Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass Arbeitgeber schadensersatzpflichtig sein können, wenn sie entgegen der arbeitsvertraglichen Regelung keine Zielvereinbarung mit dem Arbeitnehmer schließen, sondern die für die variable Vergütung maßgeblichen Ziele einseitig festlegen.
In seinem Urteil vom 3. Juli 2024 stellte das Gericht fest, dass der Arbeitgeber durch die einseitige Zielvorgabe schuldhaft seine Pflicht zur Verhandlung einer Zielvereinbarung verletzt und sich damit schadensersatzpflichtig gemacht habe.
BAG, Urteil vom 3. Juli 2024 – 10 AZR 171/23
Der klagende Arbeitnehmer verlangte Schadensersatz wegen entgangener variabler Vergütung, die vom Erreichen bestimmter Ziele abhängig war. Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag sah vor, dass über die zu erreichenden Ziele eine Zielvereinbarung geschlossen werden sollte. Für den Fall, dass es zu keiner Einigung über die Ziele kam, behielt sich der Arbeitgeber die einseitige Festlegung der Ziele vor.
Die Parteien lagen mit ihren Vorstellungen auseinander. Der Arbeitgeber legte ohne Gespräch mit dem Kläger einseitig Ziele fest und zahlte in der Folge keine variable Vergütung.
Das Gericht bejahte zwar die grundsätzliche Möglichkeit des Arbeitgebers, die Ziele zur Bestimmung einer variablen Vergütung, aufgrund vertraglicher Vereinbarung eines Leistungsbestimmungsrechts nach § 315 BGB, einseitig nach billigem Ermessen festzulegen.
Eine Grenze sei aber dann erreicht, wenn dieses Leistungsbestimmungsrecht geeignet sei, eine vertraglich vereinbarte Rangfolge von Zielvereinbarung und Zielvorgabe zu unterlaufen.
Sieht eine Klausel vor, dass die Ziele vorrangig durch Vereinbarung und nur nachrangig durch Vorgaben des Arbeitgebers festzulegen sind, benachteilige es den Arbeitnehmer unangemessen, wenn der Arbeitgeber Verhandlungen über die Zielvereinbarungen verweigern oder abbrechen und die Konkretisierung der zu erreichenden Ziele stattdessen einseitig vornehmen könne.
Der Gebrauch dieses Leistungsbestimmungsrechts verletzt die arbeitsvertragliche Pflicht des Arbeitgebers, Verhandlungen über die Zielvereinbarungen zu führen und abzuschließen.
Der Pflicht zur Verhandlung über eine Zielvereinbarung genügt der Arbeitgeber nach Auffassung des Gerichts nur dann, wenn dieser den Kerninhalt der vorgeschlagenen Zielvereinbarung ernsthaft zur Disposition gestellt und dem Arbeitnehmer Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen eingeräumt habe. Das BAG stellt damit strenge Anforderungen an die Erfüllung dieser Pflicht auf.
Wie auch im Fall der verspäteten Zielvorgabe (Newsletter von April 2024) ist der Arbeitnehmer hinsichtlich der Ermittlung der Anspruchshöhe grundsätzlich so zu stellen, als hätte er die vereinbarten Ziele erreicht. Etwas anderes soll nur gelten, wenn konkrete Umstände vorliegen, die auf das Gegenteil schließen lassen. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer in den Vorjahren die Zielvorgaben regelmäßig nicht erfüllt hat.
Beruht das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung auf dem Verschulden beider Arbeitsvertragsparteien, ist dies bei der Bemessung des Schadensersatzes im Rahmen des Mitverschuldens nach § 254 BGB zu berücksichtigen.
Angesichts der vom BAG aufgestellten hohen Anforderungen an die Verhandlungspflicht des Arbeitgebers mit Blick auf Zielvereinbarungen und den damit verbundenen Haftungsrisiken empfiehlt es sich, insgesamt auf Klauseln zu Zielvereinbarungen zu verzichten.
Stattdessen empfiehlt es sich, künftig auf einseitige Zielvorgabeklauseln zu setzen, um sich keinem Schadensersatzrisiko wegen Nichterfüllung der Verhandlungspflicht auszusetzen.