Bundesarbeitsgericht entscheidet über Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO sowie zur Zulässigkeit von Datenverarbeitung auf Grundlage einer Kollektivvereinbarung

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Dr. Barbara Geck

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Das Bundesarbeitsgericht hat am 22. September 2022 entschieden (8 AZR 209/21), dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verschiedene Fragen zum Arbeitnehmerdatenschutz zur Vorabentscheidung durch den EuGH vorzulegen. Die Fragen beziehen sich auf zwei Themen:

  1. Welche Anforderungen an den immateriellen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO zu stellen sind. 
  2. Inwiefern die Parteien einer Kollektivvereinbarung, z.B. einer Betriebsvereinbarung, einen Ermessensspielraum, dabei haben zu bestimmen, ob und inwieweit eine bestimmte Datenverarbeitung rechtmäßig sein kann und inwieweit solche Vereinbarungen einer gerichtlichen Überprüfung unterliegen. 

Weitere Informationen finden Sie hier

Voraussetzungen für Schadensersatzansprüche nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO

Das Bundesarbeitsgericht hat dabei zusammengefasst die folgenden Fragen in seinem Vorlagebeschluss an den EuGH gerichtet:

  • Setzt der Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO voraus, dass neben der Verletzung von datenschutzrechtlich geschützten Rechtsgütern die betroffene Person auch einen von ihr erlittenen konkreten Schaden – von einigem Gewicht – darlegen muss (beispielsweise der tatsächliche Verlust der Kontrolle über die Daten)?
  • Hat Art. 82 Abs. 1 DSGVO einen spezial- bzw. generalpräventiven Charakter, der bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens berücksichtigt werden muss?
  • Kommt es bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf den Grad des Verschuldens des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters an? Insbesondere, darf ein nicht vorliegendes oder geringes Verschulden auf Seiten des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters zu dessen Gunsten berücksichtigt werden?

Kollektivvereinbarung als Rechtsgrundlage nach § 26 BDSG?

Des Weiteren wurden Fragen in den Beschluss aufgenommen, die sich mit dem Spielraum der Parteien einer Kollektivvereinbarung befassen. Konkret wurden zusammengefasst Fragen aufgenommen, ob

  • § 26 Abs. 4 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) dahingehend auszulegen ist, dass stets auch die sonstigen Vorgaben der DSGVO – wie etwa Art. 5, Art. 6 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO – einzuhalten sind;
  • bejahendenfalls, ob § 26 Abs. 4 BDSG dahingehend ausgelegt werden kann, dass den Parteien einer Kollektivvereinbarung (hier den Parteien einer Betriebsvereinbarung) bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung ein Spielraum zusteht, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist;
  • bejahendenfalls worauf in einem solchen Fall die gerichtliche Kontrolle beschränkt werden darf.

Bundesarbeitsgericht bleibt seiner Linie zu immateriellen Schadensersatzansprüchen treu

Die Entscheidung kommt hinsichtlich der Fragen zu den Anforderungen an einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO nicht gänzlich überraschend und deckt sich teilweise bereits mit denen vom Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung (8-AZR-253-20) vom 26. August 2021 vorgelegten Fragen. Dabei bleibt das Bundesarbeitsgericht seiner bisherigen Haltung treu und entscheidet in der Sache nicht selbst, sondern gibt sie zunächst an den EuGH zur Klärung weiter. Dennoch stellt das Bundesarbeitsgericht mit der Vorlage dieser Fragen das Konzept des deutschen Rechts des immateriellen Schadensersatzes in Frage und führt den dem deutschen Recht fremden Gedanken des Strafschadensersatzes ein. Dies könnte auch Auswirkungen über das Datenschutz- und Arbeitsrecht hinaus haben.

Kollektivvereinbarung als Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung in Frage gestellt
Neu aufgeworfen werden dabei Fragen für die Anforderungen an eine Kollektivvereinbarung im Sinne des § 26 BDSG und deren Verhältnis zur DSGVO sowie dem Beurteilungsspielraum durch die Parteien der Kollektivvereinbarung oder einem Gericht. Somit stellt sich hier insbesondere die Frage, welche Anforderungen an Tarif- und Betriebsvereinbarungen zu stellen sind, die als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von Arbeitnehmerdaten dienen sollen. Dies dürfte insbesondere für Arbeitgeber:innen von Bedeutung sein, die über die nach § 26 BDSG hinausgehenden zur „Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung oder zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz oder einem Tarifvertrag, einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung (Kollektivvereinbarung) ergebenden Rechte und Pflichten (…)“ erforderliche Daten, etwa zu Analysezwecken, verarbeiten. Es bleibt abzuwarten, welche Anforderungen sich daraus für Tarif- und Betriebsvereinbarung ergeben, jedoch sollten sich Unternehmen bei der Beurteilung der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung von Arbeitnehmerdaten nicht allein auf Kollektivvereinbarungen verlassen.

(Bisher ist lediglich das Sitzungsergebnis auf der Seite des Bundesarbeitsgerichts veröffentlich werden, welches hier gefunden werden kann.)

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