OLG Düsseldorf: Zulässigkeit und Voraussetzungen des Hereinformwechsels

Geschrieben von

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Dr. Stefanie Orttmann, LL.M.

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Als Partnerin und Mitglied unserer internationalen Corporate Practice Group berate ich seit 2007 deutsche und internationale Mandanten bei M&A-Transaktionen, VC-Investitionen sowie bei nationalen und grenzüberschreitenden Reorganisationen. Ich gehöre dem Düsseldorfer Büro von Bird & Bird an, arbeite aber überwiegend für internationale Mandanten.

1. […]

2. Die Anmeldung der Umwandlung einer nach niederländischem Recht gegründeten im niederländischen Handelsregister der Kammer für Handelssachen (Kamer van Koophandel) eingetragenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (B.V.) im Wege eines grenzüberschreitenden Formwechsels in eine deutsche Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der Verlegung ihres Satzungs- und Verwaltungssitzes sowie der Änderung der Firmierung darf das Registergericht nicht mit der Begründung zurückweisen, es fehle hierfür an einer Regelung durch den nationalen Gesetzgeber.

3. In Ansehung der „Vale-Entscheidung“ des EuGH […] sind Art. 49 und 54 AEUV dahin zu verstehen, dass einer dem Recht eines anderen Mitgliedsstaats unterliegenden Gesellschaft der Formwechsel in eine GmbH nach deutschem Recht nicht verwehrt werden kann, wenn ein solcher Formwechsel für Gesellschaften nach deutschem Recht möglich ist. […]

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.7.2017 – I-3 Wx 171/16

 

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung niederländischen Rechts (B.V.), deren Alleingesellschafterin die Umwandlung der B.V. im Wege eines grenzüberschreitenden Formwechsels in eine deutsche GmbH, die Verlegung ihres Satzungs- und Verwaltungssitzes nach Deutschland sowie die Änderung der Firmierung beschloss.

Eine Handelsregisteranmeldung gleichen Inhalts wurde vom deutschen Handelsregister mit der Begründung zurückgewiesen, der Eintragung stehe das Hindernis entgegen, dass der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 UmwG die Umwandlungsmöglichkeiten abschließend festgelegt, auf Inlandssachverhalte beschränkt und in Absatz 2 ein Analogieverbot erlassen habe. Die Behebung eines eventuellen Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit aus Art. 49, 54 AEUV sei Sache des Gesetzgebers.

Die Beschwerde gegen die Zurückweisung wurde dem OLG Düsseldorf mit dem Hinweis zur Entscheidung vorgelegt, es sei nicht Aufgabe des Registerrichters, die nationalen Regelungen für einen grenzüberschreitenden Formwechsel selbst aufzustellen. Dies sei vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers.

Entscheidung

Die Beschwerde führte zur Aufhebung des Beschlusses des Registergerichts. Das OLG verwies auf die „Vale-Entscheidung“ des EuGH (Urteil vom 12.7.2012, C-378/10), wonach einer dem Recht eines anderen Mitgliedsstaates unterliegenden Gesellschaft der Formwechsel in eine GmbH nicht verwehrt werden könne, wenn ein solcher Formwechsel für Gesellschaften nach deutschem Recht möglich sei.

Das OLG führte weiter aus, dass solange der Gesetzgeber nicht entsprechend tätig werde, es Aufgabe der Gerichte sei, die nationalen Vorschriften unter Beachtung der Pflicht aus den Art. 49 und 54 AEUV anzuwenden, wobei die grenzüberschreitende Umwandlung die sukzessive Anwendung von zwei nationalen Rechtsordnungen (Herkunftsmitgliedstaat und Aufnahmemitgliedsstaat) erfordere. Das Registergericht habe daher nach dem europarechtskonform auszulegenden deutschen Recht zu prüfen, ob die Eintragungsvoraussetzungen vorliegen.

Praxisfolgen

Der Beschluss bestätigt im Grundsatz den Beschluss des OLG Frankfurt aus Januar 2017 (GmbHR 2017, 420), wonach ein „Herausformwechsel“ einer deut-schen GmbH nach Italien in eine S.r.l. auf Grundlage der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 49 und 54 AEUV grundsätzlich zulässig ist. Anders als das OLG Frankfurt, das darüber hinaus die Anwendbarkeit des § 202 Abs. 1 Nr. 1 und 3, Abs. 2 und Abs. 3 UmwG annahm, hat sich das OLG Düsseldorf nicht zur Frage der anwendbaren nationalen Normen geäußert.

Angesichts der vielfachen Kritik am Beschluss des OLG Frankfurt (mehr dazu) und der fehlenden Vorgaben im aktuellen Beschluss ist die Praxis nach wie vor gut beraten, alternativen rechtssicheren Gestaltungsmöglichkeiten den Vorzug zu geben.

Hierzu bietet sich die Neugründung einer GmbH mit anschließender grenzüberschreitender Verschmelzung der ausländischen Gesellschaft auf diese an. Zwar führt dieser Weg anders als ein grenzüberschreitender Formwechsel nicht zu einer identitätswahrenden Umwandlung der GmbH, jedoch ist dieses Vorgehens gesetzlich normiert und die rechtlichen Folgen einer Gesamtrechtsnachfolge sind mit wenigen Ausnahmen einer identitätswahrenden Umwandlung sehr ähnlich.

Alternativ kann ein Hereinformwechsel nach Berlin in Betracht gezogen werden, da sich zumindest das Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg bereits zu den zu erfüllenden Voraussetzungen geäußert hat (GmbH Report, GmbHR 2014 R311). Soweit ersichtlich wurden diese jedoch noch nicht gerichtlich überprüft.

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