Mindestlohn, Bürgergeld, Whistleblowing und die Zukunft der Arbeit?

Geschrieben von

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Thomas Hey

Partner
Deutschland

Ich bin als Partner in unserer Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht in Düsseldorf tätig, verfüge über mehr als 20 Jahre Erfahrung und berate unsere Mandanten aus den Bereichen Banken- und Finanzdienstleistungen, Life Sciences und Gesundheitswesen, Einzelhandel und Konsumgüter sowie Sicherheit, Verteidigung und Raumfahrt.

Mit der neuen Bundesregierung stehen auch neue Gesetzesvorhaben ins Haus. Neben der Erhöhung des Mindestlohns sowie den angehobenen Entgeltgrenzen für geringfügige und sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen ist im Arbeitsrecht von einigen richtungsweisenden Neuerungen auszugehen. Wie so oft bleibt jedoch abzuwarten, in welchem Tempo die Vorhaben umgesetzt werden können.

Ende von Hartz IV – Start für Bürgergeld

Die Ampel-Koalition wird das Bürgergeld auf den Weg bringen und damit das Hartz-IV-Modell ablösen. Obwohl über die konkrete Höhe noch gestritten wird, dürfte sicher sein, dass eine Anpassung der Bezüge an die stark steigenden Lebenshaltungskosten erfolgen wird. Die neue Sozialleistung wird auch eine Neuregelung der Mitwirkungspflichten der Betroffenen gegenüber den Jobcentern mit sich bringen. Das Bundesverfassungsgerichts hatte die Hartz-IV-Regelungen bereits im Jahre 2019 als zum Teil verfassungswidrig erklärt.

Bildungs- und Qualifizierungspaket

Ein ganz großes Gesetzgebungspaket, zu dem auch das vorgenannte Bürgergeld gehört, ist zurzeit auf dem Weg. Geplant ist es, bis zum Sommer einen Referentenentwurf zu erarbeiten, diesen in den Gremien zu diskutieren und bis Weihnachten dann zu verabschieden. Die wichtigen Themen sind neben dem Bürgergeld, dem Ende von Hartz IV, eine Bildungsteilzeit, eine Ausdehnung der staatlichen Förderung von Fort- und Weiterbildung (Arbeit von Morgen Gesetz und Qualifizierungschancengesetz 2.0) sowie die generelle Stärkung von Initiativen „von-Arbeit-in-Arbeit“ und damit eine Bekämpfung des Fachkräfte- beziehungsweise Arbeitskräftemangels. Ob dies unmittelbar oder erst später möglich sein wird, ist noch unklar, aber zusätzlich wird hierzu auch eine Fachkräfteeinwanderung 2.0 kommen. Es dürfte politischer Konsens sein, dass wir aktuell einen Fachkräftemangel von circa 400.000 Personen haben. Manche sprechen sogar von Arbeitskräftemangel und es ist zu erwarten, dass die ukrainischen Geflüchteten diesen nur sehr teilweise abdecken werden. Der politische Konsens ist, dass dem Abhilfe geschaffen werden muss und hier die Potentiale gehoben werden sollen: Zum einen aus dem Kreis derjenigen, die in Deutschland noch ohne Arbeit sind; insbesondere auch durch Fort- und Weiterbildung und Wiederherstellung von der Arbeitsmarktfähigkeit, dann aber auch durch Integration von Geflüchteten und schließlich die Suche nach Arbeitskräften auch im Ausland.

Hinweisgeberschutz – Druck von der EU-Kommission

Die Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie (RL 2019/1937/EU) in nationales Recht steht bei der Bundesregierung hoch oben auf Agenda. Die Richtlinie entfaltet bereits seit dem
17. Dezember 2021 zum Teil rechtliche Wirkung und die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland aufgrund der fehlenden Umsetzung eingeleitet. Bisher liegt jedoch noch kein Gesetzesentwurf der Regierungsparteien vor, die Richtlinie gibt jedoch die Mindestanforderungen klar vor. Unter anderem werden Arbeitgeber zur Einrichtung interner Meldesysteme verpflichtet werden, um Hinweisgebern einen sicheren Weg aufzuzeigen, wie sie Rechtsverstöße des Arbeitgebers oder ihrer Kollegen melden können. Darüber hinaus muss das Gesetz den Schutz von Hinweisgebern gewährleisten, in dem es negative Folgen im Zusammenhang mit der Meldung verbietet und eine Beweislastumkehr zulasten der Arbeitgeber statuiert, bei der Frage, ob eine gegen den Hinweisgeber ergriffene Maßnahme in Zusammenhang mit der Meldung erfolgt ist. Offen ist noch, ob das deutsche Umsetzungsgesetz über die Mindestanforderungen der Richtlinie hinausgehen wird.

Gesetz zu Mobiler Arbeit?

Darüber hinaus ist mit Spannung zu erwarten, wie und in welchem Umfang die Bundesregierung Mobile Arbeit gesetzlich verankern wird, um die verworrene Rechtslage im Bereich flexibler Arbeitsmodelle aufzulösen. Nachdem die Gesetzesinitiative der Großen Koalition in der vergangenen Legislatur unvollendet blieb, ist nun sicherlich mit arbeitnehmerfreundlicheren Regelungen zu rechnen. Ungeklärt ist dabei nach wie vor die Frage, ob es einen Rechtsanspruch auf „Homeoffice“ geben wird oder nicht. Der Koalitionsvertrag einerseits und die gegensätzlichen Äußerungen des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil andererseits geben darüber keinen Aufschluss.

Arbeitszeiterfassung gemäß dem EuGH

Eine offene Baustelle besteht nach wie vor auf dem Gebiet der Arbeitszeiterfassung durch den Arbeitgeber. Laut dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019 (C-55/18) muss die tägliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers lückenlos durch zuverlässige Systeme dokumentiert werden, um die europäischen Vorgaben zur Arbeitszeit einhalten zu können. Die praktische Umsetzung würde jedoch einen sehr großen Aufwand für Arbeitgeber bedeuten, was auf erhebliche Kritik bei Arbeitgeberverbänden und der FDP stieß. Dieses sehr umstrittene Thema muss zeitnah einer gesetzlichen Lösung zugeführt werden.

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