Arbeitnehmerüberlassung, Werk- bzw. Dienstvertrag oder doch Arbeitsverhältnis?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) befasste sich in diesem Urteil erneut mit der Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung von einem Werk- oder Dienstvertrag und führte interessante Aspekte zur Darlegungs- und Beweislast an.

Was war Gegenstand der Entscheidung? 

Die Parteien stritten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist.

Der Kläger und die B-GmbH schlossen mit Wirkung zum 1. Juli 2010 ein Arbeitsverhältnis. Seit dem 1. Juli 2010 war der Kläger ununterbrochen bis zum 30. April 2018 im Betrieb der Beklagten, welche im Bereich der Automobilindustrie tätig ist, eingesetzt. Über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügte die B-GmbH nicht. Der Kläger war bei der Beklagten innerhalb eines Teams als Systemingenieur tätig. Den Teams gehörten Mitarbeiter der Beklagten und Arbeitnehmer der B-GmbH an. Die Kommunikation innerhalb des Teams erfolgte größtenteils per E-Mail, die unmittelbar an alle dort eingesetzten Mitarbeiter gerichtet waren. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass zum 1. Juli 2010 ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei, weil er der Beklagten unerlaubt zur Arbeitsleistung überlassen worden sei. Er habe nach Arbeitsanweisungen der Beklagten mit den bei ihr angestellten Arbeitnehmern in demselben Team gearbeitet und sei in den Betrieb eingegliedert gewesen.  

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Der Kläger sei als Erfüllungsgehilfe der B-GmbH im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags tätig gewesen, der am 30. April 2018 geendet habe. 

Das zuständige Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht gaben der Klage statt. Das BAG hingegen hob das Urteil auf und wies es an das Landesarbeitsgericht zurück. 

Keine Entscheidung ohne umfassende Abwägung der tatsächlichen Umstände

Zur Begründung führte das BAG an, dass es auf Grundlage der durch das Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht möglich sei abschließend zu entscheiden, ob ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zustande gekommen ist.

Arbeitnehmerüberlassung liege vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt würden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen. 

Demgegenüber sei bei der Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiere die notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibe für die Erfüllung der im Vertrag vorgesehenen Leistungspflichten verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterlägen den Weisungen des Unternehmers und seien dessen Erfüllungsgehilfen.

Vor diesem Hintergrund wies das BAG auf folgendes hin:

Wenn Kriterien für die Annahme, der Kläger sei als Erfüllungsgehilfe der B-GmbH im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags tätig geworden und andere Kriterien für das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung sprechen, hat das Tatsachengericht eine umfassende Abwägung aller in die Entscheidung einzustellenden Gesichtspunkte vorzunehmen. Dementsprechend habe das erkennende Gericht die seiner Entscheidung zugrunde liegenden Aspekte zu benennen, zu gewichten und schließlich im Wege der Abwägung nachvollziehbar zu erläutern, aus welchen Gründen es in der Gesamtbetrachtung zu dem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt.

Maßgeblich zur Einordnung ist dabei die praktische Handhabung, weil sich aus dieser am ehesten Rückschlüsse ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben. Der so ermittelte wirkliche Wille der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit den Vertragstyp. 
Dabei hat der Arbeitnehmer die Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, aus denen sich ergeben soll, dass ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Vorliegend habe der darlegungs- und beweisbelastete Kläger, nicht genug Indizien für das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung vorgetragen.

Das BAG führte an, dass die Ausführungen des Landesarbeitsgerichtes nicht erkennen lassen, welches Gewicht den abwägungsrelevanten Gesichtspunkten beigemessen hat, noch lasse sich entnehmen, wie die Gründe, die für ein Überwiegen der Indizien sprechen, auf eine Arbeitnehmerüberlassung geschlossen werden soll.

Wichtig für Arbeitgeber: alle Indizien ausräumen

Für Arbeitgeber enthält die Entscheidung zwei wesentliche Aussagen. Zum einen bestätigt das BAG seine bisherige Rechtsprechung zur Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung zum Werk- oder Dienstvertrag. Zum anderen legt es die Bedeutung für Arbeitgeber dar, jegliche Indizien auszuräumen, die für eine weisungsgebundene Tätigkeit und eine Eingliederung von Dritten überlassenen Arbeitnehmern sprechen könnten. Denn Arbeitnehmer müssen zunächst die Tatsachen vortragen, aufgrund derer sie meinen zur Arbeitsleistung überlassen zu sein. Erst, wenn alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft sind, kann von dem jeweiligen Arbeitgeber verlangt werden, dass er für das Gegenteil sprechende Tatsachen und Umstände anführt. 

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