Verbraucherschutzgesetze in Deutschland: Wichtige Neuerungen

Geschrieben von

leanoemi mackert module
Lea Noemi Mackert, LL.M.

Senior Counsel
Deutschland

Als Counsel und Mitglied unserer Praxisgruppen Commercial und Gewerblicher Rechtsschutz sowie der Sektorgruppen Medien, Unterhaltung & Sport und Technologie & Kommunikation berate ich nationale und internationale Mandanten in gerichtlichen und außergerichtlichen IT-, Media- und Commercial-Rechtsfragen und verfüge über umfassende Kenntnisse und Erfahrung in urheberrechtlichen Fragestellungen.

Die wichtigsten Änderungen aus der Vogelperspektive

In den letzten Jahren hat die EU eine Vielzahl von Richtlinien verabschiedet, die den EU-Verbraucherrechtsrahmen grundlegend verändert haben, unter anderem: 

Bis 1. Januar 2022 mussten die Richtlinie über den Verkauf von Waren und die Richtlinie über digitale Inhalte umgesetzt werden, während die Omnibus-Richtlinie in den Mitgliedstaaten bis zum 28. Mai 2022 umzusetzen ist. 

In Deutschland wurde das Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der neuen Verbraucherrichtlinien durch die Verabschiedung von vier verschiedenen Gesetzen abgeschlossen. Darüber hinaus hat der deutsche Gesetzgeber am 10. August 2021 ein weiteres Gesetz mit Auswirkungen auf die verbraucherrechtlichen Anforderungen verabschiedet, mit dem zusätzliche, über die EU-rechtlichen Vorgaben hinausgehende Verbraucherschutzvorschriften eingeführt wurden. Mit diesen deutschen Gesetzen werden eine Vielzahl neuer Anforderungen und Verpflichtungen sowie neue Sanktionen für Verstöße gegen das Verbraucherrecht eingeführt - darunter hohe Geldstrafen von bis zu 4 % des Jahresumsatzes in dem/den von dem Verstoß betroffenen Mitgliedstaat(en). 

Der Druck auf die Unternehmen, die Einhaltung des Verbraucherrechts zu gewährleisten, ist größer denn je. Für Unternehmen, die mit Verbrauchern zu tun haben, ist es daher höchste Zeit, sich mit dem Inhalt der neuen Verbraucherschutzgesetze vertraut zu machen und ihre Geschäftsbedingungen sowie Verfahren zu überprüfen und zu aktualisieren, um potenziell kostspielige Folgen zu vermeiden.

In Deutschland wurde das Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Omnibus-Richtlinie (2019/2161/EG) , der Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf (2019/771/EG)  und der Richtlinie über digitale Inhalte (2019/770/EG)  ("Neue Verbraucherrichtlinien") mit der Verabschiedung der folgenden Gesetze abgeschlossen: 

Darüber hinaus hat der deutsche Gesetzgeber am 10. August 2021 das Gesetz für faire Verbraucherverträge verabschiedet, das zusätzliche, über die Anforderungen des EU-Rechts hinausgehende Verbraucherschutzanforderungen begründet.

Die oben genannten Gesetze begründen eine Vielzahl neuer Anforderungen (z.B. neue Definition von Mängeln, verlängerte Beweislastumkehr und neue Vorgaben für personalisierte Preisgestaltungen, d.h. der dem Verbraucher angebotene Preis wird auf der Grundlage automatisierter Entscheidungsfindung und Verbraucherprofilen personalisiert) und zahlreiche neue Pflichten (z.B. Verpflichtung zur Bereitstellung von Updates; Bereitstellung von Garantien auf einem dauerhaften Datenträger; Einführung einer Schaltfläche für die Kündigung von Verträgen; zusätzliche vor- und nachvertragliche Informationspflichten) und setzen strengere Sanktionen für Verstöße gegen das Verbraucherrecht, einschließlich Geldbußen in Anlehnung an die DSGVO für „weitverbreitete Verstöße“ und „Verstöße mit Unions-Dimension“, sowie Schadensersatzansprüche von Verbrauchern fest. 
In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass die EU die Richtlinie über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher (2020/1828/EG) verabschiedet hat, mit der kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher eingeführt werden und die bis zum 25 Juni 2023 umgesetzt werden muss (für Details, siehe:. A new EU Directive signals the start of collective actions on behalf of the EU consumer (twobirds.com)).

Der Druck auf die Unternehmen, die Einhaltung des Verbraucherrechts zu gewährleisten, wird daher größer denn je sein. Für alle Unternehmen, die mit Verbrauchern zu tun haben, ist es daher höchste Zeit, sich mit den Inhalten der neuen Verbraucherschutzgesetze vertraut zu machen und Geschäftsbedingungen sowie Prozesse zu überprüfen und zu aktualisieren, um potenziell kostspielige Folgen zu vermeiden.

Wer ist von den Änderungen betroffen?

Die Neuen Verbraucherschutzgesetze sind für jedes Unternehmen relevant, das mit Verbrauchern zu tun hat; denn die neuen Bestimmungen gelten sowohl für Online- als auch Offline-Verträge und umfassen  

  • traditionelle, analoge Waren, 
  • Waren mit digitalen Elementen (z. B. Smart-TVs, Smartphones, Smartwatches), 
  • digitale Waren/Inhalte (z.B. Betriebssysteme, Apps und andere Software), und
  • digitale Dienstleistungen (z.B. Software-as-a-Service in der Cloud-Computing-Umgebung, kontinuierliche Bereitstellung von Verkehrsdaten in einem Navigationssystem, kontinuierliche Bereitstellung von individuell angepassten Trainingsplänen im Falle einer Smartwatch). 

Außerdem können aufgrund des Rückgriffsanspruches auch Unternehmen in früheren Teilen der Lieferkette (z.B. Hersteller mit einem indirekten Vertriebssystem) betroffen sein. 

Welche neuen Pflichten werden begründet?

Die neuen Verbraucherschutzgesetze ergänzen die bestehenden verbraucherrechtlichen Vorschriften und führen verschiedene neue Anforderungen ein, darunter die in diesem Abschnitt dargelegten Vorgaben.
Die neuen Verbraucherschutzgesetze schaffen teilweise unterschiedliche Regelungen für analoge Waren (Anwendung der §§ 434 ff. BGB), Waren mit digitalen Elementen (Anwendung der §§ 434 ff., 475b ff. und 327 ff. BGB) und digitale Waren und Dienstleistungen ("digitale Produkte", Anwendung der §§ 327d ff. BGB). Betroffene Unternehmen sollten daher in einem ersten Schritt prüfen, in welche Kategorie ihre Produkte und Dienstleistungen jeweils fallen. 

1. Für alle Unternehmen, die Waren/Dienstleistungen Verbrauchern anbieten

Die Bestimmungen dieses Abschnitts gelten für alle Arten von Waren und Dienstleistungen, d.h. für analoge Produkte, Produkte mit digitalen Elementen sowie digitale Produkte: 

  • Bezahlen mit Daten (§§ 312 Abs. 1a und 327 BGB). Derzeit gelten die Verbraucherschutzvorschriften der §§ 312 ff. BGB nur für Verbraucherverträge, die eine "entgeltliche" Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben. Seit 2022 gelten die Vorschriften für Verbraucherverträge dann, wenn der Unternehmer dem Verbraucher etwas liefert und der Verbraucher entweder einen Preis bezahlt oder mit persönlichen Daten "bezahlt". Eine Zahlung mit Daten setzt voraus, dass der Verbraucher dem Unternehmer personenbezogene Daten bereitstellt oder sich hierzu verpflichtet, es sei denn die personenbezogenen Daten werden vom Unternehmer ausschließlich zum Zwecke der Erfüllung vertraglicher Pflichten oder zur Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, denen der Unternehmer unterliegt, verarbeitet. Folglich gelten die strengen Regeln der §§ 312 ff. BGB auch dann, wenn ein Unternehmer personenbezogene Daten jedenfalls auch für andere Zwecke als die reine Vertragserfüllung und/oder die Einhaltung von Gesetzen verwenden will (z.B. für Marketingzwecke).
  • Neue Definition des Sachmangelbegriffes, die sowohl objektive als auch subjektive Anforderungen festlegt (§§ 434 und 327e BGB). Es wurde eine neue Definition von Mängeln eingeführt, die die Einhaltung subjektiver und objektiver Anforderungen verlangt, nämlich: 
    • um den subjektiven Anforderungen zu entsprechen, müssen die Waren (i) die vereinbarte Beschaffenheit (d.h. u.a. Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität und Interoperabilität und sonstigen Merkmale) aufweisen; (ii) für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung geeignet sein und (iii) mit dem vereinbarten Zubehör und Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanweisungen, geliefert werden; und
    • um den objektiven Anforderungen zu entsprechen, müssen die Waren insbesondere: (i) für die gewöhnliche Verwendung geeignet sein (d.h. für die Zwecke geeignet sein, für die Waren der gleichen Art unter Berücksichtigung bestehender technischer Normen und anwendbarer branchenspezifischer Verhaltenskodizes üblicherweise verwendet werden); (ii) von üblicher Beschaffenheit sein (d.h. in der Menge und mit den Eigenschaften und Leistungsmerkmalen, auch in Bezug auf Funktionalität, Kompatibilität, Haltbarkeit und Sicherheit, die für Waren der gleichen Art üblich sind und die der Verbraucher angesichts der Art der Waren und unter Berücksichtigung öffentlicher Erklärungen des Unternehmers oder anderer Personen in früheren Teilen der Lieferkette vernünftigerweise erwarten kann); (iii) mit dem Zubehör (einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen) übergeben werden, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.
  • Strenge Anforderungen an die Abweichung von objektiven Kriterien (§§ 476 und 327h BGB). Für eine Abweichungen von den objektiven Anforderungen (siehe vorheriger Punkt) gelten sehr strenge Voraussetzungen: der Verbraucher muss vor der Abgabe seiner Vertragserklärung ausdrücklich darüber informiert werden, dass ein bestimmtes Merkmal von den objektiven Anforderungen abweicht. Zusätzlich muss der Verbraucher dies bei Vertragsabschluss ausdrücklich und gesondert akzeptieren.
  • Strenge Anforderungen an die Nacherfüllung (§§ 439 und 327l BGB). Im Falle der Nacherfüllung kommt eine Verpflichtung zur Rücknahme der mangelhaften Sache auf Kosten des Käufers hinzu. Außerdem hat der Verbraucher grundsätzlich die Wahl zwischen Nachbesserung und Nachlieferung, die (i) kostenlos, (ii) innerhalb einer angemessenen Frist und (iii) ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen muss.
  • Verlängerung der Beweislastastumkehr (§§ 477 und 327k BGB).  Die Beweislastumkehr bei Mängeln in einem Kaufvertrag wird von sechs (6) Monaten auf ein Jahr verlängert. Bei Verbraucherkäufen muss der Verkäufer die Mangelfreiheit der Kaufsache nicht nur - wie bisher - in den ersten sechs (6) Monaten, sondern in den ersten zwölf (12) Monaten nach Übergabe der Kaufsache beweisen. Die Beweislasterweiterung bei Verbrauchergeschäften wird damit erheblich zu Lasten des Verkäufers verschärft. Wie bisher kann die gesetzliche Vermutung widerlegt werden, etwa wenn der Verkäufer nachweisen kann, dass der Mangel durch unsachgemäße Behandlung oder Abnutzung verursacht wurde. Ein solcher Nachweis kann jedoch kostspielig und schwierig sein. Die Verdoppelung der Frist auf ein Jahr wird die Unternehmer daher höchstwahrscheinlich mit mehr Streitigkeiten und höheren Kosten belasten.
  • Beschränkung der Vereinbarung von Vertragslaufzeiten (§ 309 Nr.9 BGB). Der Abschluss von langfristigen Verträgen mittels Allgemeiner Geschäftsbedingungen wird erschwert, da Vertragsverhältnisse, welche die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen zum Gegenstand haben, künftig nicht mehr (i) eine Erstlaufzeit von mehr als zwei (2) Jahren; (ii) eine automatische stillschweigende Verlängerung (außer einer Verlängerung auf unbestimmte Zeit mit monatlichem Kündigungsrecht) und/oder (iii) eine Kündigungsfrist von mehr als einem (1) Monat zum Ende der Erstlaufzeit haben dürfen. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine deutsche Besonderheit.
  • Form und Umfang kommerzieller Garantien (§ 479 BGB). Es wird eine Verpflichtung zur Bereitstellung von Garantien auf einem dauerhaften Datenträger begründet (z.B. Druck, CD, USB-Stick, E-Mail mit PDF). Bietet ein Hersteller eine Haltbarkeitsgarantie an, so haftet er darüber hinaus während des gesamten Zeitraums der Garantie unmittelbar gegenüber dem Verbraucher auf Nacherfüllung. Das bedeutet, dass eine Garantie in Zukunft den Umfang des gesetzlichen Nacherfüllungsanspruchs haben muss.
  • Strenges Rückgriffsrecht innerhalb der Lieferkette (§§ 445a, 445c und 327u BGB). Das Rückgriffsrecht innerhalb der Lieferkette wird um die Rücknahmekosten, die Verpflichtung zum Ersatz von Aufwendungen, die dem Verkäufer durch eine Verletzung der Update-Pflicht (s.u.) entstanden sind, sowie die Abschaffung der Höchstfrist für die Verjährung erweitert.
  • Kein Abtretungsausschluss (§ 308 Nr. 9 BGB). Um sicherzustellen, dass Verbraucher ihre Forderungen abtreten können, sind Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die eine Abtretung durch den Verbraucher an Dritte verbieten, nicht zulässig und nicht durchsetzbar. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine deutsche Besonderheit.
  • Personalisierte Preisgestaltung (Artikel 246a, § 1 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB). Unternehmer sind verpflichtet, Verbraucher darüber zu informieren, wenn ein ihnen angebotener Preis auf der Grundlage einer automatisierten Entscheidungsfindung und Verbraucherprofilen personalisiert wurde.

2. Für alle Unternehmen, die Verbrauchern Waren/Dienstleistungen über den elektronischen Handel anbieten

  • Pflicht zur Einrichtung eines Kündigungs-Buttons (§ 312k BGB). Unternehmer müssen künftig eine Schaltfläche für Kündigungen einrichten, die es Verbrauchern ermöglicht, laufende Verträge, die auf Websites abgeschlossen werden, zu beenden. Die Funktionalität ist verpflichtend und muss dauerhaft zugänglich sein. Zudem muss sie gut lesbar und deutlich beschriftet sein (zum Beispiel mit dem Text "Verträge hier kündigen"). Die Schaltfläche muss die Verbraucher zu einer Bestätigungsseite führen, auf der sie Angaben machen können zu: (i) der Art der Kündigung und, im Falle einer außerordentlichen Kündigung, den Grund für die Kündigung; (ii) einer eindeutigen Identifizierung; (iii) einer eindeutigen Identifizierung des Vertrags; (iv) dem Zeitpunkt, zu dem die Kündigung wirksam wird; und (v) Kontaktdaten, um die Kündigung problemlos auf elektronischem Wege zu bestätigen. Die Website muss auch eine Bestätigungsschaltfläche enthalten, über die die Verbraucher die Kündigung direkt übermitteln können. Sie muss gut lesbar und ausschließlich mit den Worten "Jetzt kündigen" oder einer ähnlich klaren Formulierung beschriftet sein. Diese Verpflichtung ergibt sich nicht aus den neuen Verbraucherrichtlinien, sondern gilt nur in Deutschland.
  • Gefälschte Bewertungen und Vermerke (§ 5b Abs. 3 UWG). Die Abgabe oder das Inauftraggeben einer gefälschten Bewertung oder eines Vermerks (ein Verhalten, das geeignet ist, gegen bestehende Verbraucherschutzgesetze zu verstoßen) ist ausdrücklich verboten. Darüber hinaus sollen Unternehmer verpflichtet werden, die angemessenen und verhältnismäßigen Schritte zu begründen, die sie unternommen haben, um sicherzustellen, dass die Bewertungen auf ihrer Website echt sind, wie z. B. die Beschränkung von Bewertungsmöglichkeiten nur für geprüfte Käufer (also etwa wie die Echtheit von Verbraucherbewertungen überprüft wird).

3. Für alle Unternehmer, die Verbrauchern Waren mit digitalen Elementen anbieten: 

Die nachstehenden Anforderungen gelten für Waren mit digitalen Elementen, d. h. für Waren, die digitale Produkte enthalten oder so mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktionen nicht ohne diese digitalen Produkte erfüllen können. 

  • Pflicht zur Bereitstellung von Updates (§ 475b BGB). Um mangelfrei zu sein müssen Waren mit digitalen Elementen (zusätzlich zu den objektiven und subjektiven Anforderungen, die für alle Waren gelten) entsprechend der vertraglichen Vereinbarung und soweit zur Aufrechterhaltung der Vertragsmäßigkeit der Ware erforderlich aktualisiert werden. Der Verbraucher muss während des relevanten Zeitraums über solche Aktualisierungen, einschließlich Sicherheitsaktualisierungen, informiert werden und diese erhalten. Eine feste Frist wurde nicht festgelegt, vielmehr soll die Pflicht für den Zeitraum gelten, den der Verbraucher angesichts der Art und des Zwecks der Waren vernünftigerweise erwarten kann. Bei der Frage, wie lange der Verbraucher berechtigterweise Aktualisierungen erwarten kann, können Werbeaussagen, die für die Herstellung der Waren verwendeten Materialien und der Kaufpreis eine Rolle spielen. Je höher die Qualität der Waren ist, desto länger kann man erwarten, dass sie aktualisiert werden. Auch die übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer von Waren gleicher Art spielt eine Rolle. Die fehlende Bestimmtheit des relevanten Zeitraums wird voraussichtlich für Rechtsunsicherheit sorgen.
  • Längere Verjährungsfrist (§ 475e BGB). Ansprüche, die auf einer Verletzung der Aktualisierungspflicht beruhen, verjähren nicht vor Ablauf von zwölf (12) Monaten nach dem Ende des Zeitraums der Aktualisierungspflicht. Ferner gilt: Wenn ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist zu Tage getreten ist, tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von vier (4) Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat.
  • Geringere Anforderungen an Rücktritt und Minderung durch Verbraucher (§ 475d BGB). Die Anforderungen an einen Rücktritt und eine Minderung werden gesenkt, da der Verbraucher nicht mehr verpflichtet ist, aktiv eine Frist zu setzen. Der Verbraucher kann vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern, wenn er dem Verkäufer den Mangel mitteilt und dieser den Mangel nicht innerhalb einer angemessenen Frist beseitigt. Bei einem besonders schwerwiegenden Mangel ist darüber hinaus ein sofortiger Rücktritt möglich. Eine Fristsetzung ist dann auch für einen Schadensersatzanspruch nicht erforderlich.
  • Aktualisierung der vorvertraglichen Informationen (Artikel 246a, § 1 Abs. 1 Nr. 17 und 18 EGBGB). Die Liste der vorvertraglichen Informationen wurde aktualisiert und umfasst u.a. die Funktionsweise (inkl. anwendbarer technischer Schutzmaßnahmen) von Waren mit digitalen Elementen und digitalen Produkten sowie die relevante Kompatibilität und Interoperabilität mit Hard- und Software, die dem Unternehmer bekannt ist oder von der vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er davon Kenntnis hat.

4. Für alle Unternehmen, die digitale Produkte für Verbraucher anbieten: 

Für Verträge, die die Bereitstellung digitaler Inhalte und/oder digitaler Dienstleistungen (d.h. digitaler Produkte) durch einen Unternehmer gegen Zahlung eines Preises oder die Bezahlung mit Daten zum Gegenstand haben (vgl. Abschnitt 1), gelten neue, besondere Regelungen:

  • Für digitale Produkte gelten ähnliche Regelungen wie für Waren mit digitalen Elementen hinsichtlich der Aktualisierungspflicht (§ 327e BGB), der Verjährung (§ 327j BGB), des Rücktritts und der Minderung (§ 327m BGB) sowie der vorvertraglichen Information (Artikel 246a, § 1 Abs. 1 Nr. 17 und 18 EGBGB).
  • Unverzügliche Lieferung (§§ 327b und 327c BGB). Unternehmer sind verpflichtet, digitale Produkte unverzüglich nach Vertragsschluss an den Verbraucher zu liefern, sofern nichts anderes vereinbart ist. Hat ein Unternehmer das digitale Produkt nicht geliefert, so hat der Verbraucher den Unternehmer zur Lieferung aufzufordern. Wenn der Unternehmer dies nicht unverzüglich oder nicht innerhalb einer von den Parteien ausdrücklich vereinbarten zusätzlichen Frist tut, hat der Verbraucher das Recht, den Vertrag zu beenden. Der Verbraucher ist berechtigt, den Vertrag unverzüglich zu beenden, wenn (i) der Unternehmer erklärt hat oder sich aus den Umständen gleichermaßen eindeutig ergibt, dass er nicht liefern wird; (ii) der Verbraucher und der Unternehmer vereinbart haben oder sich aus den Umständen des Vertragsschlusses eindeutig ergibt, dass ein bestimmter Zeitpunkt für die Lieferung für den Verbraucher wesentlich ist, und der Unternehmer das digitale Produkt nicht bis zu diesem Zeitpunkt oder zu diesem Zeitpunkt liefert.
  • Bereitstellung der aktuellen Version (§ 327e Abs.3 Nr.6 BGB). Sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, müssen digitale Produkte in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses verfügbaren neuesten Version bereitgestellt werden.
  • Strikte Pflichten im Nachgang zu einer Kündigung (327p BGB). Der Unternehmer hat es nach Vertragsbeendigung zu unterlassen, andere Inhalte als personenbezogene Daten zu verwenden, die vom Verbraucher bereitgestellt oder erstellt wurden, es sei denn, dass diese Inhalte (i) außerhalb des Kontextes der vom Unternehmer gelieferten digitalen Inhalte oder des digitalen Produkts keinen Nutzen haben; (ii) ausschließlich mit der Nutzung des vom Unternehmer bereitgestellten digitalen Produkts durch den Verbraucher zusammenhängen; (iii) vom Unternehmer mit anderen Daten aggregiert wurden und nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand disaggregiert werden können; oder (iv) vom Verbraucher gemeinsam mit anderen erzeugt wurden, sofern andere Verbraucher die Inhalte weiterhin nutzen können. Der Unternehmer stellt auf Anfrage des Verbrauchers - mit Ausnahme der Fälle (i) - (iii) - alle Inhalte zur Verfügung, die vom Verbraucher zur Verfügung gestellt/erstellt wurden und bei denen es sich nicht um personenbezogene Daten handelt. Der Unternehmer muss dem Verbraucher die Inhalte unentgeltlich, ohne Behinderung, innerhalb einer angemessenen Frist und in einem gängigen und maschinenlesbaren Format bereitstellen.
  • Strikte Anforderungen an die Änderungen von digitalen Produkten (§ 327r BGB). Unternehmer dürfen Änderungen digitaler Produkte, die über das hinausgehen, was zur Wahrung der Vertragsmäßigkeit erforderlich ist, nur vornehmen, wenn (i) der Vertrag dies vorsieht und einen triftigen Grund hierfür enthält, (ii) dem Verbraucher durch die Änderung keine zusätzlichen Kosten entstehen und (iii) der Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über die Änderung informiert wird. Darüber hinaus dürfen Unternehmer nur dann eine Änderung an digitalen Produkten vornehmen, welche die Zugriffsmöglichkeit oder die Nutzbarkeit beeinträchtigt, wenn der Unternehmer den Verbraucher innerhalb einer angemessenen Frist vor dem Zeitpunkt der Änderung ebenfalls mittels eines dauerhaften Datenträgers über die Änderung informiert. Diese Information muss Angaben enthalten zu (i) den Merkmalen und dem Zeitpunkt der Änderung und (ii) dem Recht des Verbrauchers auf Beendigung bzw. auf Beibehaltung der ursprünglichen Version (siehe nächsten Satz), es sei denn, die Beeinträchtigung der Zugriffsmöglichkeit oder Nutzbarkeit ist nur unerheblich. Beeinträchtigt eine Änderung die Zugriffsmöglichkeit oder Nutzbarkeit, kann der Verbraucher den Vertrag innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt der Information bzw. Inkrafttreten der Änderung (je nachdem was später erfolgt) kostenlos kündigen. Ein Kündigungsrecht ist jedoch ausgeschlossen, wenn (i) die Beeinträchtigung nur unerheblich ist oder (ii) dem Verbraucher der Zugang zu dem unveränderten digitalen Produkt und die Nutzbarkeit des unveränderten digitalen Produkts ohne zusätzliche Kosten weiterhin möglich ist.

5. Für alle Online-Marktplätze:

Nach den jüngsten Änderungen durch die P2B-Verordnung (siehe Artikel) gelten für Marktplätze zusätzliche Anforderungen, wie etwa:

  • Ranking und Suchergebnisse (§ 5b Abs.2 UWG). Unternehmer müssen klare Angaben zu den Kriterien machen, nach denen die Produkte in der Online-Suche angeordnet werden, und bezahlte Werbung offenlegen sowie angeben, ob bestimmte Zahlungen geleistet wurden, um eine höhere Anordnung zu erreichen.
  • Art des Vertrags (§ 5b Abs.6 UWG). Online-Marktplätze sind verpflichtet, die Verbraucher darüber zu informieren, ob ein Artikel von einer Privatperson gekauft wurde, und dass Transaktionen mit Privatpersonen nicht unter die EU-Verbraucherschutzvorschriften fallen.

Was sind die möglichen Folgen von Verstößen gegen die Verpflichtungen?

Grundsätzlich kann ein Verstoß gegen Verbraucherschutzgesetze eine unlautere Geschäftspraxis darstellen, die Wettbewerber und Verbraucherschutzbehörden dazu berechtigt, Abmahnungen zu übersenden, in denen sie die Unterlassung des Verstoßes auf der Grundlage des UWG sowie die Erstattung der (gesetzlichen) Anwaltskosten für die Übersendung der Abmahnung fordern. 

Darüber hinaus führen die Umsetzungsgesetze hinsichtlich der Omnibusrichtlinie Sanktionen für bestimmte Verstöße gegen 

ein. Ähnlich wie bei der DSGVO sehen die Gesetze zur Umsetzung der Omnibusrichtlinie vor, dass zusätzlich zu den bestehenden Sanktionen Geldbußen in Höhe von mindestens 4 % des Jahresumsatzes des Unternehmers in dem/den betreffenden Mitgliedstaat(en) im Rahmen des durch die Verordnung (EU) 2017/2394 des Europäischen Parlaments und des Rates geschaffenen Verfahrens verhängt werden können. Allerdings nur, wenn ein "weitverbreiteter Verstoß" (d. h., Zuwiderhandlungen in mindestens drei Mitgliedstaaten) und/oder ein "Verstoß mit Unions-Dimension" (d. h. Zuwiderhandlung in mindestens zwei Dritteln der Mitgliedstaaten, auf die zusammen mindestens zwei Drittel der Bevölkerung der Union entfallen) vorliegt. Sind keine Angaben zum Jahresumsatz bekannt, kann die Geldbuße einen Höchstbetrag von mindestens 2 Mio. EUR betragen.

Es droht also nicht nur eine Durchsetzung durch Behörden, sondern auch durch Wettbewerber und Verbraucherschutzorganisationen, was in der Praxis nicht unterschätzt werden sollte. 
Darüber hinaus wird in das UWG ein Schadensersatzanspruch aufgenommen, nach dem Verbraucher im Falle einer schuldhaften (vorsätzlichen oder fahrlässigen) unlauteren Geschäftspraxis gemäß § 3 UWG und/oder einer schuldhaften unzumutbaren Belästigung gemäß § 7 UWG Schadensersatz verlangen können. 

Wann treten die Änderungen in Kraft?

Die neuen Verbraucherschutzgesetze treten in verschiedenen Stufen in Kraft.

  • Das Gesetz über den Verbrauchsgüterkauf und das Gesetz über digitale Inhalte und Dienstleistungen traten am 1. Januar 2022 in Kraft, ebenso wie die meisten Bestimmungen des Gesetzes über faire Verbrauchervertragsbedingungen (mit Ausnahme der Beschränkung auf die Vereinbarung der Vertragslaufzeit nach § 309 Nr. 9 BGB, die am 1. März 2022 in Kraft trat, und des Widerrufsrechts nach § 312k BGB, das ab dem 1. Juli 2022 vorgeschrieben ist), und
  • die Umsetzungsgesetze hinsichtlich der Omnibusrichtlinie, welche die oben genannten Sanktionen vorsehen, treten am 28. Mai 2022 in Kraft.

Ausblick

Die neuen Verbraucherschutzgesetze erlegen Unternehmern und Händlern mehrere neue und weitreichende Verpflichtungen auf, die zeitnah umgesetzt werden müssen; dies erfordert die Überprüfung und Aktualisierung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (z. B. zusätzliche Informationspflichten), von Verfahren (z. B. Aktualisierungspflicht) sowie des technischen Setups (z. B. Einführung eines Kündigungs-Buttons). Unternehmen sollten sich so schnell wie möglich mit diesen neuen Anforderungen vertraut machen.

Wie bereits erwähnt, hat die EU auch die Richtlinie über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher (2020/1828/EG) verabschiedet, mit der kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren für Verbraucher eingeführt werden und die bis zum 25. Juni 2023 umgesetzt werden muss. Sobald diese Richtlinie umgesetzt ist, können repräsentative Klagen gegen Verstöße von Unternehmern gegen bestimmte nationale Gesetze, die die Kollektivinteressen der Verbraucher schädigen oder schädigen könnten, zur Umsetzung von EU-Recht erhoben werden (u. a. die Richtlinie über den Verkauf von Waren, die Richtlinie über digitale Inhalte, die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, die Richtlinie über Preisangaben, die Richtlinie über Verbraucherrechte, die Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln usw.).

Man kann daher mit einer strengeren Durchsetzung der Verbrauchergesetze durch individuelle und kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren sowie die Verhängung von Geldbußen rechnen.

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