AGB-Änderungen der Banken

Im April 2021 hatte der BGH entschieden, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Banken nicht im Wege einer Zustimmungsfiktion geändert werden können. Eine solche Zustimmungsfiktion war bis dato üblich und auch entsprechend in einer vielgenutzten Vorlage auch so vorgesehen. Die Änderung des bis dato bestehenden Systems bedeutete viel Aufwand für Banken. Nun liegt ein Vorschlag für eine Gesetzesänderung vor, der die Änderungen der AGB für Banken wieder vereinfachen soll.

In der Bankenpraxis hatte es sich über lange Zeit etabliert, Kunden im Falle einer angestrebten Änderung der AGB die angestrebten Änderungen mitzuteilen und, im Falle des ausbleibenden Widerspruchs, deren Zustimmung zu fingieren. In der Regel wurde dem Kunden eine Frist von acht Wochen (zwei Monaten) für den Widerspruch gesetzt. Die Zustimmungsfiktion war bereits in der entsprechenden AGB-Klausel erhalten; zudem wurde der Kunde ausdrücklich auf die Wirkung der Änderung hingewiesen.

Diese Widerspruchslösung wurde im April 2021 durch den BGH verworfen: Eine automatische Zustimmung zur Vertragsänderung durch Schweigen komme nicht in Betracht. Vielmehr erfordere eine derartige Änderung die aktive Zustimmung durch die Kunden (wir berichteten hier).

Die Entscheidung hatte neben einem enormen Aufwand für die Banken, die aktive Zustimmung der Kunden nachzuholen, auch rechtliche Unsicherheiten zur Folge. So war in vielen Fällen nach dem Urteil unklar, welche Fassung der AGB für welchen Kunden nun galt. Jedenfalls scheint es aus Sicht der Banken geradezu unmöglich, ihre Dienstleistungen im Massenkundengeschäft anzubieten, sofern keine einheitliche vertragliche Grundlage innerhalb ihres Kundenstammes besteht.

Was führte zu dem Urteil?

Das Urteil des BGH geht auf eine Klage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen zurück. Zentraler Ausgangspunkt der Klage war die Frage, ob § 675g BGB, auf den die Banken ihre Fiktionsklausel stützten, auf die gesamte Geschäftsbeziehung zwischen der Bank und ihrem Kunden Anwendung findet, oder lediglich für eine Änderung des Zahlungsdiensterahmenvertrages gilt. Während die Vorschrift aus Sicht der Banken ein allgemeines Rechtsprinzip verdeutlicht, stellte sie aus Sicht des BGH eine Ausnahmevorschrift dar, die nicht für Änderungen der gesamten Geschäftsbeziehung gelten könne. Vielmehr seien derartige Klauseln einer umfangreichen AGB-Kontrolle zu unterwerfen, die im Ergebnis zu einer Verwerfung der Zustimmungsfiktion führe.

Der Entscheidung des BGH war ein Urteil des EuGH, die sogenannte DenizBank-Entscheidung, vorangegangen. Im Rahmen dieser hatte der EuGH eine Klausel der DenizBank, die eine derartige Zustimmungsfiktion anordnete, sowohl am einschlägigen EU-Zahlungsdiensterecht gemessen als auch die Anwendbarkeit des AGB-Rechts bestätigt. Die von der DenizBank verwendete Klausel wurde im Ergebnis gebilligt. Bei genauerem Hinsehen vermittelte dies jedoch eine nur vermeintliche Sicherheit, da sich die Klausel auf die ohnehin von § 675g BGB erfasste Änderung des Zahlungsdiensterahmenvertrages bezog.

Konsequenterweise unterwarf der BGH die streitgegenständlichen Klauseln daher der AGB-Prüfung und kam zu dem Ergebnis, dass eine Änderung des gesamten Vertragsgefüges von der aktiven Zustimmung der Bankkunden abhängig ist. Dieses Urteil war angesichts der jahrzehntelangen Verwendung solcher AGB durch die Banken und einer Vielzahl ergangener Urteile zu AGB, die durch derartige Klauseln geändert waren, überraschend.

Konsequenzen aus dem Urteil

In der Bankenwirtschaft sorgte das Urteil für Unruhe und Verunsicherung. Durch die Nichtigkeitserklärung der Fiktionsklausel war – ausgenommen derer, der die Kunden aktiv zugestimmt hatten - nicht nur unklar, welche Vertragsanpassungen gültig waren. Ferner sahen sich Banken dem Problem ausgesetzt, dass ihr gesamter Kundenstamm mit uneinheitlichen Vertragswerken durchzogen sein könnte. Letztlich führt das Urteil zu einem erheblichen Mehraufwand für angestrebte Änderungen in der Zukunft: Neben der Pflicht zur Einholung einer aktiven Zustimmung zur Vertragsänderung, bestehen umfangreiche Informations- und Aufklärungspflichten. Dies macht eine grundlegende Änderung der Administrationsprozesse erforderlich und steigert die Kosten der Vertragsverwaltung erheblich.

Auch aus Sicht der Kunden sorgte das Urteil für Unsicherheiten. Zwar stärkte die Abkehr von der Zustimmungsfiktion die Rechte der Kunden zunächst. Doch führte sie auf den zweiten Blick auf zu dem mitunter ungewollten Nebeneffekt, dass eine Kündigung der Geschäftsbeziehung durch jene Banken drohte, die ihre Dienstleistungen zu den ursprünglich vereinbarten Bedingungen nicht weiter anbieten konnten. Ob dies insgesamt eine Verbesserung für den Kunden darstellt, darf bezweifelt werden. 

Gegenwärtig beschränken die AGB-Banken Zustimmungsfiktionen regelmäßig entlang der durch das Urteil gezogenen Linien. So kann es zu einer Fiktion kommen, wenn die AGB-Änderung vorgenommen wird, um zwingende Vorgaben infolge einer geänderten Rechtslage umzusetzen oder einer gerichtlichen oder behördlichen Anweisung gerecht zu werden. Andere AGB-Änderungen werden ausdrücklich von der Zustimmungsfiktion ausgenommen.

Gesetzgebungsvorschlag

Um diesen Problemen zu begegnen, hat die Fraktion aus CDU und CSU nun einen Vorschlag zur Änderung des § 675g BGB erarbeitet. Gegenwärtig ist zwar noch nicht absehbar, wann der Vorschlag in den Bundestag eingebracht wird und von diesem zur Entscheidung angenommen wird. Allerdings ist mit einer zeitnahen Einbringung in den Bundestag zu rechnen.

Konkret sieht dieser im Wesentlichen zwei Änderungen vor: Einerseits sollen Änderungen des Zahlungsdiensterahmenvertrages dergestalt beschränkt werden, dass wesentliche Änderungen ausgeschlossen werden, die den Vertragscharakter grundlegend ändern. Andererseits soll § 675g BGB um einen Absatz erweitert werden, der anordnet, dass eine Klausel, die eine Zustimmungsfiktion anordnet, keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB – also des AGB-Rechts - darstellt.

Auswirkungen des Vorschlages

Der eingebrachte Vorschlag greift die Punkte auf, die den BGH zur Verwerfung der streitgegenständlichen Klauseln veranlassten: Eine Zustimmungsfiktion zur Vertragsänderung, die die gesamte Vertragsbeziehung betrifft, führe zu einer unangemessenen Benachteiligung des Bankkunden, dem ohne sein Zutun ein neuer Vertrag auferlegt werde. 

Mit der Beschränkung der Änderungsbefugnis auf „unwesentliche“ Änderungen, die den Vertragscharakter nicht verändern und der gesetzlich angeordneten Auslegung der Klausel als „angemessen“ strebt der Vorschlag eine umfangreiche Klärung der infolge des Urteils entstandenen Situation an. So führt die Erweiterung der Änderungsbefugnis dazu, dass die Banken die Praxis der Zustimmungsfiktion kraft AGB in weiten Teilen fortsetzen können, ohne befürchten zu müssen, dass eine derartige Klausel zukünftig an der AGB-Kontrolle scheitert. Dies hat jedoch auch Wirkungen auf die Vergangenheit: Mittels der angestrebten Befugnis können Banken unwirksame Änderungen aus der Vergangenheit zu heilen versuchen, indem sie ihre Kunden auf Zustimmung ersuchen und von der nun zulässigen Zustimmungsfiktion profitieren. Dies dürfte den Aufwand der Banken, eine einheitliche und wirksame Vertragsänderung mit dem gesamten Kundenstamm herbeizuführen, erheblich erleichtern, da diese – wie in der Vergangenheit – nicht von einer aktiven Handlung grundsätzlich konsensbereiter Kunden abhängt.

Ob der derzeit diskutierte Vorschlag als sog. „kleine Lösung“ aber ausreicht, um den Banken (und auch anderen Unternehmen) die Anpassung von AGB wirklich zu erleichtern (zumal die Änderungen nur in dem Teil des BGB erfolgen sollen, die sich mit Zahlungsdiensterahmenverträgen befassen) bleibt erst einmal dahingestellt. Es könnte sich lohnen, hier eine weitergehende gesetzliche Regelung vorzuschlagen, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden. 

Ausblick

Inwiefern der Vorschlag sich in Form einer tatsächlichen Gesetzesänderung durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Zunächst ist erforderlich, dass der Vorschlag in die Tagesordnung einer parlamentarischen Sitzung aufgenommen wird, in deren Rahmen die sogenannte Erste Lesung stattfinden kann. Der weitere Weg des Vorschlages ist zum gegenwärtigen Punkt jedoch unklar und hängt wohl davon ab, ob und wie groß der Widerstand gegen die angestrebte Änderung ist. 

Mit freundlicher Unterstützung von Manuel Traub, wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Insights

Mehr

Neues EU-Produktsicherheitsrecht: Einführung einer Vorlage für Rückrufanzeigen

Jun 19 2024

Mehr lesen

Buchvorstellung: "Autonomous Vehicles and Civil Liability in a Global Perspective"

Jun 12 2024

Mehr lesen

Vereinfachung der Abrechnung von Abfindungen – Kein Stress mehr mit der Fünftelregelung für Arbeitgeber?

Jun 06 2024

Mehr lesen