Am 24.11.2021 stellten die zukünftigen Regierungsparteien den Entwurf des Koalitionsvertrages vor, über den seit dem 21. Oktober 2021 verhandelt wird.
Der Koalitionsvertrag, den Sie hier finden, muss noch durch die Parteitage (SPD / FPD) bzw. durch eine Mitgliederbefragung (Grüne) gebilligt und sodann unterzeichnet werden. Nachfolgend stellen wir für Sie die wesentlichen Punkte zu den Themen Infrastruktur und Wasserstoff dar.
Neben übergreifenden, verfahrensbezogenen Plänen skizzieren die Parteien zum Teil recht konkrete Maßnahmen in den Bereichen Bauen, Mobilität und Erneuerbare Energien.
1.1 Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren (S. 11 ff.)
Bereits im ersten Regierungsjahr sollen die Entscheidungen für die Beschleunigung von Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren getroffen werden. Ziel des ambitionierten Zeitplans ist mindestens (!) die Halbierung der Verfahrensdauer.
Im Rahmen des Verfassungs- und Unionsrecht sollen dazu die personellen und technischen Kapazitäten erhöht werden. Auf personeller Seite werden der Ausbau bestehender behördlicher Inhouse-Beratungskapazitäten zu „Beschleunigungsagen-turen“ und bessere Möglichkeiten zur Nutzung privater Projektmanagerinnen genannt. Auf Seite der technischen Modernisierung werden konkret die technische Ausstattung, Standardisierung von IT-Schnittstellen und der Ausbau des digitalen Portals für Umweltdaten genannt.
Die im Rahmen des Planungssicherstellungsgesetzes zunächst befristet gewährten Möglichkeiten digitaler Öffentlichkeitsbeteiligung sollen nahtlos fortgesetzt werden. Weitergehend ist die Einführung einer frühestmöglichen und intensiven Öffentlichkeitsbeteiligung beabsichtigt, die mit einer Mitwirkungspflicht der anerkannten Naturschutzverbände und der „betroffenen Öffentlichkeit“ einhergeht.
Durch die alleinige Einbeziehung neu Betroffener bei Planänderungen sollen wiederholte Auslegungs-, Einwendungs- und Erwiderungsschleifen vermieden werden. Mit Blick auf die Vorgaben der Aarhus-Verordnung ist dabei mit Spannung zu erwarten, wie die geplante materielle Präklusion gestaltet werden wird. Darüber hinaus sollen interne Fristen und Genehmigungsfiktionen erweitert werden.
Kürzere Fristen bis zur Planfeststellung sollen künftig bei besonders prioritären Vorhaben vorgesehen werden. Die mit dem Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz auch aktuell genutzte Legalplanung soll bei besonders bedeutsamen Infrastrukturmaßnahmen möglich bleiben. Als solche Vorhaben werden systemrelevante Bahnstrecken, Stromtrassen und Brücken benannt. Weder die Notwendigkeit einer Umweltprüfung noch der Rechtsschutz sollen dabei leiden. Für bestimmte Vorhaben übernimmt der Bund das Raumordnungsverfahren. Genannt sind hier neben Schienenstrecken insbesondere die Hochspannungsgleichstrom-trassen von SüdLink, SüdOstLink und Ultranet.
Maßnahmen der Unterhaltung, Sanierung, Erneuerung sowie Ersatz- und Ergänzungsmaßnahmen im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit existierenden Infrastrukturen sollen in Form einer Plangenehmigung möglich werden.
Das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht soll sinnvoll um fachplanerische Sonder-regeln ergänzt werden. Inhaltlich wird insbesondere das Artenschutzrecht in den Blick genommen. So soll bei gleichem Schutzniveau eine bundeseinheitliche Standardisierung in Form von Signifikanzschwellen eine Beschleunigung von Infrastrukturprojekten ermöglichen.
Vorhaben, die der Erreichung der Klimaziele dienen, sollen gesetzlich festgeschrieben und unter bestimmten Voraussetzungen eine Regelvermutung für das Vorliegen der Ausnahmetatbestände im Bundesnaturschutz-gesetz vorgesehen werden. Die Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren schließlich soll durch die Einführung eines „frühen ersten Termins“ und zusätzliche Senate am Bundesverwaltungsgericht beschleunigt werden.
1.2 Bauen (S. 89 ff.):
Als konkrete Maßnahmen im Baubereich benennen die Koalitionäre die vollständige Digitalisierung von Bauleitplanverfahren.
Inhaltlich soll geprüft werden, ob zukünftig eine Gesamtlärmbetrachtung eingeführt wird, die beispielsweise die Belastungen aus Straßen- und Schienenverkehr sowie von Industrieanlagen zusammen betrachtet. Unabhängig vom Ergebnis der Prüfung soll die TA Lärm modernisiert werden. Auf Gebäudeebene sollen ein digitaler Gebäuderessourcenpass und ein digitalisierter Gebäudeenergieausweis eingeführt werden.
Der Smart-City-Stufenplan soll weiterentwickelt und ein Smart-City-Kompetenz-zentrum eingerichtet werden.
1.3 (Elektro-)Mobilität (S. 48 ff.)
Zur Umsetzung erhöhter Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und der Etablierung des Deutschlandtaktes soll auf Basis neuer Kriterien ein neuer Bundesverkehrswege- und -mobilitätsplan 2040 erstellt werden.
Neben dem Fokus auf Forschung, Fertigung und Recycling von Batteriezellen steht die massive Beschleunigung des Ausbaus der Ladeinfrastruktur im Fokus der Planungen zur E-Mobilität.
Bis 2030 sollen – entsprechend dem bisherigen Masterplan Ladeinfrastruktur – eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte errichtet werden. Der Schwerpunkt soll dabei auf Schnellladeinfrastruktur gelegt werden. Zu diesem Zweck sollen Genehmigungsprozesse sowie die Errichtung der Netzinfrastruktur und der Netzanschluss erleichtert werden. Als Standard wir bidirektionales Laden genannt und es sollen mehr Schnelllade-Hubs ausgeschrieben werden.
1.4 Ausbau Erneuerbarer Energien (S. 56 ff.)
Auch im Bereich des Ausbaus der erneuerbaren Energien sollen Planung und Genehmigung beschleunigt werden. Bis zur Erreichung der Klimaneutralität soll ein Vorrang erneuerbarer Energien im Rahmen der Schutzgüterabwägung bestehen. Die artenschutzrechtlichen Hemmnisse insbesondere bei Windkraftanlagen sollen wie bereits erwähnt durch eine bundeseinheitliche Bewertungsmethode abgebaut werden und auch auf europäischer Ebene soll eine stärkere Orientierung am Populationsschutz erfolgen. Zudem sollen technische Maßnahmen wie Antikollisionssysteme ermöglicht werden. Schließlich planen die Parteien eine (weiter) vereinfachte Genehmigung von Repowering.
Den Plänen nach sollen die On- und Offshore-Windenergiekapazitäten ausgebaut und alle geeigneten Dachflächen für Solarenergiegewinnung genutzt werden.
Der Koalitionsvertrag enthält im Bereich der Themen Infrastruktur und Wasserstoff einige wünschenswerte Vorhaben und Schwerpunkte. Abzuwarten bleibt, wie und wann die Koalition ihre ambitionierten Ziele im gegebenen Rahmen des europäischen Rechts umsetzen wird. Mit Sicherheit wird es regulatorische Neuerungen und Anpassungen geben, über die wir Sie gerne informiert halten.
In den Bereichen Infrastruktur und Wasserstoff beraten wir unsere Mandanten national und international. Weitere Informationen rund um das Thema Infrastruktur stehen Ihnen hier und zum Thema Wasserstoff hier zur Verfügung.