BAG: Anscheinsbeweis Einwurfeinschreiben und Rechtsmissbrauch im AGG

Geschrieben von

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Benjamin Karcher

Counsel
Deutschland

Als Counsel und Fachanwalt für Arbeitsrecht in unserer Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht in Düsseldorf berate ich in- und ausländische Mandanten in allen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.

Einwurfeinschreiben – Anscheinsbeweis Zustellung zu postüblichen Zeiten

Der (rechtzeitige) Zugang von Kündigungsschreiben ist im Arbeitsrecht von hoher Relevanz.

Kürzlich hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der sehr praxisrelevanten Frage befasst, ob bei einem Einwurfeinschreiben der Beweis des ersten Anscheins (und damit eine erhebliche prozessuale Beweiserleichterung) gegeben ist, dass dieses während der postüblichen Zeiten zugestellt wurde (BAG, 2 AZR 213/23).

Eine Arbeitnehmerin bestritt einen Einwurf des Kündigungsschreibens zu postüblichen Zeiten. Deswegen sei mit einem Zugang erst am nächsten Tag zu rechnen. Die Arbeitgeberin dagegen machte geltend, dass kein Anhaltspunkt für eine Zustellung außerhalb der ortsüblichen Zeiten gegeben sei.

In dem Urteil hat das BAG entschieden, dass der Auslieferungsbeleg der Deutschen Post als Beweis des ersten Anscheins dient, dass das Schreiben demgemäß und zu postüblichen Zeiten zugestellt wurde (so bereits: Karcher/Mengestu in DB 2021, 565 und Nebeling/Karcher BB 2017, 437). Die Arbeitnehmerin müsse, daher darlegen warum ein untypischer Fall vorlag und den Anscheinsbeweis erst einmal entkräften.

Neue Besetzung im AGG-Senat – Rechtsmissbrauch wiederbelebt

Am 19.09.2024 entschied das BAG (Achter Senat in neuer Besetzung unter Vorsitz von Prof. Dr. Spinner, 8 AZR 21/24), dass Entschädigungsverlangen nach § 15 Abs. 2 AGG das Argument des (hier wohl institutionellen) Rechtsmissbrauchs entgegenstehen kann. Der Kläger, der (wie sein Anwalt in dritter Instanz) zahlreiche AGG-Klagen initiierte, scheiterte mit seinem Entschädigungs-Verlangen (Bewerbung auf eine Stelle als "Bürokauffrau/Sekretärin“, nicht geschlechtsneutral ausgeschrieben) am Rechtsmissbrauch bzw. fehlender Ernsthaftigkeit. Wenngleich Arbeitgebern nur dringend geraten werden kann großes Augenmerk auf korrekte Stellenausschreibungen zu legen, ist es doch zu begrüßen, dass institutionellen Klägern, die das AGG missbräuchlich ausnutzen möchten, ein Riegel vorgeschoben wird. Das LAG Hamm (Vorinstanz, 6 Sa 896/23) kam auf Basis des gesamten Akteninhalts zu der Überzeugung, dass der Kläger systematisch und zielgerichtet vorgeht, um sich einen auskömmlichen Gewinn durch Entschädigungsansprüche „zu erarbeiten“, ohne dass er ein Interesse an der von der Beklagten ausgeschriebenen Stelle gehabt hätte. Das BAG konnte hieran keinen Rechtsfehler erkennen und ließ die Anspruchsvoraussetzungen selbst daher gänzlich unberücksichtigt, da jedenfalls ein Rechtsmissbrauch durch den Kläger vorläge. Insofern sind Deutschland und die EU doch noch nicht ganz im amerikanischen System angekommen und es darf aus Sicht der Wirtschaft als auch der ohnehin schon überlasteten Gerichte gehofft werden, dass derartig missbräuchlichen Klagen auch in der Instanz Rechtsprechung der Erfolg versagt bleibt. Denn der letzte Fall – darin waren sich alle einig – war dies nicht.

Endlich! – Digitale Arbeitsverträge auch im Nachweisgesetz angekommen

Das Bürokratieentlastungsgesetz IV wurde verabschiedet, sodass ab 1.1.2025 Arbeitsverträge bedenkenlos auch in (digitaler) Textform geschlossen werden können. Diese Änderung war überfällig und soll auch für die üblicherweise in Arbeitsverträgen enthaltene Befristung auf das Renteneintrittsalter gelten (nicht hingegen für andere befristete Arbeitsverträge).

Änderungen finden sich auch für Arbeitnehmerüberlassungsverträge, welche zukünftig ebenfalls in Textform geschlossen werden können.

 

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