Weg frei für die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)

Geschrieben von

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Felix Schmidtke

Associate
Deutschland

Als Senior Associate in unserem Düsseldorfer Commercial-Team sowie Mitglied unserer Automotive Sektorgruppe berate ich nationale und internationale Unternehmen in verschiedenen Bereichen des Wirtschaftsrechts. Dabei vertrete ich die Interessen unserer Mandanten sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich.

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Dr. Matthias Spilker, LL.M.

Partner, Co-Head of the Automotive & Mobility Group
Deutschland

Der Schwerpunkt meiner Beratung liegt auf gerichtlichen (Litigation, Arbitration) und außergerichtlichen Rechtstreitigkeiten und komplexen Wirtschaftsverträgen, beides mit einem Fokus auf Mandanten aus den Sektoren Automotive & Mobility sowie Energie. Besonders spezialisiert bin ich auf Lieferkettenstreitigkeiten. Ich bin Co-Leiter der Internationalen Automotive & Mobility Group von Bird & Bird und Partner in der Dispute Resolution und der Commercial Group der Kanzlei. Zudem bin ich Co-Leiter der deutschen ESG-Group.

Die EU-Mitgliedstaaten haben am Freitag, den 15. März 2024, für die politisch umstrittene und von Deutschland auf der Zielgeraden abgelehnte Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) gestimmt.

Was ist passiert?

Die EU-Mitgliedstaaten haben am Freitag, den 15. März 2024, für die politisch umstrittene und von Deutschland auf der Zielgeraden abgelehnte Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) gestimmt. Mit der CSDDD verfolgt die Europäische Union das ambitionierte Ziel, Unternehmen innerhalb ihres eigenen Geschäftsbereichs und entlang der gesamten Wertschöpfungskette zur Einhaltung der Menschenrechte und des Umweltschutzes zu verpflichten.

Wie ist es trotz ablehnender Haltung Deutschland zu einer Einigung auf europäischer Ebene gekommen?

Nachdem am 14. Dezember 2023 in den Trilog-Verhandlungen auf europäischer Ebene eine vorläufige Einigung über die Richtlinie zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit (CSDDD) getroffen wurde, geriet diese Einigung aufgrund der angekündigten Enthaltungen der Mitgliedsstaaten Deutschland und Italien in Gefahr. Erst in den letzten Zügen konnten im Wege diplomatischer Verhandlungen unter Leitung des belgischen Ratspräsidenten eine Einigung über die Inhalte der CSDDD erzielt werden. Im Vergleich zu der am 14. Dezember getroffenen vorläufigen Einigung wurde die aktuelle Version der CSDDD nochmals angepasst und insgesamt an einigen Stellen (insbesondere hinsichtlich des Anwendungsbereichs) unternehmerfreundlicher ausgestaltet. Nur so konnte die erforderliche Mehrheit aufgrund der Enthaltung Deutschlands gesichert werden.

Welche Anpassungen wurden für die politische Einigung insbesondere vorgenommen?

Die neuerlichen Anpassungen betreffen nach aktuellen Erkenntnissen vor allem die folgenden Aspekte: [1]

  • Reduzierter Anwendungsbereich: Der Anwendungsbereich der CSDDD umfasst in ihrer neuesten Fassung nur noch Unternehmen mit 1000 Beschäftigten (statt 500 Beschäftigten) und einem Umsatz von mindestens 450 Mio. EUR (statt ursprünglich vorgesehenen 150 Mio. EUR). Aktuellen Schätzungen zufolge führt dies dazu, dass die Zahl der europäischen Unternehmen, die der CSDDD betroffen sein werden, um fast 70 Prozent reduziert wird. Der Anwendungsbereich der CSDDD ist somit insgesamt enger gefasst als der LkSG-Anwendungsbereich, der keine Umsatzschwellen vorsieht. [2]
  • Ausnahme für Holdinggesellschaften: Darüber hinaus sieht die neueste Fassung der CSDDD die Möglichkeit vor, in bestimmten Ausnahmekonstellationen die Holdinggesellschaften von ihren Sorgfaltspflichten zu befreien, sofern sich ihre Tätigkeit ausschließlich auf das Halten von Anteilen beschränkt und durch sie keine an Management-, Betriebs- oder finanzielle Entscheidungen getroffen werden, die den Konzern oder einzelne Tochtergesellschaften betreffen.
  • Streichung Hochrisikosektor-Ansatz: Das Konzept der schrittweisen Einbeziehung von Unternehmen, die die Kriterien für den Anwendungsbereich nicht erfüllen, aber in Hochrisikobranchen tätig sind, ist in der neuen Version der CSDDD nicht mehr vorgesehen. Der ursprüngliche Entwurf der CSDDD enthielt noch Vorschriften, die vorsahen, dass Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mehr als 40 Millionen EUR der CSDDD unterfallen, sofern sie mindestens 20 Millionen EUR in einem Hochrisikosektor erwirtschaften.
  • Gestaffelte Anwendung: Die CSDDD sieht neuerdings eine stufenweise Anwendung unterschieden nach Unternehmensgröße und Umsatz vor. Auch dies war in dieser Form nicht Teil der vorherigen Version. Stand jetzt sind folgende Staffelungen vorgesehen:
  • 3-jährige Umsetzungsfrist für Unternehmen mit mehr als 5000 Beschäftigten und 1500 Millionen EUR Umsatz
  • 4-jährige Umsetzungsfrist für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten und 900 Millionen EUR Umsatz
  • 5-jährige Umsetzungsfrist für Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten und 450 Millionen EUR Umsatz
  • Zivilrechtliche Haftung: Die in der CSDDD vorgesehen Haftungsklausel soll marginal angepasst werden, um den Mitgliedstaaten mehr Flexibilität bei der Umsetzung der Vorschrift zu gewähren. Grundsätzlich bleibt es aber dabei, dass es nach den Regelungen der CSDDD geschädigten Personen möglich ist, die von, europäische Unternehmen für Missstände entlang der Wertschöpfungskette zu verklagen.

Gehen die Inhalte der CSDDD über die des LkSG hinaus?

Ja. Im Gegensatz zum abgeschwächten Anwendungsbereich sieht die Richtlinie in Bezug auf die geschützten Rechtsgüter sowie hinsichtlich der einzuhaltenden Sorgfaltspflichten eine deutliche Ausweitung im Vergleich LkSG vor. So legt die CSDDD verpflichteten Unternehmen weitreichende Sorgfaltspflichten in Bezug auf die Einhaltung umweltrechtlicher und menschenrechtlicher Vorgaben in ihren Lieferketten auf. Die Einigung sieht (im Vergleich zum LkSG) insbesondere deutliche Verschärfungen in Bezug auf den Schutz der Umwelt vor und berücksichtigt u.a. alle messbaren Umweltbeeinträchtigungen wie schädliche Bodenveränderungen, Wasser- oder Luftverschmutzung, schädliche Emissionen, übermäßigen Wasserverbrauch sowie andere Auswirkungen auf die natürlichen Ressourcen. Dies stellt einen wesentlichen Unterschied zum LkSG dar, welches bislang stark auf den Schutz von Menschenrechten fokussiert ist. In diesem Zusammenhang greift der Entwurf der CSDDD insbesondere auch das im Pariser Klimaabkommen festgelegte 1,5°C Ziel auf. Nach der CSDDD verpflichtete Unternehmen müssen insoweit einen Plan erarbeiten und umsetzen, wie sie im Rahmen ihres Geschäftsmodells und ihrer Unternehmensstrategie dazu beitragen, das Klimaschutzziel zu erreichen („transition plan“).

Zudem müssen sich die betroffenen Unternehmen auf neue zivilrechtliche Haftungstatbestände einstellen, da die CSDDD bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflichten eine zivilrechtliche Haftung gegenüber Privatpersonen einführt. Neben hohen Geldstrafen können Unternehmen künftig also unter bestimmten Umständen auch mit Ansprüchen der Betroffenen konfrontiert werden. Das LkSG sieht eine derartige zivilrechtliche Haftung aktuell nicht vor (vgl. § 3 Abs. 3 LkSG).

Mit Blick auf das LkSG-Beschwerdeverfahren und die Einführung spezifischer Präventions- und Abhilfemaßnahmen gibt es kaum relevante Änderungen im Vergleich zum LkSG.

Bestehen die Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferkette?

Ja. Zwar sieht die neue Version der CSDDD auch leichte Anpassungen in Bezug auf die Wertschöpfungskette vor (siehe oben). Die einzuhaltenden Sorgfaltspflichten beziehen sich aber im Wesentlichen weiterhin auf die gesamte Wertschöpfungskette. Unternehmen müssen in angemessener Weise sowohl die vorgelagerte als auch die nachgelagerte Kette im Blick haben (auch bekannt unter den Begrifflichkeiten „upstream-supplier“ und „downstream-supplier“). Sofern umwelt- und/oder menschenrechtliche Verstöße durch einen Zulieferer nicht verhindert oder beendet werden, droht als ultima ratio – genau wie nach dem LkSG – sogar die Beendigung der Geschäftsbeziehung mit diesem.

Hat die Einigung unmittelbare Auswirkungen für deutsche Unternehmen und/oder solche Unternehmen, die Geschäft in Europa haben?

Nein. Unmittelbare Auswirkungen auf die Praxis deutscher und europäischer Unternehmen hat der Richtlinienvorschlag derzeit (noch) nicht. Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments müssen noch über die Regelungen abstimmen. Im April 2024 haben sie dazu die letzte Gelegenheit, bevor im Juni Neuwahlen auf europäischer Ebene anstehen.

Im Nachgang müssen die Bestimmungen der Richtlinie sodann innerhalb bestimmter Fristen in nationales Recht umgesetzt werden. Der deutsche Gesetzgeber wird also ein entsprechendes Gesetz erlassen oder das bestehende LkSG entsprechend anpassen (zweitere Variante ist deutlich wahrscheinlicher). Hiermit dürfte realistischerweise im Jahr 2025 oder 2026 zu rechnen sein.


[1] Die finale Textfassung lag den Autoren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht vor. Die angesprochenen Anpassungen basieren auf dem vom Generalsekretariat des Rates veröffentlichen Dokument „Analysis of the final compromise text with a view to agreement“, welches unter folgendem Link abrufbar ist: 1710431679412 (licdn.com) (zuletzt abgerufen am 16. März 2024).

[2] Sollte Deutschland diesen Aspekt vollständig übernehmen und das LkSG entsprechend anpassen, würden Euractiv (EU-Lieferkettengesetz wird stark abgeschwächt: 70% weniger Unternehmen betroffen – Euractiv DE) zufolge auch weniger Unternehmen vom LkSG betroffen sein als dies derzeit der Fall ist. Denn aufgrund der doppelten Kriterien für die Anwendung der CSDDD (Umsatz und Mitarbeiterzahl) wären in Deutschland vermutlich weniger Unternehmen betroffen. In der Vergangenheit wurden europäische Richtlinien in Deutschland aber oftmals auch überbordend umgesetzt, so dass insoweit abzuwarten bleibt, wie die Anpassungen in Bezug auf das LkSG aussehen werden.

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