Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat auf ihrer Jahrespressekonferenz vom 3. Mai 2022 unter dem Motto „Stabilität des Deutschen Finanzsystems“ u.a. zum Umgang mit der geplanten Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen in der Praxis Stellung bezogen. Im Wesentlichen wurde (neben des Ukraine-Kriegs) auf die zuvor veröffentlichten sechs kurzfristige Risiken und zwei Zukunftsrisiken eingegangen. Eines der zwei Zukunftsrisiken ist das Thema „Nachhaltigkeit“.
In den vergangenen Jahren hat das Interesse von Investoren an grünen und nachhaltigen Investitionsmöglichkeiten stark zugenommen. Als Ergänzung zu bestehenden und zukünftigen EU-rechtlichen Regelungen hat die BaFin die Richtlinie für nachhaltiges Investmentvermögen entworfen und zur Konsultation gestellt. Dadurch soll Transparenz geschaffen und Investoren vor irreführender Vermarktung und damit einhergehendem Greenwashing geschützt werden.
Lesen Sie hierzu gerne für ausführlicheren Darstellungen in unserer Beiträge mit den Themen Sustainable Finance auf Grundlage des Richtlinienentwurfs und Anforderungen an ein nachhaltiges Investmentvermögen nach dem Richtlinienentwurf.
Auf der Jahrespressekonferenz teilte die BaFin mit, dass sie beschlossen habe, vor dem Hintergrund der dynamischen regulatorischen, energie- und geopolitischen Lage ihren Richtlinienentwurf für nachhaltige Investmentfonds zurückzustellen. Für eine dauerhafte Regulierung sei das derzeitige Umfeld nicht ausreichend stabil.
Damit dürfte nicht nur der Ukraine-Krieg angesprochen sein. Der Hinweis auf die dynamische Energielage sollte wohl auch als ein Hinweis auf die Pläne der EU-Kommission verstanden werden, Investitionen in Atomkraft als nachhaltig einzustufen.
Gleichzeitig teilte der Präsident der BaFin allerdings auch mit, dass die BaFin bestimmte Grundsätze anwenden wird, die sie bereits im Rahmen der Konsultation entwickelt hat. Zwar wird ein Beispiel aufgeführt, jedoch bleibt bisher unklar, welche Grundsätze konkret zur Anwendung kommen sollen.
Für die Praxis sind die Aussagen problematisch. Obwohl die BaFin betont, die geplante Richtlinie auf Eis zu legen, verkündet sie im selben Atemzug, dass „bestimmte“ Grundsätze doch Anwendung finden sollen. Sie führt allerdings nicht weiter aus, welche Grundsätze denn gemeint sind. Hierdurch entsteht Rechtsunsicherheit für Marktteilnehmer. Diese Unsicherheit wird dadurch verstärkt, dass der Richtlinienentwurf keinesfalls unumstritten ist. Von der Möglichkeit zur Stellungnahme im Rahmen der Konsultation haben diverse Interessenverbände Gebrauch gemacht. Deren Stellungnahmen kritisieren den Richtlinienentwurf vor allem im Hinblick auf die Widersprüchlichkeit zu derzeit geltendem EU-Recht im Kontext der Prävention von „Greenwashing“. Eine einheitliche, konsistente Verwaltungspraxis wird so nicht geschaffen. Das ist insofern problematisch, als dass Investmentfirmen und Anbieter die Vorgaben der BaFin einzuhalten haben, um Sanktionen zu vermeiden.
Vor diesem Hintergrund ist es derzeit schwierig, abzuschätzen, ob bzw. wann die BaFin eine Bezeichnung als „nachhaltig“ oder „grün“ akzeptiert oder für ungenügend erachtet. Rechtssicher agiert derzeit wohl nur, wer die Vorgaben aus dem Richtlinienentwurf der BaFin vollständig umgesetzt oder die BaFin vorab im Einzelfall konsultiert.
Mit freundlicher Unterstützung von Christopher Schmieder (LL.M. Boston University)