Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist Gegenstand zahlreicher Entscheidungen, auch wenn er im Zuge der Einführung neuer Gesetze zum Schutz vor Benachteiligung an Bedeutung verlieren dürfte. In Fällen vermuteter Benachteiligung fehlt es den Betroffenen oft an ausreichenden Beweisen. In diesem Kontext kann ein Auskunftsanspruch Abhilfe schaffen. Mit einem solchen Auskunftsbegehren befasste sich das Bundesarbeitsgericht jüngst in seiner Entscheidung vom 26. April 2023 (10 AZR 137/22). Die Entscheidung trifft Ausführungen zur Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bei variablen Vergütungsmodellen und zu den mit ihm einhergehenden Anforderungen an einen Auskunftsanspruch.
Bei der Entscheidung geht es um die Klage eines Arbeitnehmers, der laut Arbeitsvertrag zu den leitenden Führungskräften im Unternehmen der Beklagten gehörte. Der Kläger war an einem „Long-Term-Incentive-Programm“ (LTI) beteiligt, einem variablen Vergütungsmodell für Führungskräfte, das die Ausschüttung einer Geldzahlung gemessen am Unternehmensgewinn des jeweiligen Geschäftsjahres vorsah. In den Bedingungen des LTI-Programmes stellte die Beklagte klar, dass es sich um freiwillige Leistungen handele, die keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründen würden. Die Ausschüttung der variablen Vergütung wurde daher an eine vorherige Zusage durch die Beklagte geknüpft, die für jedes Geschäftsjahr neu erteilt werden musste. Der Kläger wurde in den Geschäftsjahren 2015 und 2016 an dem LTI beteiligt, jedoch nicht mehr für die folgenden Jahre nach seiner Freistellung im Jahre 2016. Er begehrte daher im Rahmen einer Stufenklage zunächst Auskunft zu Bemessungsgrundlagen und Auszahlungsbeträge des LTI-Programmes, sowie Auszahlung der ihm verwehrten Beträge. Der Kläger behauptete, in den betreffenden Geschäftsjahren haben nahezu alle leitenden Angestellten und Führungskräfte an dem Programm teilgenommen, wobei er mindestens 13 davon namentlich benennen konnte. Er sei daher zu Unrecht von den Leistungen ausgenommen worden, da er erkennbar zu der begünstigten Gruppe gehöre. Die Beklagte brachte dem entgegen vor, dass eine individuelle Zusage für eine Beteiligung vonnöten wäre, die es nicht gab. Die Zusage selbst stelle sich als freiwillige Leistung dar. Nachdem das Arbeitsgericht der Klage stattgab, hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen die Stufenklage im Rahmen der Berufung insgesamt abgewiesen. Der Kläger legte Revision ein.
Die Revision des Klägers hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung an das LAG.
Der Auskunfts- und der Leistungsantrag sind zulässig im Rahmen der Stufenklage nach § 254 ZPO erhoben worden. Vor allem habe der Kläger die Voraussetzungen des Auskunftsanspruches nach § 242 BGB als Ausformung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes hinreichend dargelegt.
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt vom Arbeitgeber die gleiche Behandlung seiner Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden. Neben der willkürlichen Schlechterstellung ist auch die sachfremde Bildung von Gruppen als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu werten (st. Rspr., vgl. BAG 12. Oktober 2022 - 5 AZR 135/22). Das BAG führt aus, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz, ungeachtet des Vorrangs der Vertragsfreiheit, Anwendung findet, wenn es um die Zahlung einer Arbeitsvergütung geht, sofern sich diese nach einem erkennbar einheitlichen Prinzip richtet. Darüber hinaus stehe der von der Beklagten vorgesehene Freiwilligkeitsvorbehalt auch bei seiner unterstellten Wirksamkeit einer Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht entgegen.
Die Darlegungs- und Beweislast liegt hierbei beim Kläger. Anders als das LAG beurteilte das BAG diese als durch den klägerseitigen Vortrag erfüllt. Er habe die Voraussetzungen für den Auskunftsanspruch schlüssig dargelegt, in dem er auf die Zugehörigkeit zu den „leitenden Führungskräften“ unter Benennung vergleichbarer Arbeitnehmer verwies. Weiterführende Ausführungen seien erst zu fordern, wenn die Beklagte den Behauptungen zur Gruppenbildung substantiiert entgegengetreten ist. Dem Beklagtenvortrag fehle es an der Darlegung sachlicher Kriterien, auf denen die Gruppenbildung basieren soll.
Der Beklagten ist im Rahmen des fortgesetzten Berufungsverfahrens Gelegenheit zum Vortrag zu gewähren. Auf Grundlage dieses Vortrags hat das LAG erneut zu prüfen, ob ein Leistungsanspruch des Klägers, basierend auf dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, hinreichend wahrscheinlich ist und daher die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs gegeben sind.
Im Rahmen einer Unternehmensführung, die den ESG-Vorgaben (Environmental Social Governance) genügen muss, kommt dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als Auffangschutz eine wichtige Rolle zu. Der Begriff ESG umschreibt nämlich die Verantwortung eines Unternehmens für nachhaltiges Management nicht nur in ökonomischer und ökologischer, sondern auch in sozialer Hinsicht. Sofern kein spezielleres Anti-Diskriminierungsgesetz einschlägig ist, ist der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz, verbunden mit dem gesetzlich normierten Schadensersatzanspruch, als Ausformung der EU-Richtlinie ein wesentliches Instrument einer sozial gerechten Unternehmensführung.
Auch der Auskunftsanspruch nach § 242 BGB erweist sich grundsätzlich als ein für den Arbeitnehmer sachdienliches Mittel, um in Bezug auf die Schaffung eines sozialen Arbeitsumfeldes gerechte Bedingungen zu generieren und die rechtliche Durchsetzung von Gleichbehandlung zu gewährleisten. Der Auskunftsanspruch selbst kehrt zwar nicht die Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess um, kann jedoch vor allem im Rahmen einer Stufenklage die Beweisnot des Arbeitnehmers erheblich erleichtern.
Außerdem stellt das BAG klar, dass ein etwaiger Freiwilligkeitsvorbehalt seitens des Arbeitgebers der Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht entgegenstehen kann. Im Gegenteil findet dieser auch bei freiwilligen Leistungen Anwendung, sodass der Arbeitgeber bei der Auswahlentscheidung des begünstigten Arbeitnehmerkreises auf präzise und durchdachte Regelungen bauen sollte, um sich nicht dem Vorwurf der Willkür aussetzen zu lassen.