Ein Aufhebungsvertrag ist nicht unbedingt anfechtbar bzw. unwirksam, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auffordert, sofort anzunehmen.
Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ansonsten mit einer außerordentlichen Kündigung und einer Strafanzeige droht. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung auch ernsthaft in Erwägung ziehen durfte.
Bei schweren Vertragsverletzungen kommt es vor, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag zur sofortigen Unterzeichnung vorlegt. Dem verleiht er damit Nachdruck, dass er ansonsten eine außerordentliche Kündigung ausspricht und in relevanten Fällen auch eine Strafanzeige erstattet. Ob das zulässig oder der Aufhebungsvertrag wegen dieser Drohung unwirksam ist, kann je nach Fall variieren.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2022 – Aktenzeichen 6 AZR 333/21
(Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17.05.2021 – Aktenzeichen 18 Sa 1124/20)
In dem zugrunde liegenden Sachverhalt wurde die Arbeitnehmerin am 22. November 2019 zu einem Gespräch mit dem Geschäftsführer in dessen Büro gebeten. Ebenfalls bei diesem Gespräch zugegen war der Prozessbevollmächtigte der Arbeitgeberin, der sich als Rechtsanwalt für Arbeitsrecht vorstellte. Die Arbeitnehmerin war im Verkaufsbereich tätig. Ihr wurde vorgeworfen, in der Vergangenheit unberechtigt Einkaufspreise für Waren in der EDV der Arbeitgeberin abgeändert bzw. reduziert zu haben. Dass dieser Vorwurf Gegenstand des Gesprächs sein sollte, wurde ihr zuvor nicht mitgeteilt. Im Rahmen des Gesprächs wurde der Arbeitnehmerin ein einfach gehaltener Aufhebungsvertrag vorgelegt. Dieser sah eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 2019 vor. Nach zehnminütiger Gesprächspause unterzeichnete sie diesen Vertrag. Weitere Umstände blieben streitig, insbesondere, ob mit einer fristlosen Kündigung sowie einer Strafanzeige gedroht wurde und ob ihrer Bitte nach weiterer Bedenkzeit nicht nachgekommen wurde.
Auch wenn man den geschilderten Gesprächsverlauf der Arbeitnehmerin als wahr unterstellt, scheiterte eine Anfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB an der Widerrechtlichkeit der Drohung. Das Mittel (Androhung einer Kündigung) stand hier in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck (Abschlusses eines Aufhebungsvertrages). Entscheidend sei dabei, ob ein verständiger Arbeitgeber bei objektiver Betrachtung eine Kündigung ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Im zugrunde liegenden Fall gab es hinreichende Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung, deren Schwere auch ohne Ausspruch einer Abmahnung für eine fristlose Kündigung genügt hätte. Insbesondere die Heimlichkeit der Pflichtverletzung führt zu einer nachhaltigen Schädigung der Vertrauensbeziehung.
Das BAG entwickelte 2019 das Gebot des fairen Verhandelns. Der Arbeitgeber verstößt dagegen, wenn er psychische Drucksituationen ausnutzt oder schafft, welche die freie Entscheidung des Arbeitnehmers zumindest erschweren. Welche Umstände geeignet sind, um eine unfaire Verhandlungssituation zu schaffen, werden durch den Einzelfall bestimmt. Es muss keine besonders angenehme Atmosphäre geschaffen werden, sondern ein Mindestmaß an Fairness gewahrt werden. Der Arbeitgeber muss weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumen. Es genügt wie in diesem Fall, wenn der Arbeitnehmer ausreichend Zeit hat, um den Aufhebungsvertrag zu verstehen. Der Arbeitgeber verstößt nur in Extremfällen gegen das Gebot des fairen Verhandelns.
Arbeitgeber sollten sich in Drucksituationen wie hier genau überlegen, ob bei vernünftiger Betrachtung die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung oder gar einer Strafanzeige in Erwägung gezogen werden darf. Als weniger relevant sieht es die Rechtsprechung an, dass das Angebot nur zur sofortigen Annahme gestellt wird.
In der Regel sollte der Arbeitgeber keine Kündigung in Aussicht stellen, auch wenn er einen Arbeitnehmer zur Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages bewegen will. Zwar macht die Entscheidung deutlich, dass keine widerrechtliche Drohung vorliegt, soweit ein Kündigungsgrund objektiv vorliegt. In der Praxis wird der Aufhebungsvertrag aber häufig dann angeboten, wenn dies gerade nicht eindeutig der Fall ist.
Den Aufhebungsvertrag mit einer kurzen Annahmefrist anzubieten, verstößt an sich nicht gegen das Gebot des fairen Verhandelns. Dem Arbeitnehmer bleibt die Entscheidungsfreiheit, den Aufhebungsvertrag abzulehnen oder ein Gegenangebot mit veränderten Konditionen zu machen. Der Arbeitgeber hat das Interesse, das Risiko eines Kündigungsschutzprozesses zu vermeiden. Er muss aber gleichzeitig auf die Einhaltung der Kündigungsfrist achten. Er wünscht sich die Reaktion auf den Aufhebungsvertrag daher zeitnah. Der Arbeitnehmer hingegen benötigt ausreichend Zeit, um die Regelungen des Vertrages zu verstehen. Das Verständnis des Arbeitnehmers und die Komplexität des Aufhebungsvertrages sind hierfür maßgeblich. Ist der Aufhebungsvertrag für den Arbeitnehmer einfach verständlich, kann auch das Angebot nur zur sofortigen Annahme gestellt werden.