Die Anwendbarkeit des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) ist für private Unternehmen klar geregelt! Aber wie sieht es bei öffentlichen Auftraggebern (öAG) i.S.d. § 99 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) aus? Werden auch diese durch das LkSG in die Pflicht genommen? Eine Antwort auf diese Frage finden Sie in diesem Beitrag.
Nach § 1 Abs. 1 des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) ist dieses Gesetz auf
Die Anwendbarkeit des LkSG richtet sich dementsprechend danach, ob die vorgenannten Tatbestandsmerkmale von dem öffentlichen Auftraggeber i.S.d. § 99 GWB erfüllt werden. Entsprechend § 99 GWB handelt es sich insbesondere bei Gebietskörperschaften, Verbänden, juristischen Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art erfüllen oder überwiegend öffentlich finanziert werden, um öffentliche Auftraggeber. Da hinsichtlich der juristischen Personen des privaten Rechts die Anwendbarkeit des LkSG eindeutig sein dürfte, konzentriert sich dieser Beitrag auf die juristischen Personen des öffentlichen Rechts (JPöR).
Das LkSG soll nach dem Wortlaut des Gesetzes für Unternehmen ungeachtet ihrer Rechtsform gelten. Danach sind öffentliche Auftraggeber also nicht grds. ausgeschlossen. Da der Begriff des Unternehmens aber nicht im LkSG bestimmt wird und im deutschen Recht keinen allgemeingültigen Gehalt hat, muss dieser je nach Rechtsgebiet jeweils isoliert bestimmt werden. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/28649, 33) heißt es, dass dieser Begriff rechtsformneutral zu verstehen ist. Dies wird damit begründet, dass das Bestehen von menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken nicht von der gewählten Rechtsform des Unternehmens abhängt. Daher ist davon auszugehen, dass der Unternehmensbegriff eher weit zu verstehen ist.
In der Regierungsbegründung wird allerdings ein nicht unbedeutender Ausnahmefall explizit angesprochen. Danach sollen juristische Personen des öffentlichen Rechts, die Verwaltungsaufgaben einer Gebietskörperschaft wahrnehmen, nicht unter § 1 Abs. 1 fallen, soweit sie nicht am Markt unternehmerisch tätig sind (BT-Drs. 19/28649, 33). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass JpöR, z.B. Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, sofern diese am Markt tätig sind, grds. in den Anwendungsbereich des LkSG fallen können. Die JpöR soll dann nicht als Unternehmen zu qualifizieren sein, wenn diese lediglich „Verwaltungsaufgaben“ wahrnimmt. Dies dürfte auch hoheitliche Tätigkeiten umfassen, soweit diese als Herstellung eines Produkts bzw. Erbringung einer Dienstleistung verstanden werden könnten (z.B. die Ausstellung eines Personalausweises oder die Erteilung einer Registerauskunft), da hierfür kein Markt besteht.
Insoweit ist anzunehmen, dass für das Vorliegen der Unternehmenseigenschaft bei JpöR kennzeichnend ist, dass eine unternehmerische Tätigkeit besteht. Dabei stellt sich wiederum die Frage, wann eine unternehmerische Tätigkeit tatsächlich vorliegt. Nach dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) liegt eine unternehmerische Tätigkeit vor, wenn die JpöR Dritten gegenüber (natürlichen Personen, Unternehmen, anderen JpöR) eine Dienstleistung oder ein Produkt (auch unentgeltlich) anbietet und dabei das Anbieten der Dienstleistung oder des Produktes in Konkurrenz zu anderen Marktteilnehmenden (anderen Unternehmen und/oder anderen JpöR) geschieht. Eine solche Konkurrenzsituation soll immer dann vorliegen, wenn die Dienstleistung bzw. das Produkt auch von anderen Marktteilnehmenden angeboten werden kann. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nach Ansicht des BMAS nicht erforderlich. Demnach würden JpöR bereits dann den Regelungen des LkSG unterliegen, wenn sie im Hinblick auf die Herstellung eines Produktes oder die Erbringung einer Dienstleistung in Wettbewerb mit privaten Unternehmen treten. Soweit die JpöR lediglich ihrer hoheitlichen Tätigkeit nachgehen, dürften allein privatrechtliche Beschaffungsvorgänge, die der Durchführung der hoheitlichen Tätigkeit dienen, dementsprechend noch keine Unternehmenseigenschaft begründen, da sich derartige Beschaffungsvorgänge auf den Verbrauch von Produkten und die Inanspruchnahme von Dienstleistungen beschränken, ohne daraus eine weitere Tätigkeit im unternehmerischen Verkehr zu generieren. Da das Einflussvermögen von JpöR besonders hoch sein dürfte, wird teilweise sogar die Ansicht vertreten, dass die bloße Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand bereits als eine unternehmerische Tätigkeit gelten muss. Eine solche Auslegung würde allerdings dazu führen, dass sogar gemeinnützige Organisationen von dem LkSG erfasst werden könnten. In diesem Zusammenhang wird daher auch vertreten, dass unter Berücksichtigung des allgemeinen Verständnisses des Begriffs von „Unternehmen“ hierfür auch eine Gewinnorientierung erforderlich sein wird.
Von der Rechtsprechung wurde die Frage nach dem Erfordernis der Gewinnerzielungsabsicht bzw. nach den Grenzen der unternehmerischen Tätigkeit von JpöR im Sinne des LkSG bisher nicht geklärt.
Entsprechend dem vorgennannten ist daher davon auszugehen, dass das LkSG grds. auch für JpöR anzuwenden ist und insofern in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob eine unternehmerische Tätigkeit besteht. Dies gilt insbesondere für Betriebe der kommunalen Verkehrs- oder Abfallwirtschaft, öffentlich-rechtlich organisierte Krankenhäuser, gesetzliche Krankenkassen, (Versorgungs-) Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Universitäten, Kirchen, Hilfsorganisationen, Kreditgenossenschaften, öffentlich-rechtliche Kreditinstitute wie Sparkassen und Landesbanken sowie Versicherer in der Rechtsform des VvaG.
Auch juristische Personen des Privatrechts, an denen die öffentliche Hand gesellschaftsrechtlich beteiligt oder deren alleiniger Anteilseigner ist, fallen in den Anwendungsbereich, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 1 LkSG erfüllt sind.
Da JpöR regelmäßig ihren Sitz im Inland haben, dürfte dieses Tatbestandsmerkmal üblicherweise unproblematisch erfüllt sein.
Entsprechend der Regelung des § 1 Abs. 1 LkSG ist das LkSG dann anwendbar, wenn das Unternehmen in der Regel 3.000 bzw. ab dem 01. Januar 2024 1.000 Arbeitnehmer im Inland beschäftigt.
Die Berechnung der Arbeitnehmer, welche in der Regel beim jeweiligen Unternehmen beschäftigt sind, soll unter Berücksichtigung der vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze rückwirkend, mit einer Prognose für die künftige Personalentwicklung erfolgen, sodass die prägende Personalstärke maßgeblich ist. Hinsichtlich der konkreten Berechnung der Schwellenwerte soll nachfolgend lediglich benannt werden, welche Besonderheiten für JpöR gelten.
Da das LkSG keine Definition des Arbeitnehmerbegriffs enthält, ist auf den allgemeinen Begriff zurückzugreifen. Die Definition des Arbeitnehmers lässt sich mittelbar der Bestimmung zum Arbeitsvertrag in § 611a Abs. 1 S. 1 BGB entnehmen. Arbeitnehmer ist demnach, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Dementsprechend sind Beamte sowie Soldaten bei der Berechnung der in der Regel angestellten Arbeitnehmer nicht zu berücksichtigen, da hier gerade ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis vorliegt.
Im Ergebnis wird man davon ausgehen können, dass grds. auch öAG unter den Unternehmensbegriff i.S.d. § 1 Abs. 1 LkSG fallen. Auch die Voraussetzung des Sitzes im Inland dürfte grds. unproblematisch vorliegen. Für eine Anwendbarkeit des LkSG wird folglich die Zahl der in der Regel angestellten Arbeitnehmer maßgeblich sein. Dementsprechend empfiehlt es sich für jeden Auftraggeber gesondert zu prüfen, ob der Anwendungsbereich des LkSG insgesamt für den öAG i.S.d. § 99 GWB eröffnet ist.