Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 2. Juni 2016 über das Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf) zu sogenannten Open-House-Verträgen entschieden und diese nunmehr dem Anwendungsbereich des klassischen Vergaberechts entzogen. Diese Entscheidung ist von enormer praktischer Reichweite.
Bei sog. Open-House-Verträgen handelt es sich um ein Konstrukt, bei dem der öffentliche Auftraggeber aus wirtschaftlichen und/oder (gerade im Gesundheitsbereich) Compliancegründen nicht nur mit einem oder einer von Anfang an bestimmen Anzahl von Unternehmen einen Liefer- oder Dienstleistungsvertrag abschließen, sondern zu vorher vorgegebenen Konditionen mit allen interessierten Unternehmen kontrahieren will. In dem vom EuGH zu entscheidenden Fall wollte eine Krankenkasse so z. B. nicht durch eine Ausschreibung eine Festlegung hin zur Versorgung von Arzneimitteln nur durch ein Unternehmen bezwecken, sondern mit allen Unternehmen Lieferverträge schließen, die bestimme vertragliche
Bedingungen einhalten und den vorgegebenen Preis akzeptieren.
Die vom EuGH zu beantwortende Frage war, ob es sich bei diesem Vertrag um einen öffentlichen Auftrag handelt und er daher nach den Regeln des klassischen Vergaberechts auszuschreiben ist.
Dies hat der EuGH aus folgenden Gründen verneint:
Bei dem Vertrag handelt es sich nach Auffassung des EuGH auch nicht um einen auszuschreibenden Rahmenvertrag. Denn von dem klassischen Rahmenvertrag unterscheidet sich das Open-House-Modell dadurch, dass auch während der Vertragsphase ein Beitritt zu gleichen Bedingungen ermöglicht wird und daher anders als bei Rahmenverträgen nach Art. 32 Abs. 2 UA 2 der RL 2004/18 die potentiellen Vertragspartner nicht von vornherein feststehen.
Folgen des Urteils sind unserer Auffassung nach:
Das von Bird & Bird LLP unter der Federführung von Dr. Alexander Csaki als Mitglied der Praxisgruppe Öffentliches Wirtschaftsrecht für den öffentlichen Auftraggeber entwickelte Modell steht ab sofort somit allen öffentlichen Auftraggebern als weitere Beschaffungsvariante zur Verfügung. Es ist in seiner Anwendung wohl immer dann von Bedeutung, wenn öffentliche Auftraggeber leicht zu beschreibende Standardgüter beschaffen wollen oder die Beschaffung nicht für den Auftraggeber selbst, sondern Dritte (Patienten/ Ärzte/ Sozialversicherungsnehmer, etc.). erfolgt. In Fällen, in denen der Auftraggeber einen besonders günstigen Preis erzielen will, wird die klassische Vergabe meist das wirtschaftlichere Ergebnis erzielen.
Für weitere Fragen und sehr praxisnahe Inhouse-Schulungen zu den brandaktuellen Entwicklungen des am 18.04.2016 komplett reformierten deutschen Vergaberechts, stehen wir Ihnen sehr gerne zur Verfügung.