Bereits mit Urteil vom 22. Juni 2022 hatte der EuGH über die Vereinbarkeit des Kündigungsschutzes für Datenschutzbeauftragte („DSB“) nach § 38 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG mit Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO entschieden. Der deutsche Sonderkündigungsschutz, wonach einem DSB nur aus wichtigem Grund (und somit nicht ordentlich) gekündigt werden kann, auch wenn die Kündigung nicht mit der Erfüllung seiner Aufgaben zusammenhängt, stehe dem Unionsrecht nicht grundsätzlich entgegen.
Voraussetzung sei nach Auffassung des EuGHs jedoch, dass die Verwirklichung der Ziele der DSGVO nicht beeinträchtigt werde, also der Datenschutzbeauftragte weiterhin ausreichend für seine Tätigkeit befähigt sei. Das BAG ist nunmehr in seinem Urteil vom 25. August 2022 (Az. 2 AZR 225/20; abrufbar hier) dem EuGH gefolgt und hat eine Beeinträchtigung der Verwirklichung der Ziele der DSGVO verneint. Den Konflikt zwischen Kündigungsschutz und DSGVO hat das BAG dabei zwar nicht vollständig aufgelöst, es deutet aber an, dass es zugunsten des Datenschutzes nicht allzu sehr am strengen, traditionell arbeitnehmerfreundlichen Kündigungsschutzrecht rütteln will.
Das Urteil vom 22. Juni 2022 (Az. C-534/20) finden Sie hier.
Das BAG musste in einem Kündigungsschutzprozess über die Wirksamkeit einer Kündigung einer DSB durch ihren Arbeitgeber entscheiden. Der Arbeitgeber, eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft, die nach deutschem Recht zur Benennung eines DSB verpflichtet ist, hatte der DSB wegen einer Umstrukturierungsmaßnahme, nämlich der geplanten Übernahme des betrieblichen Datenschutzes durch einen externen Datenschutzbeauftragten, ordentlich gekündigt. Die Instanzgerichte hielten diese Kündigung für unwirksam, weil der Sonderkündigungsschutz für DSB nach § 38 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG anwendbar sei und das Arbeitsverhältnis somit nur aus wichtigem Grund hätte gekündigt werden dürfen.
§ 6 Abs. 4 BDSG, welcher gem. § 38 Abs. 2 BDSG auch auf verpflichtend benannte DSB nichtöffentlicher Stellen Anwendung findet, lautet wie folgt:
„Die Abberufung der oder des Datenschutzbeauftragten ist nur in entsprechender Anwendung des § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zulässig. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, welche die öffentliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. […]“
Das BAG hegte Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Regelung mit Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO („Der Datenschutzbeauftragte darf von dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden.“), weil die deutsche Regelung strengere Voraussetzungen an die Kündigung eines DSB anlegt als die unionsrechtliche Vorschrift. Ob neben der unionsrechtlichen Regelung auch noch Raum für eine mitgliedsstaatliche Regelung zur Kündigung eines DSB ist, wurde im deutschen Schrifttum bisher unterschiedlich beurteilt.
Vor diesem Hintergrund entwickelte das BAG u. a. die folgende Vorlagefrage an den EuGH:
„Ist Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO dahin auszulegen, dass er einer Bestimmung des nationalen Rechts, wie § 38 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG, entgegensteht, die die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Datenschutzbeauftragten durch den Verantwortlichen, der sein Arbeitgeber ist, für unzulässig erklärt, unabhängig davon, ob sie wegen der Erfüllung seiner Aufgaben erfolgt?“
Der EuGH hat die Vorlagefrage des BAG verneint und entschieden, dass Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO dahin auszulegen sei, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegenstehe, nach der einem bei einem Verantwortlichen oder einem Auftragsverarbeiter beschäftigten DSB nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann, auch wenn die Kündigung nicht mit der Erfüllung seiner Aufgaben zusammenhängt, sofern diese Regelung die Verwirklichung der Ziele der DSGVO nicht beeinträchtigt.
Begründet hat der EuGH seine Entscheidung damit, dass Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO allein der Wahrung der funktionellen Unabhängigkeit des DSB sowie der Wirksamkeit der Bestimmungen der DSGVO diene. Die Regelung des Arbeitsverhältnisses zwischen einem Verantwortlichen oder einem Auftragsverarbeiter und dessen Beschäftigten sei damit jedoch nicht bezweckt und allenfalls beiläufig betroffen, soweit dies für die Erreichung der o. g. Ziele unbedingt erforderlich ist. Bei der Regelung des Kündigungsschutzes der DSB ginge es dagegen primär um Sozialpolitik. In diesem Bereich seien die Mitgliedsstaaten nicht gehindert, strengere Regelungen als der EU-Gesetzgeber vorzusehen, solange diese mit dem Unionsrecht vereinbar seien.
Was die Vereinbarkeit von Vorschriften für die arbeitgeberseitige Kündigung eines DSB mit der DSGVO anbelangt, so merkt der EuGH hierzu an, dass ein strengerer Schutz die Verwirklichung der Ziele der DSGVO nicht beeinträchtigen dürfe. Dies wäre aber der Fall, wenn dieser Schutz
„jede durch einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter ausgesprochene Kündigung eines Datenschutzbeauftragten verböte, der nicht mehr die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen beruflichen Eigenschaften besitzt oder seine Aufgaben nicht im Einklang mit der DSGVO erfüllt.“
Erwartungsgemäß ist das BAG in seiner Entscheidung dem EuGH zunächst gefolgt und hat festgestellt, dass keine Beeinträchtigung der Verwirklichung der Ziele der DSGVO vorliege. Die Voraussetzungen, unter denen das Arbeitsverhältnis eines DSB rechtswirksam beendet werden kann, würden zwar auf die Schwelle des „wichtigen Grundes“ erhöht, aber nicht unmöglich oder unzumutbar erschwert. Es sei mithin – wie vom EuGH verlangt – nicht jede Kündigung eines DSB verboten, der nicht mehr die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen beruflichen Eigenschaften besitzt oder seine Aufgaben nicht im Einklang mit der DSGVO erfüllt. Die personen- oder verhaltensbedingten Gründe müssen nach der Auffassung des BAG „nur“ die Erheblichkeitsschwelle des „wichtigen Grundes“ erreichen. Um zu unterstreichen, dass ein DSB nicht vor jedem Verlust seiner Rechtsstellung geschützt ist, führt das BAG die Möglichkeit eines Abberufungsverlangens durch die Aufsichtsbehörden der Länder nach § 40 Abs. 6 S. 2 BDSG an. In diesem Zusammenhang ergänzt das BAG, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines DSB neben dessen Abberufung regelmäßig nicht nötig sei.
Auch im konkret verhandelten Fall sieht das BAG keine Beeinträchtigung der Ziele der DSGVO als gegeben an. Denn der Vortrag des Arbeitgebers zur Notwendigkeit der Umstrukturierungsmaßnahmen sei zu pauschal gehalten und lege keine unzulässige Beeinträchtigung der Ziele der DSGVO allein durch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der DSB dar. Der betriebsbedingten Kündigung eines internen DSB sei damit allerdings nicht „auf Lebenszeit“ ein Riegel vorgeschoben. Schließlich komme nach dem BAG eine Kündigung aus wichtigem Grund dann in Betracht, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde. Ferner sei zu berücksichtigen, dass sich der Arbeitgeber freiwillig dafür entschieden hatte, seine gesetzlichen Aufgaben auf einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu übertragen, dessen Arbeitsverhältnis während dieser Zeit einem besonderen Kündigungsschutz unterliegt.
Nein. Der Streit, ob es den Mitgliedsstaaten grundsätzlich möglich ist, strengere Kündigungsschutzvorschriften für DSB als nach Unionsrecht vorzusehen, ist zwar geklärt, jedoch stellt sich nun die Frage, wie streng diese Vorschriften sein und ausgelegt werden dürfen, um nicht gegen die DSGVO zu verstoßen.
In Bezug auf die deutsche Regelung ist weiterhin nicht eindeutig geklärt, ob und wann eine Kündigung auf datenschutzrechtliche Gründe gestützt werden darf. Der EuGH hat hierzu gesagt, dass es in Fällen, in denen der DSB seine Aufgaben nach der DSGVO nicht mehr erfüllt bzw. nicht mehr die hierfür erforderlichen Eigenschaften besitzt, möglich sein müsse, dem DSB zu kündigen. Die Aussage des BAG, dass die deutsche Regelung nicht jede Kündigung aus einem solchen Grund unmöglich mache oder unzumutbar erschwere, sondern eben das Vorliegen von personen- oder verhaltensbedingten Gründen auf der Schwelle des „wichtigen Grundes“ verlange, weicht dieser EuGH-Position in gewisser Weise aus. Mit dem Verweis darauf, dass die Abberufung des DSB regelmäßig für die Sicherung der Ziele der DSGVO genüge und eine Kündigung dann nicht notwendig sei, geht das BAG sodann eher in die entgegengesetzte Richtung und deutet an, dass die Beeinträchtigung der DSGVO-Ziele allein nicht für eine Kündigung reichen würde. Damit erklärt das BAG, dass die Abberufung, die nach deutschem Recht ebenfalls das Vorliegen eines wichtigen Grundes erfordert, unterhalb der Schwelle der außerordentlichen Kündigung ausgesprochen werden kann. Ob und wenn ja, in welchen Fällen es eine Kündigung im Interesse des Datenschutzes – wie vom EuGH gefordert - für möglich hält, bleibt offen.
Das letzte Wort in Bezug auf das Wechselspiel von Daten- und Kündigungsschutz bei der außerordentlichen Kündigung eines DSB ist damit noch nicht gesprochen. Die Arbeitsgerichte werden sich zukünftig insbesondere mit der Frage auseinanderzusetzen haben, wann die mangelnde Befähigung eines DSB bzw. die Nichterfüllung seiner Amtspflichten das Vorliegen eines zur Kündigung berechtigenden wichtigen Grundes begründet.
Im Übrigen bleibt offen, ob die deutschen Regelungen zur Abberufung eines DSB gem. § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG (siehe oben) mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Es ist nämlich nicht gesagt, dass sich die Entscheidung des EuGHs zum Kündigungsschutz auf die Regelungen der Mitgliedsstaaten über die Abberufung eines DSB übertragen lässt. Insbesondere ist fraglich, ob die Erwägungen des Gerichtshofs zum sozialpolitischen Charakter der Regelungen zum Kündigungsschutz auf die Abberufung anwendbar sind. Hinter der Wirksamkeit der deutschen Regelungen steht damit weiterhin ein kleines Fragezeichen.
Klarheit wird vermutlich erst eine weitere Entscheidung des EuGHs bringen, mit der Ende diesen oder Anfang nächsten Jahres zu rechnen ist. Denn in einem weiteren Vorabentscheidungsersuchen (Beschluss v. 27.04.2021 – 9 AZR 621/19) hat das BAG den EuGH gefragt, ob § 6 Abs. 4 S. 1 BDSG mit Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO vereinbar ist.
Unternehmen, die zur Benennung eines DSB verpflichtet sind und hierfür einen internen DSB benannt haben, können das Arbeitsverhältnis nicht ordentlich kündigen. Vielmehr genießt ein DSB den Sonderkündigungsschutz des § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG (nach S. 3 nachwirkend für 1 Jahr nach Ende der Tätigkeit als DSB), welcher das Vorliegen eines wichtigen Grundes (vgl. § 626 BGB) für die Wirksamkeit der Kündigung erfordert, der jedoch nicht zwingend mit der Erfüllung der Aufgaben des DSB zusammenhängen muss.
Ob ein wichtiger Grund immer dann gegeben ist, wenn der DSB nicht mehr die notwendigen Voraussetzungen für seine Tätigkeit besitzt oder seine Aufgaben nicht mehr im Einklang mit der DSGVO erfüllt, ist aufgrund des zurückhaltenden Urteils des BAG noch nicht abschließend geklärt. Unternehmen müssen in solchen Fällen abwägen, ob Ihnen die Abberufung des DSB - die das BAG als vorrangig gegenüber der Kündigung erachtet – unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist.
Da die rechtlichen Hürden sowohl in Bezug auf die außerordentliche Kündigung als auch auf die Abberufung des DSB relativ hoch sind und zudem noch die oben beschriebenen ungeklärten Fragen bestehen, dürften in der Praxis weiterhin die befristete Benennung eines DSB oder der Einsatz eines externen DSB die sichersten Instrumente bleiben, um Flexibilität beim Einsatz des DSB zu bewahren.