Die Aufhebung von Einschränkungen aus der COVID-19-Pandemie hat nicht nur den Wiedergewinn persönlicher Freiheiten zur Folge, sondern führt auch viele Arbeitnehmer zurück an ihre Arbeitsstätte. Arbeitgeber versuchen vermehrt, die ortsflexiblen Möglichkeiten der Arbeit (Mobiles Arbeiten bzw. Remote Working) zugunsten einer höheren Präsenzpflicht „zurückzudrehen‘‘, um so die Zusammenarbeit und auch die Kontrolle ihrer Arbeitnehmer zu erhöhen. Dies wird in den Medien kontrovers diskutiert, besonders beispielsweise bei Google oder Tesla. Diese Entwicklung wieder hin zum gemeinsamen Arbeitsalltag außerhalb der eigenen vier Wände führt vereinzelt bei Arbeitnehmern zu Widerstand. Vermehrt taucht mittlerweile ein neues Phänomen sogenannter ,,Homeoffice-Atteste‘‘ auf, welches Arbeitgeber mit neuen arbeitsrechtlichen Fragestellungen und Herausforderungen konfrontiert, wie zum Beispiel: Welche Rechte und Pflichten ergeben sich für den Arbeitgeber und welche Handlungsoptionen liegen vor?
Bei einem „Homeoffice-Attest‘‘ handelt es sich um ein ärztliches Attest bzw. eine Bescheinigung, welches die Tätigkeit des Arbeitnehmers in der Betriebsstätte des Arbeitgebers ausschließt und die alleinige Arbeit im Homeoffice vorsieht. Der Begriff „Homeoffice‘‘ umschreibt hierbei den häuslichen Arbeitsplatz, auf welchen sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers beschränkt. Abzugrenzen hiervon ist der Begriff des Telearbeitsplatzes und der der mobilen Arbeit. Während Erster entsprechend der gesetzlichen Vorgaben aus § 2 VII ArbStättV einen fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz im Privatbereich des Arbeitnehmers umschreibt, handelt es sich bei der mobilen Arbeit um ein flexibles, ortsunabhängiges Tätigwerden, welches nicht zwingend in den eigenen vier Wänden zu erfolgen hat. Die Regelungen und weitere Ausgestaltung sind üblicherweise Betriebsvereinbarungen oder in individuellen Vereinbarungen enthalten.
Die Erscheinungsformen solcher Atteste sind in der Praxis vielfältig. Es kann sich um eine reine Empfehlung oder um die Feststellung einer dringenden Notwendigkeit durch den Arzt handeln. Auch die Form fällt nicht einheitlich aus: es kann in Form eines Briefes oder auf Formularen für Rezepte oder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verfasst sein. Gemein ist ihnen jedoch, dass der Arbeitnehmer nicht (vollständig) arbeitsunfähig ist. Im Gegensatz zu einer Feststellung der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch den Arzt, entfällt in der Folge eines „Homeoffice-Attests‘‘ weder die Leistungspflicht noch die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Entsprechend besteht auch die Vergütungspflicht des Arbeitgebers unverändert fort. Die Leistungsfähigkeit bzw. -möglichkeit der Arbeitnehmer wird – seitens des behandelnden Arztes – insofern modifiziert, als dass sie an das Vorliegen bestimmter äußerer Arbeitsbedingungen geknüpft wird.
Die Gründe – warum eine Mitteilung überhaupt erfolgt – können vielseitig sein. Beispielsweise werden Belastungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsweg oder bei der Arbeit im Büro angeführt. Solche können vorliegen, wenn die Arbeit am regulären Erfüllungsort oder der Weg zur Arbeit nicht ohne eine Gesundheitsgefährdung erfolgen kann, insbesondere wenn ein Ansteckungsrisiko in öffentlichen Verkehrsmitteln besteht, oder wenn die Arbeitsumgebung im Büro des Arbeitgebers keine belastungsfreie Tätigkeit erlaubt.
Grundsätzlich steht dem Arbeitgeber im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 106 GewO das Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer zu. Dieses umfasst auch die Festlegung der Arbeitsbedingungen und des Ortes der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen. Inwiefern dieses durch das „Homeoffice-Attest‘‘ eingeschränkt wird, ist bisher nicht höchstrichterlich geklärt. Dadurch ergeben sich für den Arbeitgeber einige Unsicherheiten im Umgang mit dieser besonderen Art von Attesten. Im Vordergrund steht hier vor allem die Besonderheit, dass in diesen Attesten meist kein genauer Grund für die ärztliche Anordnung der Tätigkeitserbringung im Homeoffice genannt wird. Zudem wird teilweise auch keinerlei zeitliche Angabe des Arztes für die Dauer des „Homeoffice-Attests‘‘ mitgeteilt, was die Planbarkeit für Arbeitgeber erheblich erschwert. Im Gegensatz zu einer „normalen‘‘ Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, bei welcher der Arbeitgeber regelmäßig kein Interesse an dessen ärztlicher Begründung hat, sind diese für das weitere Vorgehen im Rahmen der Homeoffice-Anordnung von besonderer Bedeutung. Wesentlich ist, dass den „Homeoffice-Attesten‘‘ nicht der hohe Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zukommt. Ohne diese grundlegenden Informationen wird der Arbeitgeber sein Ermessen für die Bestimmung des Leistungsortes nicht, bzw. nicht ordnungsgemäß ausüben können. Infolgedessen kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine andere, eventuell leidensgerechtere Tätigkeit zuweisen und den Arbeitsplatz nicht interessengerecht gestalten bzw. umgestalten. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass das Informationsinteresse des Arbeitgebers regelmäßig schutzwürdiger sein wird, als das Zurückbehaltungsinteresse des Arbeitnehmers hinsichtlich der relevanten Informationen.