Das Lieferkettengesetz im Mittelstand - Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gibt KMU praktische Hinweise zur Zusammenarbeit mit verpflichteten Unternehmen zwecks Umsetzung des LkSG

Am 1. Januar 2023 ist das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (nachfolgend „LkSG“) in Deutschland in Kraft getreten. Unternehmen, die in den Anwendungsbereich des LkSG fallen, müssen umfangreiche Sorgfaltspflichten zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt in der Lieferkette erfüllen. In der Praxis ist zu beobachten, dass viele der verpflichteten Unternehmen diese Sorgfaltspflichten an ihre unmittelbaren Zulieferer – oftmals kleine und mittlere Unternehmen (nachfolgend „KMU“) – zumindest teilweise weiterreichen und von diesen verlangen, sie bei der Erfüllung der Sorgfaltspflichten des LkSG zu unterstützen. KMU stehen daher regelmäßig vor der Frage, wie beispielsweise mit umfassenden Datenabfragen und neuen vertraglichen Regelungen der Kunden im Rahmen von Vertragsverhandlungen umzugehen ist.

Vor diesem Hintergrund hat die für die Umsetzung des LkSG zuständige Kontrollbehörde, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), am 29. Juni 2023 einen Katalog mit den wichtigsten Fragen und Antworten sowie eine Zusammenfassung der Handreichung zur Zusammenarbeit in der Lieferkette für KMU veröffentlicht. Die neuen Papiere geben wertvolle Hinweise, wozu KMU nach der aktuellen Rechtslage verpflichtet sind und wie sich das BAFA eine partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Lieferkette vorstellt. Zwar verhindern die Papiere des BAFA keineswegs eine intensive Auseinandersetzung mit den Anliegen verpflichteter Unternehmen im Rahmen von Vertragsverhandlungen, die Papiere bieten KMU aber zumindest ein gewisses Argumentationspotential für anstehende Verhandlungen.

Keine gesetzliche Verpflichtung für KMU

Zur Orientierung: Vom unmittelbaren Anwendungsbereich des LkSG werden in Deutschland ansässige Unternehmen erst ab einer bestimmten Größe (gemessen an der Personalstärke) erfasst. Seit dem 1. Januar 2023 verpflichtet das LkSG Unternehmen, die in der Regel mindestens 3.000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigen. Ab dem 1. Januar 2024 erstreckt sich das Gesetz dann auch auf Unternehmen mit in der Regel mindestens 1.000 Arbeitnehmern im Inland. Unternehmen, die weniger als 1.000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigen und denen keine Mitarbeiter anderer konzernangehöriger Unternehmen zugerechnet werden, fallen daher Stand jetzt grundsätzlich nicht in den unmittelbaren Anwendungsbereich des LkSG. KMU sind also weder dazu verpflichtet, die gesetzlichen Sorgfalts- oder Berichtspflichten zu erfüllen noch müssen sie derzeit mit intensiven Kontrollen, Zwangsmaßnahmen oder Sanktionen durch das BAFA rechnen.

Vertragliche Zusammenarbeit vom LkSG teilweise vorausgesetzt

Gleichwohl kommen KMU mit dem LkSG nahezu täglich in Berührung. Denn unsere Erfahrungen der vergangenen Monate zeigen, dass die nach dem LkSG verpflichteten Unternehmen ihre gesetzlichen Sorgfaltspflichten üblicherweise entlang der Lieferkette an die KMU weiterreichen wollen (sog. trickle-down-Effekt). 

Grundsätzlich sieht die Konzipierung des LkSG eine solche Vorgehensweise und insbesondere eine vertragliche Zusammenarbeit mit den unmittelbaren Zulieferern in seinen §§ 6 und 7 LkSG auch voraus. So sind Unternehmen, die in den Anwendungsbereich des LkSG fallen, unter gewissen Voraussetzungen beispielsweise dazu verpflichtet, sich gegenüber unmittelbaren Zulieferern vertraglich die Möglichkeit bestimmter Präventions- und Abhilfemaßnahmen einräumen zu lassen. Denn nur so können verpflichtete Unternehmen ihren gesetzlichen Sorgfaltspflichten nachkommen und der Sinn und Zweck des LkSG, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in den Lieferketten zu verhindern, umfassend erreicht werden. Zumindest für bestehende Vertragsverhältnisse in der Lieferkette dürften darüber hinaus sehr wahrscheinlich auch gewisse (angemessene) Kooperationspflichten des unmittelbaren Zulieferers zur Mitwirkung an der LkSG-Umsetzung bestehen. Für KMU dürfte es daher in der Regel keine empfehlenswerte Option sein , Vertragsverhandlungen rund um die Umsetzung des LkSG mit verpflichteten Unternehmen vollständig zu verweigern. Denn dies könnte – neben einer erheblichen Belastung für die Lieferbeziehung – im schlimmsten Fall sogar zu einer Kündigung der Vertragsbeziehung führen.

BAFA definiert Grenzen der vertraglichen Zusammenarbeit zwischen verpflichteten Unternehmen und KMU

Das BAFA betont nunmehr in seinen Hinweisen für die Zusammenarbeit in der Lieferkette zwischen verpflichteten Unternehmen und ihren Zulieferern allerdings deutlich, dass verpflichtete Unternehmen ihre gesetzlichen Sorgfaltspflichten nicht – wie bisher häufig geschehen – pauschal auf ihre unmittelbaren Zulieferer abwälzen können, da eine solche Vorgehensweise regelmäßig mit den Grundsätzen des deutschen AGB-Rechts unvereinbar sei. Maßstab für die Implementierung wirksamer vertraglicher Vereinbarungen sei daher – dies stellt das BAFA ausdrücklich klar – vor allem die Angemessenheit der LkSG-Klauseln. Der Maßstab der Angemessenheit und Wirksamkeit sei nach dem BAFA beispielsweise nicht mehr gewahrt, wenn 

  • die Verantwortung zur Durchführung von Schulungen und Weiterbildungen vollständig auf den Zulieferer abgewälzt wird
  • von Zulieferern ohne jegliche Begründung Daten abgefragt werden oder
  • von einem Zulieferer Präventions- oder Abhilfemaßnahmen verlangt werden, die die Leistungsfähigkeit des Unternehmens offensichtlich übersteigen.

Weitere Informationen und Beispiele können Sie bei Interesse den Veröffentlichungen des BAFA entnehmen.

Empfehlungen des BAFA für KMU

Neben einigen rechtlichen Hinweisen zur AGB-rechtlichen Wirksamkeit gibt das BAFA in seinen Veröffentlichungen aber auch weitergehende Hinweise für die Zusammenarbeit in der Lieferkette und die gemeinsame Erfüllung der Sorgfaltspflichten, die das BAFA explizit als „Lernprozess für alle Beteiligten“ bezeichnet. So empfiehlt das BAFA beispielsweise (Aufzählung nicht abschließend), 

  • dass die Vertragsparteien ein gemeinsames Verständnis von den ermittelten Risiken entwickeln und auf dieser Grundlage das weitere gemeinsame Vorgehen abstimmen sollten, 
  • dass KMU – entgegen vieler derzeitiger Code of Conduct Regelungen – nicht pauschal vertraglich verpflichtet werden sollten, alle Sorgfaltspflichten aus dem LkSG zu erfüllen und die Einhaltung aller LkSG-Standards in ihren Lieferketten zu gewährleisten und,
  • dass die Kosten (beispielsweise für Abhilfemaßnahmen) angemessen zwischen den Vertragsparteien aufgeteilt werden sollten. 

Fazit und Ausblick

Die Hinweise des BAFA zeigen einmal mehr, dass das LkSG nicht nur für unmittelbar verpflichtete Unternehmen, sondern auch für KMU enorme praktische Relevanz hat und mittlerweile fester Bestandteil des Alltags eines in Deutschland tätigen Unternehmens ist und sein sollte. Das BAFA erkennt insoweit an, dass die vertragsrechtliche Gestaltung insbesondere KMU vor (enorme) Herausforderungen stellt und vor diesem Hintergrund eine partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Lieferkette unerlässlich ist. Gleichzeitig sollte die partnerschaftliche Zusammenarbeit laut BAFA aber keinesfalls dazu führen, dass KMU von einer eigenen intensiven Prüfung der rechtlichen Situation absehen. Im Gegenteil: Das BAFA weist explizit darauf hin, dass KMU bei LkSG-bezogenen Anfragen ihrer Kunden eine genaue rechtliche Prüfung vornehmen sollten, um ihre eigenen Interessen zu wahren und effektiv durchzusetzen:1

„Zulieferer sollten insbesondere im Bedarfsfall individuelle rechtliche Beratung in Anspruch nehmen, wenn sie im Rahmen LkSG-initiierter Vertragsergänzungen oder vertraglicher Zusicherungen zu Maßnahmen verpflichtet werden sollen […]“

Diese vertragsrechtlichen Analysen sollten KMU zudem zum Anlass nehmen, ihre eigenen Risikomanagementsysteme sowie Standardvertragswerke (z.B. Allgemeine Einkaufsbedingungen) im Hinblick auf bestimmte Sorgfaltserwartungen zu überprüfen. 

Zum einen kann es aufgrund der eingegangenen Verpflichtungen gegenüber den eigenen Kunden notwendig sein, bestimmte Regelungen auch gegenüber den eigenen Zulieferern durchzusetzen (Spiegelung von Code of Conducts etc.). Zum anderen steht es – aufgrund aktueller Entwicklungen auf europäischer Ebene – zu erwarten, dass der deutsche Gesetzgeber den Anwendungsbereich des LkSG in naher Zukunft erweitern und die Mitarbeiterschwellen herabsetzen wird. Denn innerhalb der juristischen Praxis wird noch in dieser Legislaturperiode mit einer Einigung im sog. „Trilog“ (Verhandlungen zwischen EU-Parlament, Rat und EU-Kommission) und mithin mit einer zeitnahen Verabschiedung eines „Europäischen Lieferkettengesetzes“ gerechnet. In Rede stehen dabei u.a. eine Reduzierung des personellen Anwendungsbereichs auf Unternehmen mit mindestens 250 Arbeitnehmern (und 40 Mio. EUR weltweitem Nettoumsatz) sowie eine umfassende Erweiterung der Prüfpflichten verpflichteter Unternehmen (insbesondere sollen Kontrollpflichten entlang der vollständigen Lieferkette implementiert werden). Im Falle einer entsprechenden Verabschiedung des „Europäischen Lieferkettengesetzes“ dürfte somit vermutlich ab 2025 / 2026 auch mit einer Umsetzung der Richtlinie durch den deutschen Gesetzgeber zu rechnen sein. 

Die Entwicklungen auf europäischer Ebene werden also mittelfristig dazu führen, dass viele KMU selbst in den Anwendungsbereich des LkSG fallen und originär verpflichtet sein werden, die Sorgfaltspflichten des LkSG umzusetzen. Außerdem spricht vieles dafür, dass sich nicht nur der Anwendungsbereich, sondern auch die Sorgfalts- und Prüfpflichten im Allgemeinen verschärfen werden. 

 

1 S. 5 der „Executive Summary – Zusammenarbeit in der Lieferkette zwischen verpflichteten Unternehmen und ihren Zulieferern“

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