Keine Einbeziehung von Aktienoptionen (Restricted Stock Units – „RSUs") durch Dritte bei der Berechnung der Karenzentschädigung

Werden einem Arbeitnehmer Aktienoptionen oder ähnliche Sonderleistungen von einem Dritten, etwa der Konzernobergesellschaft, gewährt, stellt dies keine vertragsgemäße Leistung des Arbeitgebers i. S. d. §§ 74 Absatz 2 HGB, 74 b Abs. 2 HGB dar.

Damit sind diese nicht bei der Berechnung einer Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zu berücksichtigen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich der Arbeitgeber ausdrücklich oder konkludent vertraglich dazu verpflichtet hat, neben der Konzernmutter selbst für die Aktienoptionen einstehen zu wollen. 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.08.2022 – 8 AZR 453/21

Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, so hat der Arbeitnehmer für die Dauer des Verbots einen Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung. Die sog. Karenzentschädigung beträgt mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen "vertragsmäßigen Leistungen" des Arbeitnehmers.

Das Bundesarbeitsgericht („BAG“) entschied über die Berechnung der Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot bei Leistungen durch Dritte, hier Restricted Stock Units („RSUs“). Dabei stellte es fest, dass dem Arbeitnehmer kein Anspruch auf eine erhöhte Karenzentschädigung aufgrund der Gewährung von RSUs durch die Konzernmutter zustehe. Damit bestätigte das BAG die klageabweisenden Urteile der Vorinstanzen LAG Hamm (Urteil v. 11.08.2021 – 10 Sa 284/21) sowie ArbG Minden (Urteil vom 17.02.2021 – 3 Ca 470/20) vollumfänglich.

Nachvertragliches Wettbewerbsverbot und Gewährung von RSUs

Der Kläger war von 2012 bis 2020 bei der Beklagten als Manager beschäftigt. Die Beklagte ist Mitglied einer Unternehmensgruppe, deren Konzernobergesellschaft ein US-amerikanisches Unternehmen ist. Der Kläger erhielt zusätzlich jährliche Bezugsrechte für Restricted Stock Units (RSUs) durch die Konzernobergesellschaft in den USA. Dies beruhte auf einem direkten Vertrag ("Global Restricted Stock Unit Award Agreements") mit der Konzernmutter. Dabei wurden zwar Vorschläge der Beklagten nach den Jahresgesprächen mit dem Kläger berücksichtigt. Die Konzernmutter hatte aber stets die finale Entscheidung über die Gewährung und Anzahl der jeweiligen RSUs. Die RSUs machten einen erheblichen Anteil seiner jährlichen Bezüge aus, so dass sich diese regelmäßig fast verdreifachten. Der Arbeitsvertrag enthält die Vereinbarung eines neunmonatigen konzernweiten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots. Für die Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots wird die Beklagte vertraglich verpflichtet, an den Kläger nach Ende der Anstellung eine Entschädigung zu zahlen, welche die Hälfte, der vom Angestellten zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht. Auf Veranlassung des Arbeitgebers endete das Arbeitsverhältnis auf der Grundlage einer Abwicklungsvereinbarung. Danach wurden für den Kläger noch alle noch nicht fälligen („not vested“) RSUs aus dem Jahr 2019 ausübbar gestellt. Der Kläger verlangt nun eine höhere Karenzentschädigung unter Einbeziehung der RSUs.

BAG: Nur Einbeziehung von Arbeitsvergütung für geleistete Arbeit

Das BAG entschied, dass der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Karenzentschädigung unter Einbeziehung der RSUs habe. Damit blieb die Klage in allen Instanzen erfolglos. Bei den RSUs handele es sich nicht um "vertragsmäßige Leistungen" nach der vertraglichen Vereinbarung und auch nicht im Sinne von §§ 74 Abs. 2, 74 b Abs. 2 HGB iVm § 110 GewO. Der Begriff der "vertragsmäßigen Leistungen" umfasse nur solche Leistungen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrags beruhen und die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer als Vergütung für geleistete Arbeit schuldet. Damit würde keine Einstandspflicht für Leistungen Dritter begründet. Der Kläger habe die jeweiligen Vereinbarungen über die Gewährung der RSUs nicht mit der Beklagten, sondern mit der Konzernmutter getroffen. Die Berücksichtigung der RSUs bei der Berechnung der Karenzentschädigung setze aber voraus, dass die Beklagte eine ausdrückliche oder konkludente Einstandspflicht übernommen hat. Dies ergibt sich vorliegend weder aus der vertraglichen Gestaltung noch aus den weiteren Umständen. Wenn der Arbeitgeber nicht zur Leistung der RSUs im laufenden Arbeitsverhältnis verpflichtet sei, so könne dies auch nicht bei der Zahlung der Karenzentschädigung Berücksichtigung finden. Auch das vertraglich vereinbarte „konzernweite“ Wettbewerbsverbot spreche nicht für eine Einbeziehung der RSUs. Selbst Informationen über die Höhe und die Gewährung können nicht zu einem gegenteiligen Ergebnis führen.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des BAG ist zu begrüßen. Das BAG bestätigt zu Recht die überzeugende Auffassung des LAGs und vermittelt Klarheit über die Einbeziehung von Leistungen bei der Karenzentschädigung. Zudem bestätigt es erneut, dass es sich bei Aktienoptionen und insbesondere RSUs durch Dritte eben nicht automatisch um Vergütung handelt, da sie aus Anlass eines Arbeitsverhältnisses gewährt werden. Die Rechtssicherheit entsprechender Vergütungsmodelle in Konzernunternehmen wird erhöht. Das Urteil zeigt wieder, wie wichtig die vertragliche Gestaltung im Zusammenhang mit Aktienoptionen und ähnlichen Sondervergütungen, die durch die Mutterobergesellschaft gewährt werden, ist. Neben möglichen Verschaffungs- und Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers können hierdurch auch hohe finanzielle Kosten aufgrund einer Karenzentschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot drohen. Arbeitgeber sind daher bei der Gewährung von etwaigen Aktienoptionen und ähnlichen Sonderleistungen durch die Konzernmutter gut beraten, jegliche (Mit-)Verpflichtungen des Arbeitgebers vertraglich ausdrücklich auszuschließen.

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