On-Site-Power Purchase Agreements – Bald noch attraktiver durch geplante Änderungen bei der Stromsteuerbefreiung?

Geschrieben von

michael brueggemann Module
Michael Brüggemann

Counsel
Deutschland

Von Frankfurt aus berate ich nationale und internationale Mandanten in Bezug auf das deutsche Steuerrecht

Thomas Schmidt

Associate
Deutschland

Als Associate in unserem Frankfurter Steuerrechts-Team berate ich nationale und internationale Mandanten im deutschen und internationalen Steuerrecht.

On-Site-Power Purchase Agreements (PPAs) haben in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen, insbesondere durch die steigende Nachfrage nach grüner Energie und die Absicherung gegen schwankende Strompreise. Diese Verträge ermöglichen es Unternehmen, direkt vor Ort produzierten Strom von erneuerbaren Energiequellen zu nutzen, was nicht nur ökologisch sinnvoll ist, sondern auch finanzielle Vorteile bietet – etwa durch den Wegfall von Netzentgelten und Stromsteuerbefreiungen.

Allerdings führt die derzeitige rechtliche Auslegung des Anlagenbegriffs bei On-Site-PPAs häufig zu unerwarteten Problemen, insbesondere im Hinblick auf die Stromsteuerbefreiung. In dem Artikel beleuchten wir, wie der aktuelle Regierungsentwurf zur Modernisierung des Strom- und Energiesteuerrechts solche Hürden beseitigen könnte und was dies für die Zukunft von On-Site-PPAs bedeutet.

Der Markt für Power Purchase Agreements („PPA“)

PPAs erfreuen sich auch in Deutschland stark steigender Beliebtheit. Nach der „PPA-Marktanalyse Deutschland 2023“ der der Deutschen Energie-Agentur hat sich das Gesamtvolumen des aufgrund von PPAs gelieferten Stroms im Vergleich zum Vorjahr (2022) rasant um 323 Prozent erhöht. 

Dies ist wenig überraschend, ist der Abschluss eines PPAs sowohl für den Stromproduzenten als auch den Stromabnehmer doch wirtschaftlich vorteilhaft. Ein PPA sieht üblicherweise vor, dass Strom zu einem vorab festgelegten Preis über eine Laufzeit von bis zu 10 Jahren abgenommen werden muss. Dadurch besteht eine verlässliche Einnahmequelle für den Stromproduzenten, was die Finanzierung und Realisierung von Projekten erleichtert, solange sich im Verhältnis zu den Stromgestehungskosten ebenfalls verlässliche Überschüsse ergeben. Den Stromabnehmer schützen sie vor Preisschwankungen der Strompreise und machen die Stromkosten des Betriebs planbarer.

Die unterschiedlichen Formen von PPAs

Dabei kann zwischen On-Site-PPAs (erzeugter Strom wird direkt beim Endverbraucher erzeugt und über eine Direktleitung an ihn geliefert) und Off-Site-PPAs (erzeugter Strom wird über das öffentliche Stromnetz an den Endverbraucher geliefert) unterschieden werden. 

Dabei hat die Art des PPAs erhebliche Auswirkungen auf die potentiellen Ertragschancen. In diesem Zusammenhang sind On-Site-PPAs besonders attraktiv, weil dort grundsätzlich keine Netzentgelte sowie netzbezogene Umlagen und Abgaben anfallen, da das öffentliche Stromnetz nicht in Anspruch genommen wird. Unter Umständen erfolgt ebenfalls eine Freistellung von der Stromsteuer. Der hieraus resultierende Vorteil aus der Reduzierung der Steuer, Abgaben und Kosten wird üblicherweise zwischen Stromproduzent und Stromabnehmer aufgeteilt. Die

Besonderheiten von On-Site-PPAs bei der Preiszusammensetzung und deren Auswirkungen auf das Ertragspotential werden im nachfolgenden Schaubild veranschaulicht:

 

 

Stromsteuerbefreiung bei On-Site-PPA – Die bisherige Situation

Doch wovon hängt es ab, ob eine Befreiung von der Stromsteuer für On-Site-PPA Projekte gewährt werden kann?

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 lit. b StromStG ist Strom von der Stromsteuer befreit, der aus erneuerbaren Energieträgern oder in hocheffizienten KWK-Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu zwei Megawatt erzeugt wird und der von demjenigen, der die Anlage betreibt oder betreiben lässt, an Letztverbraucher geleistet wird, die den Strom im räumlichen Zusammenhang zu der Anlage entnehmen.

Zu ungewollten Folgen kann hierbei der Anlagenbegriff führen, der im StromStG verwendet wird. Dieser wird weit verstanden und kann dazu führen, dass auch Anlagen, die nicht an einem Standort liegen, zusammengefasst werden. Im Ergebnis können sich hieraus weitreichende Folgen ergeben. Wird diese sog. Anlagenverklammerung nicht erkannt, kann dies zu einer ungewollten Überschreitung der Grenze von zwei MW und damit zur Versagung der bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einkalkulierten Stromsteuerbefreiung führen. Aufgrund seiner Bedeutung wird der derzeitige Anlagenbegriff daher nachfolgend umfassend dargestellt.

Der Begriff der Anlage ist im StromStG nicht definiert. Insoweit ist er eigenständig und funktionsbezogen auszulegen. Starke Indizien für das Vorliegen einer Gesamtanlage sind die räumliche Zusammenfassung mehrerer Aggregate an einem Standort (z. B. einem Gebäude), der Betrieb durch einen Betreiber und die Versorgung eines bestimmten Abnehmerkreises.

Zur Auslegung des Anlagenbegriffs ist jedoch zusätzlich die Vorschrift des § 12b Abs. 2 S. 1 StromStV heranzuziehen. Danach gelten sogar Stromerzeugungseinheiten an unterschiedlichen Standorten als eine Anlage, sofern

  1. die einzelnen Stromerzeugungseinheiten zum Zweck der Stromerzeugung zentral gesteuert werden und
  2. der erzeugte Strom zumindest teilweise in das Versorgungsnetz eingespeist werden soll.

Eine zentrale Steuerung ist nach § 12b Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StromStV insbesondere gegeben, wenn die einzelnen Stromerzeugungsanlagen nach § 20 Nr. 1 i.V.m. § 10b Abs. 1 Nr. 2 lit. b des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in der aktuellen Fassung („EEG“; ehemals § 36 EEG in der Fassung vom 21. Juli 2014) fernsteuerbar sind. Der Wortlaut setzt zwar voraus, dass die einzelnen Stromerzeugungseinheiten zum Zweck der Stromerzeugung gesteuert werden. Nach der Fiktion des § 12b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Hs. 2 StromStV ist dies unter den dort genannten Voraussetzungen indes als gegeben anzusehen, ohne dass es noch darauf ankommt, dass eine Fernsteuerung tatsächlich stattfindet. Vielmehr reicht es nach der Fiktion des § 12b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Hs. 2 StromStV aus, wenn die Möglichkeit einer Fernsteuerung besteht.

Bei groß angelegten On-Site-PPA Projekten zwischen einem Versorger und einem großen Industriekunden führte dieses weite Verständnis zu erheblichen Schwierigkeiten, besonders in Fällen, in denen die Stromproduktion durch die On-Site-Anlagen den Strombedarf des Industriekunden übersteigt. Der überschüssige Strom muss dann in das Versorgungsnetz eingespeist werden. Um für diesen Teil des erzeugten Stroms die Förderung nach dem EEG in Form der Marktprämie (§ 20 EEG) zu erhalten, müssen die Anlagen mittels technischer Einrichtungen fernsteuerbar sein. Dies kann in groß angelegten On-Site-PPA Projekten über mehrere Standorte des Stromabnehmers oder auch verschiedener Stromabnehmer dazu führen, dass die Steuerbefreiung nicht greift, da die elektrische Nennleistung von bis zu zwei Megawatt durch die Anlagenverklammerung überschritten wird. 

Auch die Ausnahmeregelung in § 12 Abs. 3 S. 2 StromStV kann nach der aktuellen Auslegung durch die Gerichte (vgl. FG Düsseldorf, Urteil v. 4. Oktober 2023 – 4 K 1072/23 VSt, Rn. 25 und Urteil v. 21. Februar 2024 – 4 K 1324/22 VSt, Rn. 29) keine Abhilfe verschaffen (siehe Ausführungen des HDE vom 31. August 2023).

Dem konnte man bisher wohl nur begegnen, indem durch die Zwischenschaltung von Gesellschaften für die jeweiligen Standorte unterschiedliche Betreiber geschaffen wurden, um so eine Anlagenverklammerung zu verhindern oder zumindest dafür zu sorgen, dass pro Gesellschaft maximal Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von unter zwei Megawatt zusammengezählt wurden.

In Bezug auf die Anlagenverklammerung war zudem besonders unbefriedigend, dass die Hauptzollämter diese nur einseitig zum Nachteil der Steuerpflichtigen angewandt haben. Während man durch die Anlagenverklammerung aus der Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 lit. a StromStG herausfallen konnte, wurde diese für die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG nicht angewandt, wonach eine Nennleistung von mindestens 2 MW erforderlich wäre. Dieses Ergebnis ist kaum nachvollziehbar und könnte mit ein Grund für die nachfolgende Änderung sein.

Besserung in Sicht? Neuer Gesetzesentwurf macht Hoffnung!

Mit dem Gesetz zur Modernisierung und zum Bürokratieabbau im Strom- und Energiesteuerrecht soll das Strom- und Energiesteuerrecht („Gesetzesvorhaben“) umfangreich an aktuelle Entwicklungen angepasst, modernisiert und zugleich Bürokratie abgebaut werden. Zu dem Gesetzesvorhaben liegt seit dem 15.05.2024 auch der Regierungsentwurf vor.

Darin ist unter anderem vorgesehen, dass die Anlagenverklammerung bei der dezentralen Stromerzeugung aufgehoben wird und für die Beurteilung der Steuerbefreiungen künftig einheitlich auf den Standort der jeweiligen Stromerzeugungsanlage abgestellt wird (S. 1 des Entwurfs). Maßgeblich für die Bestimmung der Größe einer Stromerzeugungsanlage sollen dann die Verhältnisse vor Ort sein. Die Fernsteuerbarkeit von Stromerzeugungsanlagen soll damit nicht mehr zur Zusammenrechnung der Anlagenleistung und ggf. dem Ausschluss der Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 lit. b StromStG führen (S. 46 des Entwurfs).

Es wäre begrüßenswert, wenn diese Regelung Eingang in das Gesetzesvorhaben finden würde, da sich hieraus wie dargestellt in der Praxis eine spürbare Verbesserung einstellen würde und tatsächlich unnötiger Verwaltungsaufwand bei den Unternehmen vermieden werden könnte.

 


 

 

 

 

 

 

 

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