Versicherungsschutz für Lieferketten-Compliance

Geschrieben von

jonas baier Module
Dr. Jonas Baier, LL.M. (Cambridge)

Counsel
Deutschland

Ich berate als Counsel in den Praxisgruppen Commercial und Streitbeilegung im Frankfurter Büro. Ich bin zudem Mitglied der International Automotive Group und dem internationalen Team für Versicherungsstreitigkeiten (Insurance Disputes SIG).

„Deckung folgt Haftung“ heißt es so schön. Im Lichte des (internationalen) Trends zu einer zivilrechtlichen Verantwortlichkeit für Verstöße gegen lieferkettenbezogene Compliance stellt sich unweigerlich die Frage nach der Deckung im Rahmen der Betriebs- und Umwelthaftpflichtversicherung. Diese hat für das betroffene Unternehmen nicht nur den Vorzug, dass die Möglichkeit einer Freistellung für die Schäden besteht, sondern dass der Versicherer auch bei der unter Umständen aufwändigen Abwehr solcher Ansprüche unterstützt. Es ist daher ratsam, die bestehenden Versicherungsverträge zu prüfen, um im Zweifel einen etwaigen Versicherungsfall dem Versicherer unverzüglich anzeigen zu können.

Trend zur zivilrechtlichen Verantwortlichkeit für die lieferkettenbezogene Compliance

Unternehmen mit einer weitreichenden Lieferkette müssen sich heute mit der Frage einer zivilrechtlichen Verantwortlichkeit für die lieferkettenbezogene Compliance auseinandersetzen. International zeichnet sich ein klarer Trend in diese Richtung ab. Einerseits sieht die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) derzeit die Einrichtung eines zivilrechtlichen Haftungsinstituts vor (Einigung über europäisches Lieferkettengesetz erzielt), andererseits liegt eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen für Menschenrechts- und Umweltschäden in der Lieferkette auch in anderen Rechtsordnungen im Trend (vgl. etwa Vedanta Resources PLC & Anor v Lungowe & Ors [2019] UKSC 20; Okpabi and others v Royal Dutch Shell and another [2021] UKSC 3). Letztere Entscheidungen zeigen, dass es naiv wäre, auf die europäischen Kollisionsnormen zu vertrauen und darauf zu hoffen, dass die regelmäßig anwendbaren exotischeren Rechtsordnungen Kläger abschrecken, in Europa Rechtsschutz zu suchen. De lege lata ist es in Deutschland und Europa aber natürlich so, dass – wenn man von der Umwelthaftpflicht absieht (Art. 7 Abs. 2 Rom II-VO) – deutsches Recht regelmäßig nicht berufen sein wird, da die deliktisch zu qualifizierende Haftung für die lieferkettenbezogene Compliance über den Erfolgsort angeknüpft wird.

Deckung folgt Haftung

Vor diesem Hintergrund sollte sich jedes Unternehmen mit längerer Lieferkette die Frage stellen, ob und in welchem Umfang sich Deckungsansprüche für die zivilrechtliche Verantwortlichkeit für Verstöße gegen lieferkettenbezogene Compliance unter den bestehenden Haftpflichtversicherungspolicen begründen lassen könnten. Dies ist vor allem deshalb interessant, da Haftpflichtversicherungen Deckungsschutz auch in der Form der Abwehrdeckung gegen erhobene Ansprüche gewähren können. Hierbei handelt es sich um eine sehr individuelle Prüfung, zu der die Standardmodelle der deutschen Versicherungswirtschaft nur eine grobe Indikation beitragen können.

Betriebshaftpflichtversicherung

Gemäß dem Standardmodell für die Betriebshaftpflichtversicherung ist die Haftpflicht im Rahmen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) und der Allgemeinen Bestimmungen für die Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung (AVB BHV) für die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus dem im Versicherungsschein angegebenen Betrieb mit seinen Eigenschaften, Rechtsverhältnissen oder Tätigkeiten bzw. aus der Ausübung der im Versicherungsschein beschriebenen beruflichen Tätigkeiten versichert (A.1. AVB BHV). Konkret geht es in erster Linie um die Verantwortlichkeit aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts (A.3.1 AVB BHV). Dementsprechend sollte die Haftung für Verstöße gegen die lieferkettenbezogene Compliance in einem ersten Schritt regelmäßig von der Deckung erfasst sein, insbesondere da die konstruierten Haftungsmodelle in Deutschland in erster Linie anhand deliktischer Tatbestände diskutiert werden.

Hohe Hürden stellen allerdings die weiten Ausschlusstatbestände nach dem Standardmodell der Versicherungswirtschaft auf. Schäden infolge von Verstößen gegen die lieferkettenbezogene Compliance werden sich häufig im außereuropäischen Ausland ereignen. Insoweit ist das Standardmodell sehr restriktiv und sieht nur enge Einschlussmöglichkeiten für Schäden vor, die im Ausland eintreten (gem. A. 6.8 AVB BHV). Dieser weitgehende Ausschluss für Versicherungsfälle im Ausland ist aber keineswegs zwingend und sollte genau geprüft werden. Es finden sich insoweit immer wieder Einschlüsse auch für Versicherungsfälle im Ausland (deren Haftung sich dann häufig auch nach dem Recht des ausländischen Erfolgsortes bestimmt). In der Betriebs- und Berufshaftpflichtversicherung ausgeschlossen ist regelmäßig die Deckung des Umweltrisikos (A.7.25 AVB BHV; 7.10 (b) AHB); insoweit wird der Versicherungsschutz durch die (Basis-)Umwelthaftpflichtversicherung ergänzt.

(Basis-)Umwelthaftpflichtversicherung

Versichert ist in der Basis-Umwelthaftpflichtversicherung – mit leichten Abweichungen zur Haftpflichtversicherung – die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhalts des Versicherungsnehmers wegen Personen- und Sachschäden durch Umwelteinwirkungen (1.1 UHV-Basis). Dementsprechend ist das Argument, dass Deckung auch für die Haftung für Schäden infolge von Verstößen gegen die lieferkettenbezogene Compliance, die Umwelteinwirkungen bedingen, nicht fernliegend. Insoweit könnte sich die Frage der Haftung auch kollisionsrechtlich bereits heute häufiger nach deutschem Recht richten (Art. 7 Abs. 2 Rom II-VO) und sich damit die vieldiskutierten Fragen der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit bei Verstößen gegen das Lieferkettenschutzgesetz/ Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (LkSG) stellen.

Die größten Steine legt das Standardmodell der Versicherungswirtschaft durch die stark eingeschränkte Deckung für Versicherungsfälle im Ausland in den Weg (9. UHV-Basis). Die Deckung kann insoweit nach dem Standardmodell baukastenartig erweitert werden. Argumentative Anhaltspunkte bietet lediglich die Erweiterung auf „die Versicherungsfälle, die auf (…) sonstige Tätigkeiten zurückzuführen sind, wenn die Tätigkeiten im Ausland erfolgen. (…) und Besonderer Vereinbarung bedarf die Versicherung der Haftpflicht im Ausland für im Ausland belegene Anlagen oder Betriebstätten, z.B. Produktions- oder Vertriebsniederlassungen, Läger und dgl.“ (9.2.3 UHV-Basis).

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