Wasserstoffinfrastruktur auf Umwegen: Das LNG-Beschleunigungsgesetz

Geschrieben von

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Dr. Matthias Lang

Partner
Deutschland

Als Partner unserer internationalen Sektorgruppe Energie- und Versorgungswirtschaft und Mitglied der Praxisgruppe Öffentliches Wirtschaftsrecht biete ich unseren Mandanten kommerzielles Denken und langjährige Expertise in regulatorischen Aspekten rund um Infrastruktur und Energie.

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Anja Holtermann, LL.M.

Associate
Deutschland

Als Associate in unserem Düsseldorfer Team Energierecht berate und vertrete ich internationale Mandanten in energie-, regulatorischen und umweltrechtlichen Angelegenheiten.

Klimaneutralität bis 2045 erfordert eine Verringerung der CO2-Emissionen im Energiesektor. In den letzten Jahren entwickelte sich Wasserstoff, insbesondere grüner Wasserstoff, neben den klassischen erneuerbaren Energien zum Favoriten der Bundesregierung.

Spätestens seit der Veröffentlichung des Koalitionsvertrages der Ampel-Koalition ist klar, dass ein Schwerpunkt auf dem „Hochlauf der Wasserstofftechnologien“ liegt und Deutschland Marktführer im Bereich der Produktion und der Nutzung von Wasserstoff werden möchte (dazu näher hier).

Die politischen Pläne sind - zu Recht - ambitioniert. Dabei stellen sich verschiedenste Herausforderungen, die es möglichst kurzfristig anzugehen gilt: Von den benötigten Flächen zur Erzeugung der erneuerbaren Energien, mit denen grüner Wasserstoff hergestellt werden soll, über europäisch beeinflusste Fragen der rechtlichen Definition des grünen Wasserstoffs bis hin zur Entwicklung eines kohärenten Rechtsrahmens für die Wasserstoffinfrastruktur. Allen Beteiligten ist klar, dass Deutschland nicht von heute auf morgen zum Marktführer im Bereich Wasserstoff werden kann. Es wird Zeit in Anspruch nehmen, Wasserstoff in den benötigten Mengen zu produzieren, zu transportieren, ihn zielgerichtet einzusetzen und währenddessen den passenden Rechtsrahmen zu entwickeln.

Abkehr von russischem Gas 

Seit wenigen Monaten ist allein das Erreichen der Klimaneutralität nicht mehr die einzige Herausforderung. Ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine steckt Deutschland nun in einer weiteren Energiekrise. Die Verminderung der Abhängigkeit von russischem Gas ist innerhalb weniger Wochen eine der größten Herausforderungen für die Bundesregierung geworden. Es ist klar, dass Wasserstoff hier keine kurzfristige Lösung bietet. Vielmehr richtet sich die Aufmerksamkeit nun auf den möglichst schnellen Ausbau und die Inbetriebnahme von mehreren deutschen LNG-Terminals, um unabhängiger von russischem Gas zu werden.

Auf den ersten Blick fragt man sich, wie der Import von Flüssiggas, einem fossilen Energieträger, mit den ambitionierten Klimazielen zusammenpasst, vor allem aber was der Ausbau der LNG-Terminals mit Wasserstoff zu tun hat. Während die Einfuhr von Flüssiggas zunächst als solcher nicht im Sinne der beabsichtigten Klimaneutralität ist, versucht die Bundesregierung unter dem Stichwort „H2-ready“ oder „Wasserstoff-Readiness“ über Umwege auch die Wasserstoffinfrastruktur weiterzuentwickeln und zu fördern. 

Die Inhalte des Gesetzesentwurfs

Dies zeigt sich im Gesetzesentwurf der Koalitionsfraktionen zum Gesetz zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases (LNG-Beschleunigungsgesetz), der am 10.05.2022 auf Basis einer Formulierungshilfe der Bundesregierung veröffentlicht wurde (siehe BT-Drs. 20/1742). Die 1. Lesung im Bundestag fand am 12.05.2022 statt, woraufhin eine Überweisung in die Ausschüsse erfolgte.

Der Bundestag hat das LNG-Beschleunigungsgesetz am 19.05.2022 mit nur wenigen Änderungen beschlossen. Am 20.05.2022 hat auch der Bundesrat zugestimmt. Das Gesetz soll schon zum 01.06.2022 in Kraft treten.

Das LNG-Beschleunigungsgesetz sieht im Wesentlichen vor, die Genehmigungsverfahren für mögliche LNG-Terminals in Brunsbüttel, Wilhelmshaven, Stade/Bützfleth, Hamburg/Moorburg, Rostock/Hafen und Lubmin zu vereinfachen. Beschleunigt werden sollen die Verfahren vor allem durch einen möglichen Verzicht auf die Umweltverträglichkeitsprüfung, kürzere Auslegungs- und Einwendungsfristen, ein möglicher Verzicht auf Erörterungstermine, Maßnahmen zur vorzeitigen Besitzeinweisung und zum vorzeitigen Baubeginn sowie beschleunigte Vergabe- und Nachprüfungsverfahren. Schließlich enthält der Gesetzesentwurf bekannte Beschleunigungsmethoden wie die erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und die fehlende aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen. Das Ziel des Gesetzesentwurfs ist eindeutig, die Genehmigungsverfahren für die LNG-Terminals so schnell wie möglich durchführen zu können, um alsbald mit dem Bau der Terminals und Anbindungsleitungen an das Gasversorgungsnetz beginnen zu können. 

Umstellung auf Wasserstoff

Im Hinblick auf das Stichwort „H2-ready“ findet sich in § 5 Abs. 2 des Gesetzesentwurfes die Regelung, dass Anlagen, die über den 31.12.2043 hinaus betrieben werden sollen, nur dann eine Genehmigung zum Weiterbetrieb enthalten, wenn sie für klimaneutralen Wasserstoff und dessen Derivate betrieben werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist das Ziel der Regelung, die LNG-Anlagen und Anbindungsleitungen „wasserstoff-ready“ zu planen, um so eine spätere Umstellung auf Wasserstoff zu ermöglichen. Aufgrund dieser Vorschrift stehe das LNG-Beschleunigungsgesetz mit den Klimaschutzzielen des Bundes-Klimaschutzgesetzes und mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur transparenten Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion in Einklang.

Aufgrund der im LNG-Beschleunigungsgesetz festgelegten Befristung der Genehmigung für LNG-Anlagen bis zum 31.12.2043 soll den Betreibern mit der Option der Verlängerung für den Betrieb mit Wasserstoff Planungssicherheit gegeben werden. Ein Antrag auf Verlängerung der Genehmigung soll bis zum 01.01.2035 gestellt werden, damit ausreichend Zeit für das Genehmigungsverfahren und erforderliche Umbauten bleibt.

Ausblick

Vorausgesetzt das LNG-Beschleunigungsgesetz durchläuft den weiteren Gesetzgebungsprozess ohne Änderung, bleibt weiter abzuwarten, was die Möglichkeit zur Umstellung auf Wasserstoff und Weiterbetrieb nach 2043 erbringt. „H2-ready“ LNG-Terminals und Leitungen sind ein Schritt in die Wasserstoffzukunft, aber nicht die alleinige Antwort auf die Herausforderungen der Umstellung von fossilen Energieträgern auf Wasserstoff. Denn um die Klimaziele bis 2045 erreichen zu können, sind weitere, kurzfristigere Maßnahmen erforderlich. Ein Umbau der (erst noch zu bauenden) LNG-Terminals und Anbindungsleitungen auf Wasserstoff ab 2044 dürfte für die Klimaziele bis 2045 zu spät kommen. 
Nichtsdestotrotz ist es begrüßenswert, dass trotz der aktuell sehr zeitkritischen Umstellung des Gasimports der Wasserstoff und die Klimaziele nicht ganz vergessen werden. Die Bundesregierung muss kurzfristig die sichere Versorgung mit Gas gewährleisten. Vielleicht gelingt es tatsächlich, die übermäßig langen Genehmigungsverfahren zu straffen. Vielleicht hilft die Kombination von LNG und Wasserstoff auch, die längerfristigen Kosten von Versorgungssicherheit und Hochlauf der Wasserstofftechnologien in den Griff zu bekommen. Das LNG-Beschleunigungsgesetz soll hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.

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