Equal Pay gewinnt an Fahrt: Managerin erstreitet Nachzahlung

Geschrieben von

cara marlene fuchs Module
Cara-Marlene Fuchs

Associate
Deutschland

Als Rechtsanwältin in unserer Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht in München berate ich nationale und internationale Unternehmen in allen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat im Oktober 2024 einer Arbeitnehmerin eines deutschen Automobilherstellers Nachzahlungen für einen Zeitraum von fünf Jahren in Höhe der Differenz des weiblichen Medianentgelts zum männlichen Medianentgelts der Führungskräfte auf ihrer Ebene – mithin etwa EUR 130.000,00 brutto – zugesprochen.

(LAG Baden-Württemberg vom 01.10.2024 – 2 Sa 14/24)

Klagen auf Entgeltgleichheit erfuhren in Deutschland bisher wenig Aufmerksamkeit. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat sich nun aber in kurzer Zeit schon das zweite Mal mit einem Anspruch auf Entgeltanpassung wegen geschlechterbezogener Benachteiligung beschäftigt – und wieder ging die Entscheidung zum Nachteil des Arbeitgebers aus. Dies könnte ein Vorbote dafür sein, dass sich Unternehmen künftig vermehrt der Geltendmachung von Equal Pay stellen müssen. Arbeitgeber sind daher angehalten, bereits jetzt ihre Entgeltstrukturen und ihren Dokumentationsstand zu überprüfen.

Forderung der Arbeitnehmerin: Gehaltsvergleich mit männlichem Höchstverdiener

Die Arbeitnehmerin, eine Managerin in der dritten Führungsebene, forderte von ihrem Arbeitgeber für den Zeitraum von 2018 bis 2022 eine Gehaltsnachzahlung in Höhe von ca. EUR 420.000,00 brutto. Diese Forderung begründete sie durch einen Vergleich ihres individuellen Entgelts mit demjenigen des höchst Verdienenden männlichen Managers in ihrer Führungsebene. Als Indiz für eine geschlechterbezogene Entgeltbenachteiligung führte sie an, dass ihr Gehalt unterhalb des Medianentgelts sowohl der männlichen als auch der weiblichen Vergleichsgruppe lag.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Entgeltvergleich nur zwischen dem Medianentgelt der weiblichen mit der männlichen Vergleichsgruppe

Eine solche „Anpassung nach oben“ lehnte das Landesarbeitsgericht zwar ab, sprach der Arbeitnehmerin jedoch eine Entgeltnachzahlung in Höhe der Differenz der Medianentgelte zwischen der weiblichen zur männlichen Vergleichsgruppe in Höhe von insgesamt aufgerundet EUR 130.000,00 brutto zu.

Im Detail – Prüfung eines Anspruchs auf Equal Pay:

Das Landesarbeitsgericht prüfte eine geschlechterbezogene Entgeltbenachteiligung der Arbeitnehmerin gemäß § 3 Abs. 1 und § 7 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG). Die Vorschriften basieren auf der europarechtlichen Norm Art. 157 AEUV und setzen den europarechtlich vorgeschriebenen Grundsatz der gleichen Bezahlung von Frauen und Männern in deutsches Recht um. Gemäß § 3 Abs. 1 EntgTranspG ist bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten. 

Die Prüfung der geschlechterbezogenen Entgeltbenachteiligung in drei Schritten: 

Bildung von Vergleichsgruppe

Es wurde eine Vergleichsgruppe aus weiblichen sowie aus männlichen Führungskräften gebildet, die ähnliche Aufgaben wie die Arbeitnehmerin verrichteten.

Indiz für geschlechterbezogene Entgeltbenachteiligung innerhalb der Vergleichsgruppen

In der vorliegenden Entscheidung sah das Landesarbeitsgericht ein Indiz für eine geschlechterbezogene Entgeltbenachteiligung darin, dass das Medianentgelt der männlichen Vergleichsgruppe höher war als das Medianentgelt der weiblichen Vergleichsgruppe.

Es folgte allerdings nicht der Ansicht der Arbeitnehmerin, dass die Differenz ihres individuellen Entgelts zum männlichen Medianentgelt sowie zum Entgelt des bestbezahlten Mannes innerhalb der männlichen Vergleichsgruppe bereits ein Indiz für eine geschlechterbezogene Entgeltbenachteiligung darstellte. Einzelgehälter oder Spitzengehälter innerhalb der Vergleichsgruppen sind laut dem Gericht keine zulässigen Referenzwerte für die Annahme einer geschlechterbezogenen Entgeltbenachteiligung.

Rechtfertigung der Benachteiligung durch den Arbeitgeber

Sobald ein Indiz für eine geschlechterbezogene Entgeltbenachteiligung vorliegt, wird unmittelbar vermutet, dass die Entgeltbenachteiligung tatsächlich aufgrund des Geschlechts erfolgt (vgl. § 22 AGG). Dies führt zu einer Beweislastumkehr: Es ist sodann Aufgabe des Arbeitgebers diese Vermutung widerlegen, um einen Anspruch auf Entgeltanpassung/-nachzahlung abzuwehren. Das gelingt ihm nur, wenn er darlegen und beweisen kann, dass das unterschiedliche Entgelt auf objektiven Differenzierungskriterien beruht, die diskriminierungsfrei gewichtet wurden.

Dies gelang dem Arbeitgeber in der vorliegenden Entscheidung nicht. Der Arbeitgeber stützte das unterschiedliche Medianentgelt der weiblichen und männlichen Vergleichsgruppe auf die Kriterien der längeren Betriebszugehörigkeit und der Qualität der Arbeit der männlichen Vergleichsgruppe. Das Gericht bewertete diese Kriterien zwar grundsätzlich als legitim, kritisierte aber, dass der Arbeitgeber die Gewichtung der genannten Kriterien und deren Einfluss auf die Entgeltbestimmung nicht hinreichend dargelegt hatte.

Fazit: Transparenz und Begründung zählen

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg macht deutlich, dass Arbeitgeber Entgeltunterschiede zwischen weiblichen und männlichen Vergleichsgruppen nur dann rechtfertigen können, wenn sie die angewandten Differenzierungskriterien und ihre Gewichtung transparent darlegen können. Pauschale Aussagen – etwa, dass die Arbeitnehmer aus der einen Vergleichsgruppe eine längere Betriebszugehörigkeit oder eine bessere Arbeitsleistung aufweisen – genügen hierfür nicht. In dem vorliegenden Fall hätte der Arbeitgeber die Entgeltdifferenz möglicherweise rechtfertigen können, wenn er detaillierte Angaben zur Dauer der Betriebszugehörigkeit der männlichen Vergleichsgruppe und die Gewichtung dieses Kriteriums bei der Entgeltgestaltung darlegt hätte. Ferner hätte er das Kriterium der Qualität der Arbeit durch objektive Nachweise, wie Zielvereinbarungen oder Leistungsbewertungen, hinreichend belegen müssen. 

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg zeigt einmal mehr, dass Unternehmen sich schon jetzt Equal Pay Klagen stellen müssen und sich darauf vorbereiten sollten. Sie sollten nicht darauf warten, dass die EU-Entgelttransparenzrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt wird. Sie sollten schon jetzt darauf achten, ihre Entgeltstrukturen und Entgelthöhen objektiv und nachvollziehbar zu dokumentieren, um im Fall einer Equal Pay Klage das Risiko einer hohen Nachzahlung von Entgelt und/oder Entgeltanpassung für die Zukunft zu vermeiden. 

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht für beide Parteien wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls zugelassen. Ob und wie das Bundesarbeitsgericht über den Fall entscheiden wird, bleibt abzuwarten.

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