In unserem vor Kurzem in der Zeitschrift für materielles und prozessuales Klimarecht (KlimaRZ), Ausgabe 02/2024, erschienenen Beitrag setzen wir uns vertieft mit den jüngsten Entwicklungen im Bereich der Wasserstoffinfrastruktur und mit den Bestrebungen Deutschlands, zum Marktführer bei der Nutzung von Wasserstoff zu werden, auseinander.
Im Fokus des Artikels steht das LNG-Beschleunigungsgesetz und dessen Beitrag zum avisierten „Hochlauf der Wasserstofftechnologien“. Der Aufstieg von Wasserstoff, insb. grünem Wasserstoff, zum politischen und gesellschaftlichen Favoriten wird in dem Beitrag rechtspolitisch eingeordnet. Die folgende Zusammenfassung gibt einen kompakten Überblick über die Inhalte des Beitrags.
Im Zuge der Bemühungen um Klimaneutralität bis 2045 stehen Politik und Energiesektor im Bereich der Wasserstoffproduktion und -nutzung vor gewichtigen Herausforderungen: Von der Flächensicherung für erneuerbare Energien bis zur Schaffung eines kohärenten Rechtsrahmens. Das LNG-Beschleunigungsgesetz (LNGG) spielt eine zentrale Rolle, da es darauf abzielt, Terminals für Flüssiggas (Liquified Natural Gas, LNG) "wasserstoffbereit" zu bauen. Als Kompromiss-Reaktion auf den 2022 beendeten russischen Gasimport, handelt es sich bei den LNG-Terminals um eine zeitlich begrenzte Lösung, die beschleunigte und bis zum 31.12.2043 befristete Betriebsgenehmigungen erlaubt und die anschließende, langfristige Umstellung auf „klimaneutralen“ Wasserstoff ermöglicht.
Da die ausreichende Produktion von grünem Wasserstoff innerhalb Deutschlands sich schwierig gestaltet, wird erwartet, dass er zu 50-70% importiert werden muss. Diverse Wasserstoff-Partnerschaften, etwa mit Kanada und den USA, wurden bereits initiiert. Die Transportproblematik von Wasserstoff soll durch Verflüssigung oder Verbindungen wie z.B. Ammoniak gelöst werden. Da mit dem Import von Wasserstoff über die zunächst für LNG genutzten Terminals auch die Weiterverteilung innerhalb Deutschlands von entscheidender Bedeutung sein wird, gehen wir im Beitrag auch kurz auf den aktuellen Stand des Wasserstoff-Kernnetzes ein. Denn die Bundesnetzagentur wird die von den Fernleitungsnetzbetreiber eingereichten Pläne voraussichtlich Ende Juli 2024 genehmigen, so dass das Kernnetz bis spätestens 31.12.2032 planmäßig in Betrieb genommen werden kann.
Nachdem wir einen Überblick über die aktuellen deutschen Wasserstoffpläne geben, erläutern wir in unserem Beitrag im Schwerpunkt die Hauptbestimmungen des LNGG sowie dazu die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG). Wir geben einen kurzen Überblick über den Ausbaustatus der LNG-Terminals sowie noch zu überwindende Hürden für deren flächendeckende Nutzung von Wasserstoff.
Das LNGG wurde in rekordverdächtigen zehn Tagen verabschiedet und trat am 01.06.2022 in Kraft. Ziel ist Genehmigung und Errichtung deutscher LNG-Terminals und Anbindungsleitungen zu beschleunigen, um die nationale, jedenfalls von russischem Gas unabhängige Energieversorgung zu sichern. Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf spezifische, in der Anlage genannten Vorhaben an Standorten in Brunsbüttel (Schleswig-Holstein), Wilhelmshaven (Niedersachsen), Stade/Bützfleth (Niedersachsen), Mukran/Hafen (Mecklenburg-Vorpommern) und Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern).
§ 3 LNGG legt das "besondere Interesse" an den Vorhaben fest, da sie als "besonders dringlich" für die sichere Gasversorgung gelten. Das BVerwG betont, dass dieses überragende öffentliche Interesse auch nicht grundsätzlich durch eine gegenwärtige Stabilität der Versorgungslage entkräftet werden kann. Der hier weite Gestaltungs- und Prognosespielraums des Gesetzgebers sei erst bei evident unsachlicher Bedarfsfeststellung überschritten.
Gemäß § 4 des LNGG ermöglichen Ausnahmen von der Umweltverträglichkeitsprüfung eine beschleunigte Genehmigung für bestimmte LNG-Vorhaben, ausgenommen landgebundene Anlagen und Gasfernleitungen. Die Zulassungsbehörden können auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichten, wenn die beschleunigte Genehmigung dazu dient, eine Gasversorgungskrise zu bewältigen oder abzuwenden (§ 4 Abs. 1 LNGG). Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Vereinbarkeit dieser Ausnahmen mit der EU-UVP-Richtlinie und betonte auch, dass eine zeitlich begrenzte öffentliche Auslegung von Unterlagen einen angemessenen Grad an Transparenz schafft. Das Gericht definierte zudem Kriterien für eine Gasmangellage und betonte die Bedeutung der Aufnahmekapazitäten der LNG-Terminals für die Beurteilung des Beitrags zur Krisenbewältigung.
Mit § 5 LNGG wird die Anwendung des BImSchG für schwimmende Anlagen und Dampf- bzw. Warmwasserpipelines modifiziert und Auslegungsfristen verkürzt. Vor allem ist eine BImSchG-Genehmigung mit der Bestimmung zu erteilen, den LNG-Betrieb bis spätestens 31.12.2043 einzustellen, es sei denn, es erfolgt ein Weiterbetrieb mit klimaneutralem Wasserstoff. Der Weiterbetrieb mit Wasserstoff muss bis zum 01.01.2035 beantragt werden. Ausweislich der Rechtsprechung des BVerwG sind LNG-Betreiber dazu berechtigt, die Höchstfrist für den Betrieb mit LNG auszuschöpfen. Die Genehmigungsbehörden können damit eine frühzeitige Betriebsbeendigung bzw. Umstellung auf Wasserstoff nicht einseitig festlegen.
§ 6 LNGG modifiziert das BNatSchG in Bezug auf Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Ähnlich wie im Immissionsschutzrecht werden zudem auch Auslegungs- und Einwendungsfristen des WHG modifiziert. EnWG und VwVfG werden durch § 8 LNGG insbesondere im Hinblick auf Auslegungs- und Einwendungsfristen angepasst.
Die weiteren Verfahrensanordnungen in §§ 10 ff. LNGG ermöglichen Bekanntmachungen und Konsultationen online, lassen die aufschiebende Wirkungen von Rechtsbehelfen entfallen und weisen dem BVerwG die erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit zu.
Die meisten vom LNGG erfassten Projekte für schwimmende LNG-Terminals und Anbindungsleitungen sind derzeit im Bau oder bereits in Betrieb, während Planungs- und Genehmigungsverfahren für die meisten landgebundenen LNG-Terminals noch laufen. Es wird erwartet, dass wohl die Mehrheit der Betreiber bis spätestens 2044 auf klimaneutralen Wasserstoff umstellen wird, doch die genaue Umsetzung und Einhaltung dieser Zeitpläne bleibt abzuwarten.
Die Umsetzung der deutschen Wasserstoffpläne mittels Umstellung der LNG-Terminals steht vor rechtlichen Hürden, da langwierige (Änderungs-)Genehmigungs- sowie Gerichtsverfahren trotz der Beschleunigung durch das LNGG weiterhin möglich und wahrscheinlich sind, insbesondere bei der geplanten Umstellung auf Wasserstoff spätestens ab 2044. Die zeitliche Begrenzung des LNGG bis 2025 und potenzielle, nicht absehbare politische Entscheidungen (nationaler und auch ausländischer Art, wie zB der USA zum vorläufigen Stopp von LNG-Exporten) in den nächsten Jahren könnten die Planungen beeinflussen. Zudem stellen die Investitionsentscheidungen der Anlagenbetreiber und die Unsicherheit über staatliche Unterstützung für den Umbau zusätzliche Herausforderungen dar.
Die "H2-ready" LNG-Terminals und -Leitungen, ermöglicht durch das LNGG, können den Übergang zu Wasserstoff beschleunigen, werden aber allein nicht ausreichen, um den Herausforderungen des großflächigen Einsatzes von Wasserstoff zu begegnen. Das LNGG hat jedenfalls erfolgreich die bisherigen Genehmigungsprozesse und Bauzeiten der LNG-Terminals beschleunigt, entscheidend wird jedoch die möglichst zeitnahe Umstellung auf die Nutzung mit Wasserstoff oder dessen Derivate sein. Abzuwarten bleibt, ob die notwendige Flexibilität der Betreiber und der politische Wille da sein werden, um das volle Potenzial der LNG-Anlagen zu nutzen und im Idealfall das vorbildliche LNGG-Tempo auch auf Projekte zur Erzeugung von erneuerbaren Energien mitsamt der notwendigen Netzinfrastruktur zu übertragen.
Näheres zum LNGG erfahren Sie auch in weiteren Beiträgen hier (Das LNG-Beschleunigungsgesetz: Die wichtigsten Regelungen - Bird & Bird (twobirds.com)) und hier (Wasserstoffinfrastruktur auf Umwegen: Das LNG-Beschleunigungsgesetz - Bird & Bird (twobirds.com)). Kommen Sie bei individuellen Fragen gerne auf uns zu.