„Klimaklage 2.0“? – Warum die erste Welle der Klimaklagen gescheitert ist und das Thema trotzdem brandaktuell bleibt

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Michael Brooks-Zavodsky

Counsel
Deutschland

Als Counsel der deutschen und internationalen Dispute Resolution Teams berate ich Mandanten bei Streitigkeiten vor staatlichen Gerichten sowie in nationalen und internationalen Schiedsverfahren.

Kai Temme

Associate
Deutschland

Als Rechtsanwalt der deutschen und internationalen Dispute Resolution Teams berate ich internationale und deutsche Mandanten in allen Stadien des Streitbeilegungsprozesses insbesondere in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit sowie Energie- und Versorgungswirtschaft.

Auch in Deutschland gewinnen Klimaklagen an Popularität. Ziel der Klimaklagen ist es, Großunternehmen wegen ihrer Mitverursachungsbeiträge zum Klimawandel zur Verantwortung zu ziehen. Die Beklagten sollen hinsichtlich des Kohlendioxid-Ausstoßes an die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens und des deutschen Klimaschutzgesetzes gerichtlich gebunden werden. Die populärste treibende Kraft hinter den Klimaklagen in Deutschland ist die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH). Dieser Artikel befasst sich mit der neuesten Entscheidung zur Klimaklage der DUH gegen BMW.

Verfahrenshistorie/Parallele Verfahren

Die DUH hat bereits drei Klimaklagen erhoben. Adressat sind die namhaften deutschen Automobilhersteller BMW und Mercedes sowie der Erdöl- und Erdgaskonzern Wintershall. Kern der Klagen ist stets ein Unterlassungsanspruch, der auf die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes gestützt wird. Nach Ansicht der DUH sollen auch privatrechtliche Unternehmen dem verfassungsrechtlichen Klimaschutzauftrag aus Art. 20a GG verpflichtet sein.

In den Verfahren gegen die Automobilhersteller waren sich die Gerichte der ersten Instanz indes einig, dass der Vertrieb von Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotor auch nach 2030 keinen rechtswidrigen Zustand darstellt. Der Gesetzgeber kommt seiner Klimaschutzverpflichtung bereits nach.

Die DUH scheitert auch in zweiter Instanz mit Klage gegen BMW

Das OLG München hat zuletzt die Berufung der DUH im Verfahren gegen BMW mit Endurteil vom 12.10.2023 vollumfänglich zurückgewiesen. Für eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fehle es sowohl an einem rechtswidrigen Eingriff als auch an der Störereigenschaft des Autobauers.

Keine Verkehrssicherungspflicht über das Gesetz hinaus

Ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger ist auch unter Berücksichtigung des „Klima-Beschlusses“ des Bundesverfassungsgerichtes nicht erkennbar. Aus den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts lässt sich nach Ansicht des OLG München lediglich die Verpflichtung des Gesetzgebers herleiten, hinreichende, freiheitsschonende Vorkehrungen zur Gewährleistung des Übergangs zur Klimaneutralität zu treffen. Eine Verpflichtung, die Emissionsmengen stärker als bislang vorgesehen zu reduzieren, ergibt sich hieraus aber nicht. Der Gesetzgeber hat bereits auf den „Klima-Beschluss“ des Bundesverfassungsgerichtes reagiert. Derzeit besteht kein Anlass für die Annahme, dass diese Änderungen den Anforderungen des Urteils nicht genüge tun, sodass sich schon der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger kaum begründen lässt. 

Die Frage, ob ein Eingriff tatsächlich vorliegt, kann indes dahinstehen, da BMW die Personenkraftwagen mit Verbrennungsmotor nicht in rechtswidriger Weise produziert. Nach ständiger Rechtsprechung muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Die Emittenten erfüllen ihre Verkehrssicherungspflicht, wenn sie die Vorgaben der Emissionsverordnungen der Europäischen Union und der nationalen Regelungen einhalten. Folglich liegt es in der Verantwortung des Gesetzgebers Maßnahmen zu treffen, die eine klimagerechte Produktion gewährleisten. Ein Ausschöpfen des gesetzlichen Rahmens kann den Emittenten nicht zum Vorwurf gereichen. Hieran ändert auch die Ansicht von Teilen der Bevölkerung nichts, die die gesetzgeberisch gesetzten Standards als nicht ausreichend ansehen.

Punktuelle Emissionsverursachung begründet Störereigenschaft nicht

Die Handlungsverantwortung zur Abwendung des Klimawandels liegt folglich in den Händen des Gesetzgebers. Anknüpfungspunkt für die Störereigenschaft kann daher nicht die punktuelle Emissionsverursachung sein, sondern nur die Gesamtheit der zugelassenen Emissionen. So hat das Bundesverfassungsgericht bereits in vorausgegangenen Entscheidungen festgestellt, dass sich zukünftige Grundrechtseingriffe durch das derzeitige Zulassen zu hoher CO2-Emissionen nur aus der Gesamtheit der zugelassenen Emissionen ergeben können. Jedoch nicht aus den in einem Sektor zugelassenen Emissionen, weil regelmäßig nur diese, nicht aber punktuelles Tun oder Unterlassen des Staates die Reduktionslasten insgesamt unverhältnismäßig auf die Zukunft verschieben kann.

Der Maßstab der punktuellen Verursachung von Emissionen lässt sich auch auf den zivilrechtlichen Störerbegriff übertragen.  Dieses Rechtsverständnis steht nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 20a GG, wonach „der Klimaschutzverpflichtung nicht entgegengehalten werden kann, dass Klima und Klimaerwärmung globale Phänomene sind und die Probleme des Klimawandels daher nicht durch die Klimaschutzbeiträge eines Staates allein gelöst werden können.“ Die aus Art. 20a GG resultierenden Schutzpflichten des Staates gelten eben nur für diesen und nicht für die Automobilkonzerne als privatrechtliche Unternehmen. 

Daneben kommt ein Automobilkonzern als Störer schon nicht in Betracht. Denn die Störereigenschaft erfordert, dass der Störer die Beeinträchtigung der Rechte Dritter adäquat willentlich verursacht und die Beeinträchtigung verhindern kann. Nach Ansicht des OLG München fehlt BMW schon die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Beeinträchtigung der Rechtspositionen der Kläger, die aus dem Klimawandel folgen sollen. Die Emissionen von BMW seien mit einem Anteil von 0.2 % an den globalen Emissionen derart geringfügig, dass selbst ein vollständiger Produktionsstop die Notwendigkeit weiterer gesetzgeberischer Maßnahmen nicht entfallen lasse, um die aus dem Klimawandel folgenden Beeinträchtigungen abzuwenden. Kurzum: BMW emittiert – nach Ansicht des OLG München - zu wenig, um tatsächlich Einfluss auf den Klimawandel haben zu können.

Fazit/Ausblick

Die bisherige Rechtsprechung hat der ersten Welle der Klimaklagen klare Grenzen aufgezeigt. Das OLG München hat die Revision nicht zugelassen und betont, dass das Prinzip der Gewaltenteilung auch beim Thema Klimaschutz hochgehalten werden muss. Oder anders formuliert: Klimaschutz wird im Bundestag geschaffen, nicht im Gerichtsaal. Ohne die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für strengere Klimaschutzverpflichtungen werden Klimaklagen, gestützt auf eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, auch zukünftig erfolglos bleiben. 

Aufgrund der von der DUH bereits angekündigten Nichtzulassungsbeschwerde und der Dynamik, die dem Thema Klimaschutz innewohnt, bleiben Klimaklagen dennoch aktuell. Es ist zu erwarten, dass das Scheitern der ersten Welle der Klimaklagen eine neue Generation von Klimaklagen mit neuen Ansätzen – die „Klimaklage 2.0“ – hervorbringen wird. Über die bereits angekündigte Nichtzulassungsbeschwerde werden wir Sie zu gegebener Zeit selbstverständlich informieren.

 

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