Der Erfolg der Energiewende hängt nicht nur davon ab, dass Erneuerbare-Energien-Anlagen ausgebaut werden, sondern wesentlich auch von deren Anschluss an das Stromnetz. Während die Zubauzahlen immer neue Rekorde brechen, wird der Netzausbau häufig als Flaschenhals der Energiewende beschrieben.
Bereits aktuell sind Netzbetreiber dazu verpflichtet, EEG-Anlagen unverzüglich und vorrangig an ihr Netz anzuschließen. Um zu vermeiden, dass der Netzbetreiber bei seinen Berechnungen der bestehenden Kapazität und der Planung des Netzausbaus stets auch Kapazitäten für zurückgestellte oder aufgegebene Projekte einfließen lässt, sind in der Praxis Reservierungsvereinbarungen üblich. Darin sagen Netzbetreiber zu, eine bestimmte Netzanschlusskapazität für einen bestimmten Zeitraum für ein bestimmtes Vorhaben vorzuhalten und nicht anderweitig zu vergeben. Durch solche Reservierungsverfahren soll sichergestellt werden, dass anschlussfähige Anlagen rasch in Betrieb genommen werden können, ohne dass die zugesicherten Kapazitäten in der Zwischenzeit durch schneller abgeschlossene Projekte in Anspruch genommen werden. Anlagenbetreibern geben Reservierungen mehr Planungssicherheit.
Ausgehend von dieser Praxis und eines einschlägigen Urteils des BGH sieht ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gesetzliche Regelungen zur Kapazitätsreservierung im EEG 2023 vor.
Als Artikelgesetz sieht der Entwurf Änderungen an weiteren Gesetzen, unter anderem dem EnWG und dem BBPlG vor. Im Kontext des Netzanschlusses soll zudem das Auskunfts- und Antragsverfahren bei den Netzbetreibern digitalisiert werden.
Ob die beschriebene Reservierungspraxis der Netzbetreiber im Einklang mit der gesetzlichen Anschlussverpflichtung steht, war in der juristischen Literatur lange umstritten. Nach einer vielfach vertretenen Ansicht seien die zuerst anschlussreifen Anlagen stets vorrangig anzuschließen, da nach dem Zweck des EEG anschlussbereite Anlagen zügig in das Netzsystem zu integrieren sind. Die Gegenansicht hielt mit der obergerichtlichen Rechtsprechung Reservierungsverfahren für zulässig. Netzbetreiber seien also dazu berechtigt, Einspeisekapazitäten schon vor anschlussfertiger Errichtung einer EEG-Anlage verbindlich zu reservieren.
Im vergangenen Jahr hat sich dann der BGH mit der Frage befasst (BGH, Urteil vom 21. März 2023 – XIII ZR 2/20). Auch er hält Reservierungen für zulässig. Zur Begründung verweist der BGH dabei auf die Systematik sowie den Sinn und Zweck der Anschlussprivilegierung. Durch die Reservierungsverfahren werde schon zu einem frühen Zeitpunkt Planungssicherheit gewährleistet, was für den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien „erhebliche Bedeutung“ habe
Für die Konkurrenz um Einspeisekapazitäten bedeutet dies, dass Kapazitätsreservierungen dem Anschlussanspruch eines anderen Anlagenbetreibers entgegenstehen können, selbst wenn dessen Anlage früher anschlussfertig errichtet wird.
Damit die Interessen der Beteiligten bei der Verfahrensgestaltung und der Reservierungsentscheidung angemessen berücksichtigen werden, hat der BGH Anforderungen an eine wirksame Reservierung des Netzanschlusses gesetzt. Diese sind:
Bereits der ursprüngliche Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts im Bereich der Endkundenmärkte, des Netzausbaus und der Netzregulierung enthält unter anderem auch Regelungen zu Kapazitätsreservierungen. In der uns aktuell vorliegenden Fassung des Entwurfs vom 15.10.2024 soll ein neuer § 8e EEG 2023 der Reservierungspraxis einen gesetzlichen Rahmen geben, indem ein verpflichtender und einheitlicher Mechanismus zur Reservierung von Netzanschlusskapazitäten eingeführt werden soll.
Konkret sind demnach die Reservierungsverfahren diskriminierungsfrei und mittels zeitlich befristeter Reservierungen durchzuführen. Auf diese Weise soll die Planungs- und Investitionssicherheit sowie die Vergleichbarkeit und Transparenz der Reservierungsbedingungen erhöht werden. Außerdem werden der bislang weitgehend ungeregelten Reservierungspraxis klarere Grenzen auferlegt, sodass nicht mehr benötigte Kapazitäten besser strukturiert freigegeben werden können.
Die gesetzlich festgelegten Reservierungskriterien sind für Anlagen ab einer installierten Leistung von 135 Kilowatt einheitlich und verpflichtend. Nach der Konzeption des Entwurfs sollen die Netzbetreiber unter angemessener Beteiligung von betroffenen Branchenverbänden und gemäß weiter konkretisierter Bestimmungen gemeinsame Vorgaben für die Reservierung entwickeln. Diese Vorgaben sind sodann der Bundesnetzagentur zur Überprüfung vorzulegen.
Die Kriterien müssen dem Entwurf nach Aussagen zur Dauer der Reservierungsabschnitte, zu geeigneten Nachweisen für den Projektfortschritt, an den eine Verlängerung der Reservierung geknüpft wird, Besonderheiten für Anlagen in EEG-Ausschreibungen und die Erneuerung bestehender Reservierungen enthalten.
Als maximale Dauer eines sogenannten Reservierungsabschnitts sind 2 Jahre vorgesehen. Als taugliche Nachweise werden Genehmigungen und Finanzierungszusagen genannt.
Derzeit sieht der Entwurf vor, dass die Betreiber die Kriterien der Bundesnetzagentur binnen neun Monaten nach Inkrafttreten der Regelung vorlegen. Die Bundesnetzagentur muss die Kriterien spätestens innerhalb weiterer neun Monate bestätigen.
Reservierungen sind dem Entwurf nach spätestens ab dem zweiten Jahr nach Inkrafttreten vorzunehmen. Bis dahin gelten die bestehenden Reservierungsbedingungen fort (sofern welche bestehen).
Anlagen mit einer Leistung unter 135 Kilowatt sind von den Regelungen ausgenommen, können aber dem Entwurf nach freiwillig auf Grundlage der durch den BGH festgelegten Bedingungen Reservierungsvereinbarungen treffen.
Der Gesetzesentwurf befindet sich zurzeit noch in einem frühen Stadium. Angesichts der unklaren Perspektive nach dem Bruch der Regierungskoalition bleibt abzuwarten, ob und in welcher Form der Gesetzesentwurf noch in das aktuelle Parlament eingebracht wird.
Inwieweit das Gesetzesvorhaben im Ergebnis Änderungen mit sich bringt, hängt insbesondere von den letztlich geltenden Reservierungskriterien ab. In diesem Zusammenhang wurde von einigen Marktakteuren kritisiert, dass die Festlegung der Kriterien weitgehend in die Hände der Netzbetreiber gelegt wird und sonstige Interessen (insb. die der potenziellen Anschlussanfragenden) nicht hinreichend berücksichtigt werden. Inwieweit die nun vorgesehene Beteiligung der Verbände diese Kritik entkräftet ist offen.
Prinzipiell ist die Regelung und Vereinheitlichung der Reservierungsverfahren für Netzanschlüsse jedoch zu begrüßen, um einerseits Planungssicherheit für die Netzbetreiber und Anlagenbetreiber zu schaffen und andererseits den bezweckten zügigen Netzanschluss von anschlussbereiten EE-Anlagen praktisch sicherzustellen.