Der Einfluss der Energieeffizienz auf den Verkaufswert einer Immobilie: Perspektiven für Investoren und Kreditgeber

Geschrieben von

matthias winter Module
Dr. Matthias Winter

Partner
Deutschland

Als Partner in unserem Büro in Frankfurt und Mitglied der Praxisgruppe Finance & Financial Regulation verfüge ich über weitreichende Erfahrung in der Beratung im Finanzsektor mit einem besonderen Schwerpunkt in der Assetfinanzierung.

Simon Schulz

Associate
Deutschland

Als Associate in der Praxisgruppe Finanzierungen & Finanzregulierung in unserem Frankfurter Büro berate ich deutsche und internationale Mandanten in allen Fragen des Bank- und Finanzrechts. Ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit liegt dabei in der Begleitung von strukturierten Finanzierungen, Immobilien-, Akquisitions- und Unternehmensfinanzierungen. Außerdem berate ich zu nachhaltigen Infrastruktur-Investitionen mit besonderem Fokus auf den Energiesektor.

Ausgangslage

Der Gebäudesektor ist einer der größten Emittenten von Treibhausgasen in Europa. Im Jahr 2023 war der Gebäudesektor in der EU für 40% aller CO2-Emmissionen verantwortlich. In Deutschland lag der Anteil der emittierten CO2-Äquivalente bei rund 102 Mio. Tonnen. Gegenüber 2022 ist damit zwar in Deutschland ein Rückgang von ca. 7,5% zu 2022 zu verzeichnen, die vom Umweltbundesamt veröffentlichten Projektionswerte für das Jahr 2030 verfehlen das angestrebte Ziel jedoch um 32 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente. Auch die Sanierungsrate im Gebäudebestand lag 2023 mit ca. 1% unter dem Zielkorridor von 2-4%.

Angesichts des von der Europäischen Union ausgerufenen Ziels der Klimaneutralität bis 2050 wurden in den letzten Jahren die regulatorischen Anforderungen an den Immobiliensektor erheblich verschärft. Diese Entwicklung betrifft sowohl den privaten als auch den gewerblichen Immobilienbereich, wobei der Fokus in diesem Zusammenhang auf Wohnimmobilien liegt. Auf europäischer Ebene ist insbesondere die Gebäudeenergieeffizienz-Richtlinie (Energy Performance of Buildings Directive) zu nennen, die Teil des "Fit for 55"- Pakets im Rahmen des EU-Green-Deals ist. Auf nationaler Ebene ist u.a. das viel diskutierte Gebäudeenergiegesetz (GEG) anzuführen, das seit Januar 2024 in Kraft ist und darauf abzielt, die energieeffizientere Beheizung von Gebäuden zu fördern. Auch mittelbar kommt der Immobiliensektor mit ESG-Regulierungen in Kontakt. Dies kann etwa der Fall sein, wenn Immobilienunternehmen oder -konzerne aufgrund ihrer Größe oder der Tatsache, dass sie innerhalb der EU gelistet sind, den Offenlegungspflichten der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) unterliegen. Dadurch sind sie verpflichtet, in ihrem Jahresabschluss Nachhaltigkeitsziele zu definieren. Auch bei der Unternehmens-/Konzernfinanzierung kommen mittelbar EU-Regularien zum Tragen. So müssen etwa Finanzmarkteilnehmer z.B. Informationen zu den Investments von nachhaltig aufgelegten Fonds veröffentlichen. Um hier als taugliches Investitionsobjekt betrachtet werden zu können bzw. zu bleiben, muss eine nachhaltige Unternehmens-/Konzernausrichtung erwogen werden.

Aufgrund der zunehmenden regulatorischen Anforderungen ist die Energieeffizienz einer Wohnimmobilie bei der Bewertung des Vermögenswertes in den letzten Jahren in den Fokus gerückt. Das Merkmal der Energieeffizienz wird dabei in unterschiedlichen Konzepten berücksichtigt, wobei die Gewichtung innerhalb der verschiedenen Konzepte unterschiedlich ausgeprägt ist. Zu nennen ist hier – neben der Zertifizierung von Gebäuden durch das Deutsche Gütesiegel für nachhaltiges Bauen (DGNB) oder Leadership in Energy and Environmental Design (LEED) – insbesondere das Konzept des sog. "Green Value", das versucht, die Wertsteigerung einer Immobilie durch eine hohe Energieeffizienz und Umweltleistung im Vergleich mit anderen Immobilien, welche ansonsten vergleichbare Eigenschaften aufweisen, zu ermitteln.

Erste Auswirkungen auf den Verkaufspreis von Privatimmobilien zu erkennen

Im Bereich der Wohnimmobilien sind in den letzten beiden Jahren bereits Auswirkungen einer hohen Energieeffizienzklasse auf den Verkaufswert zu erkennen. Eine aktuelle Auswertung des Immobilienportals ImmoScout24 zeigt einen Preisanstieg für energieeffiziente Wohnimmobilien in den letzten zwei Jahren. So ist trotz sinkender Nachfrage im Markt ein Preisanstieg für Immobilien der Energieeffizienzklasse A und B in Q4 2023 im Vergleich zu Q4 2022 von 2,2% zu verzeichnen gewesen. Besonders hervorzuheben ist der zu verzeichnende Preisverfall für Immobilien der Energieeffizienzklasse C bis H. Im Bereich der Klassen C und D war im angegebenen Zeitraum ein Verfall von -7,2%, im Bereich der Klassen E bis H ein Verfall von -6,8% zu verzeichnen. Die steigende Nachfrage der Investoren nach energieeffizienten Wohnimmobilien wird durch die im Sustainability Report 2023 erhobenen Daten des Berufsverband Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) bestätigt.

Zu betonen ist, dass sich die Auswirkungen auf den Verkaufspreis von Immobilien in angespannten Märkten (v.a. Ballungszentren in beliebten Großstädten), in denen die Verkaufspreise aufgrund hoher Nachfrage überwiegend durch die jeweilige Lage des Objekts bestimmt werden, weniger stark ausgeprägt zeigen.

Auswirkungen für Investoren und Kreditinstitute

Setzt sich der dargestellte Trend fort, dürfte der Faktor Energieeffizienz einer Wohnimmobilie auch für Investoren und Kreditgeber in naher Zukunft eine noch entscheidendere Rolle spielen.

Für Investoren ist eine hohe Energieeffizienz, insbesondere im Hinblick auf potenziell zu erzielende Renditen, interessant. Die Einhaltung hoher energetischer Standards bei Neubauten und Sanierungen stellt derzeit eine bedeutende finanzielle Herausforderung für Investoren dar, bedingt durch hohe Rohstoffpreise und verschärfte regulatorische Anforderungen bei gleichzeitig zunehmendem Risiko steigender Betriebskosten. Die Betriebskosten fallen bei einer nachhaltigen Immobilie im Vergleich zu solchen mit einem schlechten Green Value deutlich niedriger aus, was das Risiko eines sog. "Stranded Assets“ mindert. Unter den Begriff Stranded Asset fallen dabei Immobilien, die nicht mehr in der Lage sind, Renditen zu erzielen. Zudem weisen Gebäude mit hoher Energieeffizienz eine geringere Volatilität gegenüber der Wirtschaft und dem Immobilienmarkt auf.

Auch im Rahmen einer Finanzierung von Immobilien spielt die Energieeffizienz in Zukunft eine maßgebliche Rolle. Ein Großteil aller Immobilienfinanzierungen sind durch Grundpfandrechte besichert. Die Energieeffizienzklasse beeinflusst daher nicht nur den Verkaufswert, sondern auch den Wert der Sicherheit erheblich. Es ist ein grundsätzliches Interesse des Kreditgebers, das von ihm übernommene Kreditausfallrisiko durch eine möglichst nachhaltige und wertstabile Sicherheit besichert zu sehen. Insoweit stellt – wie dargelegt – eine schlechte Energieeffizienzklasse ein Risiko für die Wertstabilität der Finanzierung zugrundeliegenden Sicherheit dar. Eine hohe Energieeffizienz könnte aus Sicht der Kreditinstitute das Risiko erheblicher Wertkorrekturen der Immobilie während der Finanzierungslaufzeit mindern.

Gegenwärtig enthalten viele Finanzierungsverträge bereits neben ESG Reportingpflichten Zusicherungen des Darlehensnehmers in Bezug auf Nachhaltigkeitskriterien, die häufig durch sog. Covenants in einem ESG Compliance Certificate festgelegt werden. Covenants sind Vereinbarungen, die spezifische Leistungsindikatoren genau definieren und deren Einhaltung sich der Kreditnehmer verpflichtet. Besonders wichtig in Finanzierungsverträgen sind dabei die Financial Covenants, deren Verletzung oft zu substanziellen Vertragsstrafen oder dem Kündigungsrecht des Darlehensgebers führt. Im ESG Compliance Certificate wird regelmäßig für die finanzierende Immobilie das Bestehen eines anerkannten Zertifikats (etwa LEED oder DGNB) vorausgesetzt. Im Gegensatz zu Verletzungen der Financial Covenants führt eine Verletzung der in den ESG Compliance Certificate festgelegten Nachhaltigkeitsstandards gegenwärtig nur selten zu weiterführenden Konsequenzen. Je nach Ausgestaltung und Messbarkeit der Covenants können diese mitunter auch taugliche Ankerpunkte bieten, um die Finanzierungen als Sustainability-Linked Loan oder ähnliches darzustellen (wir berichteten bereits hier).

Ein möglicher Ansatz zur Sicherung der Energieeffizienzklasse von Immobilien während des Finanzierungszeitraums könnte daher darin bestehen, neben einem ausführlichem ESG-Reporting einen vertraglich vereinbarten Energieeffizienzbereich in die Covenants des Kreditvertrages einzubeziehen. Mittel- und langfristig könnte erwogen werden, eine Angleichung an die Financial Covenants in Bezug auf die Konsequenzen eines Verstoßes vorzunehmen, um den Druck auf den Darlehensnehmer zur Einhaltung zu erhöhen. Vereinzelt wird bereits die Aufnahme eines Margengitters als Bestandteil des Zinssatzes diskutiert. Denkbar wäre hier beispielsweise eine Ausgestaltung eines variablen Zinssatzes, der unter anderem an die Einhaltung einer bestimmten Energieeffizienzklasse geknüpft ist. Wenn die Immobilie, die der Finanzierung zugrunde liegt, aus diesem Bereich fällt, könnte dies zu einer Erhöhung des variablen Zinssatzes führen.

Zusammenfassung

Sowohl für Investoren als auch für Kreditinstitute dürfte die Prüfung der Energieeffizienz einer Immobilie in Zukunft eine noch präsentere Rolle einnehmen. Für Investoren dürfte dabei insbesondere der bei Exit zu erzielende höhere Verkaufspreis im Vordergrund stehen, für Kreditgeber insbesondere die nachhaltige Werthaltigkeit der zu besichernden Immobilien. Angesichts der zu erreichenden Klimaziele dürfte der Handlungsbedarf aufgrund regulatorischer Anforderungen in den kommenden Jahren weiter zunehmen, sodass sich sowohl für Investoren als auch Kreditgeber eine frühe Positionierung im Markt auszahlen könnte.

Co-Autor: Simon Schulz (Associate)

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