass sie den studentischen Athleten keinen fairen Anteil an den Einnahmen zahle. 

 

Was bringt die Zukunft im US College Sport?

Zunächst muss die NCAA kurzfristig ihr Regelwerk ändern, um dem Urteil des US Supreme Court zu entsprechen. Dies ist jedoch nicht das Ende in der Saga des US-Collegesports. Bereits im Juli 2021 tritt in einigen US-Bundesstaaten, wie z.B. Florida, eine neue Gesetzgebung in Kraft. Diese Gesetzgebung ist eine direkte Folge des früheren O'Bannon-Urteils und sichert die Rechte von College-Sportlern, eine Vergütung für die Vermarktung ihres Namens, ihres Images und ihrer „likeliness“ zu erhalten. Allerdings haben nur wenige Bundesstaaten eine solche Gesetzgebung auf den Weg gebracht.

Daher wird erwartet, dass bald ein Bundesgesetz den US Collegesport regeln wird. Einige Gesetzesentwürfe werden diesbezüglich bereits diskutiert. Diese müssen allerdings noch den Kongress passieren. Es bleibt abzuwarten, wie weit die künftige Gesetzgebung gehen wird und ob sie - nach dem Alston-Verfahren, insbesondere im Hinblick auf die concurrent opinion - auch Regeln für die Bezahlung von Collegesportlern enthalten wird.  

Weitere Informationen

Sie möchten tiefer in die Thematik einsteigen? Dann empfehlen wir Ihnen die Sonderfolge "Wie illegal ist die NCAA?" des Sportrechtspodcasts Liebling Bosman, in der unser Rechtsreferendar Ansgar Faßbender, LL.M. und Co-Autor dieses Artikels über die Entscheidungsgründe und mögliche Auswirkungen des Urteils auf den US-Collegesport spricht.

Die Episode finden Sie hier >>

US Supreme Court - NCAA v. Alston et al. – 21. June 2021 >>

US Court of Appeals Ninth Circuit – O’Bannon Jr. v. NCAA – 17 March 2015 >>


Wir danken unserem Rechtsreferendar Ansgar Faßbender, LL.M. für die Unterstützung.

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