Verweigerung von COVID-19-Schutzmaßnahmen als Kündigungsgrund

Geschrieben von

martin schimke module
Prof. Dr. Martin Schimke, LL.M.

Of Counsel
Deutschland

Als Of Counsel und Mitglied des Sportrechtsteams in unserem Düsseldorfer Büro bin ich ausgewiesener Experte mit jahrzehntelanger Erfahrung im Bereich Sportrecht. Ferner bin ich Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Kaum eine Debatte wird so emotional geführt, wie die um die von der Bundesregierung verhängten Schutzmaßnahmen zur Eindämmung von SARS-CoV-2, dem Coronavirus. Arbeitsrechtlich steht dabei die Frage der genauen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses im Vordergrund.

Diesbezüglich werden immer neue Regelungen zum Homeoffice bzw. die Aussetzung von Präsenzpflichten diskutiert. Weniger thematisiert, aber gleichwohl praxisrelevant ist die Frage, was passiert, wenn ein Arbeitnehmer die Schutzmaßnahmen bewusst missachtet und dadurch möglicherweise auch seine Kollegen gefährdet.

Die Gerichte mussten sich bisher wenig mit dieser Thematik beschäftigen. Bekannt ist der Fall des professionellen Basketballspielers Joshiko Saibou des Bundesligisten Telekom Baskets Bonn. Dieser nahm im Sommer an einer Demonstration gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Berlin teil. Dabei habe er die damals geltenden Gebote Abstand zu wahren oder eine Maske zu tragen nicht beachtet.

Sein Arbeitgeber, die Telekom Baskets Bonn, sprach dem Spieler daraufhin die fristlose Kündigung aus. 

Es stellt sich die Frage, ob ein derartiger Verstoß gegen Corona-Schutzmaßnahmen tatsächlich einen Kündigungsgrund für die außerordentliche Kündigung darstellt. Die außerordentliche Kündigung ist bei befristeten Verträgen – wie sie im Profisport üblich sind – neben einem Aufhebungsvertrag die einzige Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis frühzeitig zu beenden. Der Kündigungsgrund muss nach Abwägung der Interessen, so schwer wiegen, dass ein Fortbestehen bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Weiterhin bedarf es einer vorherigen Abmahnung, da dem Arbeitnehmer die Chance gegeben werden muss, sein Verhalten zu ändern. Nur wenn davon auszugehen ist, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten nach Abmahnung nicht ändern werde, ist diese entbehrlich. 

Für die Kündigung ist auf das gesundheitsgefährdende Verhalten des Arbeitnehmers abzustellen. Die Telekom Baskets führten daher zu Recht an, dass der Spieler ein Infektionsrisiko für andere Arbeitnehmer darstelle und die Fortführung der Basketball Unternehmungen des Clubs und damit den Ligabetrieb gefährde. 

Die persönlichen Sichtweisen auf die Schutzmaßnahmen in der Corona-Pandemie sowie die Teilnahme an einer Demonstration können keinen außerordentlichen Kündigungsgrund darstellen. Die grundrechtlichen Positionen aus Artikel 5 und Artikel 8 des Grundgesetztes dürften regelmäßig das Interesse des Arbeitgebers an einer Kündigung übersteigen. Stellt man allerdings auf die Weigerung des Arbeitnehmers ab, Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus zu befolgen, kann hier ein tauglicher Kündigungsgrund gesehen werden – auch wenn dies in der Freizeit des Arbeitnehmers passiert. Dies ist ein Ausfluss der Rücksichtnahmepflicht des § 241 BGB, wonach sich der Arbeitnehmer auch in seiner Freizeit so verhalten muss, dass er bei Rückkehr an den Arbeitsplatz andere Arbeitnehmer nicht gefährdet. Der Arbeitgeber muss seinerseits andere Arbeitnehmer vor Gesundheitsgefährdungen angemessen schützen. Vor diesem Hintergrund kann die Kündigung eines Arbeitnehmers gerechtfertigt sein.

Joshiko Saibou wehrte sich gegen die Kündigung vor dem Arbeitsgericht Bonn. Die Parteien einigten sich außergerichtlich, nachdem das Gericht eine Zahlung von 80% des ausstehenden Gehalts vorschlug. Auch in einem ähnlichen Fall kam es zu einem außergerichtlichen Vergleich: Ein Arbeitnehmer klagte vor dem Arbeitsgericht Osnabrück gegen seine Kündigung. Diese erhielt er, nachdem er in den sozialen Medien ein Foto zeigte, worauf er indizierte, eine Party mit vielen Freunden in seiner Wohnung zu feiern. Dies war damals wegen der geltenden Kontaktbeschränkungen verboten und der Arbeitgeber hat explizit auf die Schutzmaßnahmen hingewiesen. In beiden Fällen fehlte eine vorherige Abmahnung. Ob diese in derartigen Fällen notwendig ist bleibt auf Grund der außergerichtlichen Einigungen weiter offen.

Co-Autor diese Artikel ist unser Stationsreferendar Ansgar Faßbender.

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