Teleoperiertes Fahren – Der Entwurf einer Straßenverkehrs-Fernlenkverordnung (StVFernLV)

Der Einsatz von teleoperierten (Kraft-)Fahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr wurde lange Zeit eher stiefmütterlich behandelt: Als Anwendungsbereiche ferngesteuerter Verkehrsmittel galten vornehmlich der Weltraum und das Wasser. Nachdem nun jedoch mit der Einführung der Autonome-Fahrzeuge-Genehmigungs-und-Betriebs-Verordnung (AFGBV) der Einsatz autonom verkehrender Fahrzeuge auf SAE-Level 4 detailreich geregelt wurde, rückt in diesem Kontext nun auch das teleoperierte Fahren in den Fokus des Gesetzgebers.

Was ist teleoperiertes Fahren?

Im Gegensatz zum autonomen Fahren ersetzt das teleoperierte Fahren nicht den Fahrer. Vielmehr übernimmt ein menschlicher Fahrer mittels Funkverbindung die Steuerung des Fahrzeugs, ohne sich dabei im Fahrzeug zu befinden. Der Teleoperator verfolgt über Kameras und andere Sensorik live das Fahrgeschehen rund um das Fahrzeug und steuert vollständig remote aus einer Zentrale mittels eines Interface, das dem gewöhnlichen Cockpit eines Fahrzeugs gleicht.

Verschiedene Use-Cases werden in diesem Zusammenhang diskutiert:

  • Fahrzeuge ohne "Auslieferungsfahrer": Fahrzeuge können ohne Fahrer zu ihrem Einsatzort gebracht und dann durch einen Mieter genutzt werden. Nach Beendigung der Mietzeit lassen sich die Fahrzeuge dann wieder aus der Ferne zum Vermieter oder alternativ direkt zum nächsten Kunden steuern. Bestes Beispiel ist ein bekanntes Mobilitätsunternehmen aus Hamburg, das bereits Ende 2022 die Zulassung erhalten hat, teleoperiertes Fahren ohne Sicherheitsfahrer anzubieten. Allerdings fehlt bisher die bundeseinheitliche gesetzliche Grundlage für ein solches Angebot.
  • Fernlenkbare Transportfahrzeuge: Transport- und Logistikgesellschaften eröffnet sich die Möglichkeit, dass das fahrende Personal nicht mehr mit dem jeweiligen Fahrzeug mitreisen muss, sondern dieses aus der Ferne vom regelmäßigen Arbeitsplatz aus lenken kann. Auf diese Weise lassen sich – etwa mittels Schichtbetriebs – Standzeiten aufgrund von Einschränkungen bei den Lenkzeiten vermeiden. Das lässt eine Straffung und Beschleunigung der Lieferketten erwarten.
  • Verknüpfung mit dem autonomen Fahren auf SAE-Level 4: Da das Fahren auf SAE-Level 4 auf bestimmte Betriebsbereiche beschränkt ist, ist es vorstellbar, die selbstfahrenden Fahrzeuge im Wege der Teleoperation in den für das Fahren gem. SAE-Level 4 zugelassenen Bezirk zu verbringen, wo sie dann eigenständig operieren. Auch für den Transfer zwischen jeweils zugelassenen Betriebsbezirken eignet sich das teleoperierte Fahren.

Der Entwurf der StVFernLV

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat kürzlich einen Referentenentwurf vorgelegt: die Straßenverkehrs-Fernlenkverordnung (StVFernLV). Diese soll den rechtlichen Rahmen für die Erprobung, Zulassung und den Betrieb von ferngesteuerten Fahrzeugen schaffen.

  • Aktueller Status: Nach derzeitigem Entwurfsstand soll noch keine Serien- oder Typgenehmigung für das teleoperierte Fahren möglich sein, da sich die Technologie aus Sicht des BMDV wohl noch in der Erprobungs- und Testphase befindet. So lautet der offizielle Titel des Referentenentwurfs auch "Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zur Erprobung von Kraftfahrzeugen mit ferngelenkter Fahrfunktion".
  • Stellungnahmen: Der Gesetzesentwurf befindet sich derzeit in der Verbändeanhörung und ist noch nicht öffentlich zugänglich. Diverse Stellungnahmen zum Entwurf wurden jedoch bereits veröffentlicht, so etwa von der DEKRA, dem Verband der Automobilindustrie (VDA) und dem Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV).

Kritikpunkte

Aus den Stellungnahmen lassen sich erste Schlussfolgerungen auf die Ausgestaltung des Entwurfs ziehen. Aufgrund der vorgetragenen Kritik ist jedoch davon auszugehen, dass der Entwurf im weiteren Verlauf noch Änderungen erfahren wird. Die Kritikpunkte sind im Folgenden aufgeführt:

  • Abgrenzung zum autonomen Fahren: Kritisch hinterfragt wird beispielsweise die im Entwurf angelegte Abgrenzung zwischen den Vorgaben für das autonome Fahren auf SAE-Level 4 und den vorgesehenen Bestimmungen für das teleoperierte Fahren. So ist etwa bei einem auf SAE-Level 4 operierenden Fahrzeug vorgeschrieben, dass sich dieses in bestimmten Szenarien in einen risikominimalen Zustand versetzen und zum Halten kommen muss, wobei insbesondere auch die beteiligten Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen sind (vgl. §§ 1d Abs. 4, 1e Abs. 2 StVG). Im Gegensatz dazu sieht der derzeitige Entwurf der StVFernLV offenbar vor, dass das ferngesteuerte Fahrzeug bei einem Funkverbindungsabbruch schlicht zum Stehen kommen muss, ohne einen mit dem SAE-Level 4 vergleichbaren Sicherheitsmechanismus zu benötigen.
  • Eingeschränkter Betriebsbereich und zusätzliche Auflagen: Die Stellungnahmen weisen darauf hin, dass für das teleoperierte Fahren viele Vorgaben gelten sollen, die den in StVG und AFGBV für das autonome Fahren angeordneten Vorgaben sehr ähnlich sind. So ist auch für das teleoperierte Fahren von einem eingeschränkten Betriebsbereich die Rede, welcher den Einsatz dieser Technologie nur in festgelegten Betriebsbereichen für das betreffende Fahrzeug erlaubt. Dies dürfte in der Praxis aber zu einer nicht unerheblichen Einschränkung der Anwendungsmöglichkeiten für das teleoperierte Fahren führen.

    Zudem muss der Halter das mit dem Betrieb befasste Personal schulen. Dies könnte eine erhebliche Mehrbelastung für Unternehmen im denkbaren Anwendungsbereich des teleoperierten Fahrens, beispielsweise Speditionen oder Car-Sharing-Unternehmen, bedeuten, sollten die betreffenden Unterrichtungsmaßnahmen nicht auch durch externe Dritte durchgeführt werden dürfen. Schließlich ist der Halter auch dafür verantwortlich, dass vor dem täglichen Betriebsbeginn eine umfängliche Abfahrtskontrolle vorgenommen wird. Verbände kritisieren, dass der im Entwurf angelegte Umfang jede Routineinspektion übersteige und der Einsatz teleoperierter Fahrzeuge auf fachkundiges Personal beschränkt bleibe. Sie regen daher an, die Anforderungen an eine solche Abfahrtskontrolle herabzusetzen.

  • Generelle Geschwindigkeitsbegrenzung: Der Referentenentwurf sieht offenbar eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 km/h (bzw. 80km/h auf Autobahnen) vor, welche die Integration teleoperierter Fahrzeuge in den Regelverkehr erschwert. Ungeklärt bleibt nach aktuellem Entwurfsstand zudem, inwieweit eine mögliche Doppelrolle von Telefahrer und Technischer Aufsicht (im Bereich des autonomen Fahrens) in Betracht kommt, insbesondere wenn in einem Fahrzeug künftig beide Technologien verbaut sein sollten und das teleoperierte Fahrzeug in den für den Einsatz gem. SAE-Level 4 genehmigten Betriebsbereich verbracht wird, wo es eigenständig verkehren und die Technische Aufsicht den dortigen Betrieb nur noch überwachen soll

Grundsatzfrage zur Zukunft des teleoperierten Fahrens

Das federführende BMDV begreift das teleoperierte Fahren als „Brückentechnologie“ hin zum vollständig autonomen Fahren nach SAE-Level 5. Aus dieser Perspektive ist der Referentenentwurf als eine Übergangslösung für die Testphase dieser neuen Mobilitätsinnovation angelegt. In den Stellungnahmen der Verbände findet sich jedoch vielfach der Hinweis, dass eine stärkere Einbindung des teleoperierten Fahrens in das straßenverkehrsrechtliche Regime für den Regelbetrieb gewünscht sei. Sie betrachten die Teleoperation damit als eigenständigen Anwendungsfall und nicht als Vorstufe für das autonome Fahren. Dabei ist eine dauerhafte Koexistenz zwischen dem autonomen und dem teleoperierten Fahren durchaus denkbar. Die Beantwortung dieser Grundsatzfrage dürfte für den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens entscheidend sein. Letztlich hängt es auch von einer belastbaren Prognose ab, ob und in welchem Umfang das teleoperierte Fahren gegenüber dem autonomen Fahren ein Eigenleben führen oder aber doch das Nachsehen haben wird.

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