Wenn die rote Hose zum „roten Tuch“ wird – Kündigung wirksam!

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franziska fiedler Module
Franziska Fiedler

Associate
Deutschland

Als Associate der deutschen Praxisgruppe Arbeitsrecht und der International HR Services Group in Frankfurt berate ich meine Mandanten in allen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts, insbesondere auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung.

Arbeitgeber darf die Farbe von Arbeitskleidung vorschreiben. Folgt der Arbeitnehmer dem nicht, kann eine Kündigung rechtmäßig sein.

(Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. Mai 2024 – 3 SLa 224/ 24)

Wiederholte Missachtung der Arbeitsanweisung

Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber – ein Industriebetrieb – im Rahmen einer Hausordnung festgelegt, dass ab Oktober 2023 u.a. die Produktionsmitarbeiter rote Arbeitshosen tragen sollen. Entsprechende funktionelle Arbeitskleidung wurde den betroffenen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt. Da die rote Farbe Signalwirkung hat, sind die Mitarbeiter in den Produktionsbereichen leicht erkennbar was den Arbeitsschutz verbessert.

Trotz ausdrücklicher Aufforderung weigerte sich der Kläger, der in der Produktion mit Montagetätigkeiten, u.a. mit Arbeiten an der Kappsäge und Zuschnitten, eingesetzt war, dieser Anweisung zu entsprechen. Er erschien mehrfach in schwarzen bzw. dunklen Arbeitshosen, anstelle der angeordneten roten Arbeitshosen. Selbst von erteilten Abmahnungen ließ sich der Kläger nicht abschrecken und zur Ordnung bewegen. Folglich sprach der Arbeitgeber nach erneuter Weigerung die ordentliche Kündigung aus.

Ästhetisches Empfinden ist bei Arbeitsschutzkleidung irrelevant

Der Kläger unterlag mit seiner Kündigungsschutzklage sowohl in erster als auch in zweiter Instanz. Die Kündigung war wegen einer beharrlichen – grundlosen – Weigerung der berechtigten Arbeitsanweisung nachzukommen, wirksam.

Kleidervorschriften können zwar das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers tangieren, allerdings war vorliegend nur die Sozialsphäre des Klägers betroffen. Eingriffe in die Sozialsphäre können nach ständiger Rechtsprechung mit sachlichen Gründen gerechtfertigt werden. Dies war vorliegend der Fall. Die rote Arbeitshose wurde zulässigerweise als Teil der persönlichen Arbeitsschutzausrüstung eingestuft. Der Arbeitgeber konnte überzeugend darlegen, dass die gewählte Signalfarbe Rot der Arbeitskleidung nicht nur der Arbeitssicherheit und unmittelbaren Erkennbarkeit der Mitarbeiter im Produktionsbereich diente, sondern das die einheitliche Arbeitskleidung darüber hinaus auch zur Wahrung der „Corporate Identity“ im Unternehmen beitrug. Dies waren berechtigte Gründe, um das persönliche, ästhetische Farbempfinden des Klägers zu beschränken.

Bemerkenswert war im vorliegenden Fall, dass der Kläger eine nähere Begründung, warum er das Tragen der roten Arbeitshose so vehement ablehnte, auch in der Berufungsinstanz schuldig blieb. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger in der Vergangenheit die rote Arbeitshose auch tatsächlich getragen hatte und erst mit der Etablierung der verpflichtenden Kleiderordnung damit ein Problem zu haben schien, stieß bei der Berufungskammer auf Unverständnis. Er hat damit – so das Gericht – ein bislang beanstandungsfreies Beschäftigungsverhältnis vollkommen grundlos und ohne weitere sachliche Erläuterung „in die Eskalation getrieben“. Aufgrund der Beharrlichkeit des klägerischen Weigerungsverhaltens wäre vorliegend sogar eine außerordentliche – und nicht nur die ordentliche Kündigung, die aus sozialen Gründen ausgesprochen worden war – zulässig gewesen.

Arbeitskleidung immer wieder Streitthema

„Kleider machen Leute“ – diese Redewendung ist allseits bekannt und nicht erst seit gestern, wird der persönliche Kleidungsstil als Ausdruck der freien Persönlichkeitsentfaltung angesehen. Diese soll auch im Berufsleben möglichst unbeschränkt ausgelebt werden, so dass Arbeitnehmer die Zulässigkeit von Kleidervorschriften und Anordnungen hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbildes (z.B. Tattoos, Piercings) immer wieder zum Gegenstand von arbeitsgerichtlichen Verfahren machen.

Kleidervorgaben greifen zwar in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 GG ein, gleichwohl ist im Einzelfall genau zu unterscheiden, welche Eingriffstiefe sich daraus ergibt. Oft ist nur die Sozialsphäre betroffen, so dass sachlich nachvollziehbare Gründe bereits ausreichend sind, um die Kleidervorschriften zu legitimieren. Gleichwohl können in Einzelfällen durch Kleidungsvorschriften auch weitere Grundrechte betroffen sein, z.B. die Religionsfreiheit bei der Frage des Kopftuchtragens oder das Gleichheitsgebot, wenn Kleidervorgaben diskriminierenden Charakter haben.

Dennoch sollten auch Arbeitnehmer mitunter sorgfältig abwägen, ob geringe Eingriffe in persönliche Vorlieben – hier die Anordnung von roter Arbeitskleidung – mit Blick auf das große Ganze – finanzielle Sicherheit durch Ausübung einer bezahlten Tätigkeit – nicht hinzunehmen sind. Schließlich lassen sich persönliche Vorlieben nicht immer eins zu eins im Berufsleben abbilden und ausleben. Ein weiteres Argument dafür, dass man das Privatleben vom beruflichen Alltag gut trennen sollte. Denn auch in Zeiten des Fachkräftemangels sind der Wahrung von persönlichen Befindlichkeiten im Arbeitsleben Grenzen gesetzt und Arbeitgeber nicht gewillt, grundlose Eskalationen zu billigen.

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