Betriebsrätemodernisierungsgesetz: Gesetzes-Update und Überblick über die wichtigsten Änderungen

Geschrieben von

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Dr. Kathrin Kruse

Counsel
Deutschland

Als Counsel und Mitglied der Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht in Düsseldorf berate ich in- und ausländische Mandanten in allen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Ferner bin ich Fachanwältin für Arbeitsrecht.

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Meike Brecklinghaus

Associate
Deutschland

Als Rechtsanwältin und Mitglied der Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht in Düsseldorf berate ich in- und ausländische Mandanten in allen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.

Am 18.06.2021 ist das Betriebsrätemodernisierungsgesetz (BRMG) in Kraft getreten, welches wesentliche Änderungen vor allem für die laufende Betriebsratsarbeit mit sich bringt. 

Durch das neue Gesetz werden nicht nur wichtige Normen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG), sondern auch solche des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) und des Sozialgesetzbuches IV (SGB IV) geändert.

Das Gesetz soll dabei in erster Linie die Gründung von Betriebsräten erleichtern und die Rechte bestehender Betriebsräte erweitern. Die Änderungen haben vielfach erhebliche praktische Relevanz, nicht nur für die laufende Betriebsratsarbeit, sondern auch für die kündigungsschutzrechtliche Stellung des Einzelnen. 

Stellt sich nun die Frage: Was ändert sich…

…bei Betriebsratswahlen?

Ausweitung des aktiven Wahlrechts, § 7 f. BetrVG 
Das Mindestalters für die Wahlberechtigung wurde abgesenkt: Beschäftigte dürfen nun bereits mit Vollendung des 16. Lebensjahres an Betriebsrats¬wahlen teilnehmen. Die Wählbarkeit (das passive Wahlrecht) erfordert weiterhin die Vollendung des 18. Lebensjahres. 
 
Ausweitung des vereinfachten Wahlverfahrens, § 14 a BetrVG
Für Betriebe mit bis zu 100 – statt bisher 50 - Beschäftigten gilt bei Betriebsratswahlen obligatorisch das sog. vereinfachte Wahlverfahren. Auch für Betriebe mit 101 bis 200 Beschäftigten können Arbeitgeber und Betriebsrat das vereinfachte Wahlverfahren vereinbaren.

Weniger Stützunterschriften erforderlich, § 14 Abs. 4 BetrVG 
In Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten sind keine und in solchen mit 21 bis 100 Wahlberechtigten sind pauschal nur noch mindestens zwei Stützunterschriften für einen Wahlvorschlag notwendig, wobei für Vorschläge, die erst auf der Wahlversammlung gemacht werden, keine Schriftform mehr gefordert wird, sodass in diesem Fall die Unterstützung des Wahlvorschlags auch per Handzeichen signalisiert werden kann.

Eingeschränkte Anfechtbarkeit, § 19 Abs. 3 BetrVG
Die Anfechtung einer Betriebsratswahl durch die Wahlberechtigten wegen einer Unrichtigkeit der Wählerliste ist ausgeschlossen, wenn nicht zuvor deswegen gegen die Wählerliste ordnungsgemäß Einspruch eingelegt worden ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Anfechtenden an der Einlegung eines Einspruchs gehindert waren.  Die Anfechtung einer Betriebsratswahl durch den Arbeitgeber unter Berufung auf die Unrichtigkeit der Wählerliste ist sogar gänzlich ausgeschlossen, wenn die Unrichtigkeit auf seinen eigenen Angaben beruht.

 

...bei Betriebsratssitzungen?

Virtuelle Betriebsratssitzungen, §§ 30, 33 f. BetrVG
Es gilt der Grundsatz der Präsenzsitzung. Nur ausnahmsweise können Betriebsratssitzungen per Video- oder Telefonkonferenz stattfinden, wenn (i) eine Geschäftsordnung des Betriebsrats die Rahmenbedingungen hierfür festlegt, (ii) nicht zuvor ein Viertel der Betriebsratsmitglieder Mitglieder (formlos) widersprochen hat und (iii) sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung der Sitzung ist unzulässig.

Achtung: Ohne entsprechende Regelungen in einer Geschäftsordnung sind virtuelle Betriebsrats-sitzungen von vorn herein nicht möglich!

Mit der Einladung ist darauf hinzuweisen, dass und in welcher Weise eine virtuelle Sitzung geplant ist und den Betriebsratsmitgliedern eine angemessene Frist zum Widerspruch zu setzen. Betriebsratsmitglieder, die mittels Video- und Telefonkonferenz an der Beschlussfassung teilnehmen, gelten als anwesend. Die Teilnahme an Sitzungen ist gegenüber dem Vorsitzenden zur Beifügung an die Sitzungsniederschrift in Textform zu bestätigen. 

Achtung: Die Erforderlichkeit der physischen Teilnahme an Betriebsratssitzungen kann vom Arbeitgeber nicht wegen der zusätzlichen Möglichkeit der Teilnahme mittels Video- und Telefonkonferenz verneint werden, § 30 Abs. 3 BetrVG. 

… bei den Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechten 

Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI), §§ 80 Abs. 3, 90 Abs. 1 Nr. 3, 95 Abs. 2a BetrVG 
Die Thematik der KI hat direkt an mehreren Stellen Einzug ins BetrVG gefunden. So wird die „Erforderlichkeit“ der Hinzuziehung eines Sachverständigen bei Fragen zur Einführung und Anwendung von KI fingiert.

Zudem werden die Informationsrechte erweitert. Sofern der Arbeitgeber in Bezug auf Arbeits-verfahren und -abläufen plant, im Betrieb KI einzusetzen, hat er den Betriebsrat frühzeitig und umfassend darüber informieren und ihm alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen. 

Bei Auswahlrichtlinien hat der Betriebsrat im Übrigen auch dann mitzubestimmen, wenn hierbei KI zum Einsatz kommt.

Mitbestimmung bei mobiler Arbeit, § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG
Soll im Betrieb mobile Arbeit eingeführt werden, steht dem Betriebsrat bei der konkreten Ausgestaltung („wie“) ein ausdrückliches Mitbestimmungsrecht zu. Dies betrifft z.B. den zeitlichen Umfang, den Beginn und das Ende sowie den Ort der mobilen Arbeit aber auch Regelungen zur Anwesenheit in der Betriebsstätte, zur Erreichbarkeit, zur Nutzung von Arbeitsmitteln und zu Sicherheitsaspekten. Die Entscheidung über die Einführung mobiler Arbeit als solche („ob“) verbleibt aber allein beim Arbeitgeber. 

Anrufung der Einigungsstelle bei Fragen der Berufsbildung, § 96 Abs. 1a BetrVG
Schon bisher hatte der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat Fragen der Berufsbildung zu beraten. Das allgemeine Initiativrecht des Betriebsrats wurde dahingehend erweitert, dass sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen können, sofern es bei Fragen der beruflichen Weiterbildung nicht zu einer Einigung kommt. 

Achtung: Ein Einigungszwang besteht auch weiterhin nicht. 

...in Bezug auf den Kündigungsschutz?

Ausweitung des ordentlichen Kündigungsschutzes, § 15 Abs. 3a, 3b KSchG
Der Sonderkündigungsschutz für Wahlinitiatoren wurde erweitert. Nunmehr werden die ersten sechs -statt bisher drei - der zur Wahl einladenden Beschäftigten erfasst.  

Schon Vorbereitungshandlung für die Wahl können künftig Sonderkündigungsschutz begründen, wenn der betroffene Arbeitnehmer seine Absicht, einen Betriebsrat zu errichten, hat öffentlich beglaubigten lassen. Ausgeschlossen sind in diesem Fall personen- und verhaltensbedingte, ordentliche Kündigungen für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten.  

Achtung: Damit kann der Gang zum Notar und die Durchführung von Vorbereitungshandlungen schon einen besonderen Kündigungsschutz begründen. 

Zustimmungsersetzung bei außerordentlichen Kündigungen, § 103 Abs. 2a BetrVG
Mit der Klarstellung, dass die Zustimmungsersetzung des Arbeitsgerichtes auch für betriebsratslose Betriebe gilt, hat der Gesetzgeber eine bis dato allein rechtsprechungsgeprägte Frage nunmehr gesetzlich verankert und den besonderen Kündigungsschutz der Wahlbewerber gestärkt. 

… und im Übrigen?

Zulässigkeit qualifizierter elektronischer Signaturen, §§ 76 Abs. 3, 77 Abs. 2 BetrVG 
In Bezug auf verschiedene betriebsverfassungs-rechtliche Vorgänge wurden erleichterte Formerfordernisse normiert. Betriebsvereinbarungen, Richtlinien, Interessenausgleiche und Sozialpläne können wirksam mit qualifizierter elektronischer Signatur unterzeichnet werden und auch für den Spruch der Einigungsstelle genügt eine qualifizierte elektronische Signatur.

Datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, § 79 a BetrVG
Klargestellt wurde, dass die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit beim Arbeitgeber liegt und zwar auch dann, wenn der Betriebsrat in Wahrnehmung seines Amtes personenbezogene Daten der Beschäftigten verarbeitet. Nichtsdestotrotz muss der Betriebsrat den Arbeitgeber bei der Erfüllung seiner datenschutzrechtlichen Pflichten (z.B. in Bezug auf das Erstellen eines Verzeichnisses von Verarbeitungstätigkeiten oder in Bezug auf zu erteilende Auskünfte) unterstützen und innerhalb seines eigenen Zuständigkeitsbereichs selbstständig für Datensicherheit sorgen. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat die hierfür notwendigen Sachmittel zu Verfügung zu stellen.

Unfallversicherungsschutz, §§ 8 Abs.1 S. 3, Abs. 2 Nr. 2a SGB VII

Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz wurde erweitert. Bei Ausübung der beruflichen Tätigkeit im Haushalt des Arbeitnehmers gilt nun der gleiche Unfallversicherungsschutz wie im Betrieb, d.h. es sind auch Wegen zur Küche oder zur Toilette versichert. Zudem sind auch Wege zur Betreuungsstätte der Kinder abgedeckt. 
 

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